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Rechter Kulturkampf ums EssenKäfer im Kopf

Rechtspopulisten sagen, Eliten wollten das Volk zum Essen von Insekten zwingen. Auch Bauern verbreiten die Verschwörungsmythen. Was steckt dahinter?

Insekten versus Grillwürstchen Illustration: Imke Staats

Essen taugt Rechtspopulisten immer, um Ängste zu schüren. Das Muster ist immer das gleiche: Sie behaupten, dass eine böse Elite in Regierung, Umweltschutz und Medien das Volk zwingen wolle, etwas zu essen oder nicht zu essen.

Als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) im März weniger Fleisch als bisher empfahl, wetterte das AfD-Bundesvorstandsmitglied Christina Baum, die Bundesregierung versuche schon wieder, „schrittweise unser Leben über Vorschriften zu kontrollieren und zu bestimmen.“ Obwohl die DGE eine unabhängige Fach­organisation ist, die nur Empfehlungen gibt.

Besonders hartnäckig hält sich in rechtsradikalen Kreisen der Verschwörungsmythos, die „da oben“ wollten, dass „wir“ gegen unseren Willen Insekten essen. Auch hier ist die AfD ganz vorne dabei. In ihrem Programm zur Europawahl im Juni sprach sie sich gegen „verdeckte Beimischung von Insekten in Lebensmitteln“ aus und forderte, diese Zutaten „deutlich zu kennzeichnen“. „Generell treten wir dafür ein, dass die EU-Insektenfreigabe rückgängig gemacht wird.“

Als die Europäische Union 2023 weitere Insekten als Lebensmittel zuließ, mobilisierten rechte Blogs gegen „die EU“, die uns jetzt angeblich Insekten ins Essen mische. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) polemisierte bei Twitter gegen Insektenessen („#GenussStattEkel“).

Zuvor hatte die Bild-Zeitung auf ihrer Titelseite mit der Schlagzeile aufgemacht: „Diese Insekten sind jetzt im Essen erlaubt.“ Darunter ein bei den meisten Menschen wahrscheinlich ekelerregendes Foto von einer Made. In sozialen Netzwerken schimpften User: „Das könnt ihr und Frau von der Leyen gerne fressen. Wie Viecher“ und „Pfui Teufel!“.

Dabei müssen Insekten laut EU-Recht bereits in der Zutatenliste klar genannt werden. Und zwar nicht nur mit den lateinischen Namen, sondern auch mit den bekanntesten deutschen. Die seit 2023 zugelassene Acheta domesticus muss also auch als „Hausgrille, Heimchen“ in der Liste auftauchen.

Nur wenige Produkte mit Insekten

Vor der Zulassung mussten die Unternehmen nachweisen, dass diese in Europa neuen Lebensmittel nicht der Gesundheit schaden. Wie viele andere Nahrungsmittel könnte auch Insektenpulver in seltenen Fällen allergische Reaktionen auslösen – etwa bei Menschen, die gegen Krebstiere, Weichtiere und Hausstaubmilben allergisch sind.

Deshalb müssen Allergie-Warnungen in unmittelbarer Nähe der Zutatenliste stehen. Obwohl einzelne Insektenarten schon seit Jahren als Lebensmittel erlaubt sind, sind sie in der EU nicht weit verbreitet. Hierzulande sind nur wenige Produkte mit geringen Mengen an Insekten erhältlich – etwa Riegel oder Nudeln.

Dass die Industrie jetzt versuchen wird, den Verbraucher­Innen Grillen- statt Weizenmehl unterzujubeln, ist extrem unwahrscheinlich. Dafür sorgt schon der Preis: Ein Kilogramm des Insektenmehls wird online zum Beispiel für knapp 130 Euro angeboten. Die gleiche Menge Weizenmehl kostet im Laden typischerweise weniger als 1 Euro.

Dennoch polemisiert zum Beispiel der rechtspopulistische Agrarverband Freie Bauern Deutschland GmbH mit einer eigenen Internetseite nicht nur gegen „Veganpampe“ und „Reaktorfraß“, sondern ebenso gegen „Ungeziefer“ als Lebensmittel. Die Seite wurde prompt von dem rechten Blog Achse des Guten beworben.

Auch die Freien Bauern sprechen davon, dass „wir“ Insekten verspeisen „sollen“. Immer mehr würden als Nahrungsmittel zugelassen, „die wenigsten davon als Grillen-Snack deklariert“. Das dürften viele Menschen so und damit falsch verstehen, dass es keine Kennzeichnungspflicht gebe. Die Wahrheit erfahren die Leser erst, wenn sie auf „Mehr lesen“ klicken:

Dort räumen die Freien Bauern selbst ein, dass Lebensmittel mit Insekten laut Novel-Food-Verordnung der EU „klar und verständlich gekennzeichnet“ sein müssen. Aber diese wichtige Information steht eben nur auf einer hinteren Seite des Internetauftritts.

Klaus Schwab ist das personifizierte Böse

Auffällig ist, dass Rechtsradikale auch in anderen Ländern Verschwörungsmythen über Insekten als Lebensmittel verbreiten, zum Beispiel in Bulgarien und Ungarn. Entsprechende Nachrichten liefen dem US-Radiosender NPR zufolge zum Beispiel auf der Internetplattform 4Chan, die auch eine Quelle für Posts von QAnon, die Verschwörungsmythen verbreiten, war.

Noch populärer machte der ehemalige Fox-News-Moderator Tucker Carlson die Angst vor dem Insektenessen. Mehrmals griff der Trump-Unterstützer das Thema auf, immer wieder wollte er bei den Zuschauern offenbar Ekel erregen mit Bildern von Menschen, die sich riesige Käfer in den Mund schoben und unter lautem Knacken zubissen.

Bei Carlson kommt auch der Chef der Stiftung Weltwirtschaftsforum (WEF), Klaus Schwab, vor. Der deutsche Ökonom ist für viele VerschwörungserzählerInnen das personifizierte Böse, weil er in seinem Buch „Covid 19: The Great Reset“ anregte, die Weltwirtschaft und -gesellschaft nach der Pandemie gerechter und nachhaltiger zu gestalten.

Rechtsradikale unterstellen, dass sich hinter dem Great Reset Weltherrschaftspläne einer mächtigen finanziellen und politischen Elite verbergen würden, die für die Pandemie verantwortlich sei und für sich nutze.

Diese Elite wolle die Menschen versklaven, sie enteignen und dazu zwingen, sich von Insekten zu ernähren, weil sie das für umweltfreundlicher halte.

Insekten stoßen weniger Treibhausgase aus

Wahr ist nur, dass auf der Internetseite des WEF externe Autoren wie Wissenschaftler und Unternehmer in mehreren Artikeln schreiben, dass Insekten etwa eine klimafreundlichere Proteinquelle als Fleisch seien.

Aus Umweltsicht wäre es wohl ein Fortschritt, wenn auch die EuropäerInnen statt Fleisch mehr Insekten äßen. „Hausgrillen benötigen sechsmal weniger Futter als Rinder, viermal weniger als Schafe und zweimal weniger als Schweine sowie Masthähnchen, um die gleiche Menge Protein zu produzieren“, schreibt die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO).

„Außerdem stoßen sie weniger Treibhausgase und Ammoniak aus als herkömmliches Vieh.“ Insekten könnten auch mit Bioabfällen gefüttert werden. Eine günstigere Umweltbilanz dürfte aber weiterhin eine pflanzliche (vegane) Ernährung haben. Auch Insekten verbrauchen Kalorien für den Eigenbedarf, der so der menschlichen Ernährung verlorengeht.

Von Zwang zum Insektenessen ist auf den WEF-Seiten keine Rede. Dennoch behaupten Rechtsradikale munter das Gegenteil. Das Internet ist voll von Bildern von Klaus Schwab und dem Satz „Eat Ze Bugs“, deutsche für: „Esst die Käfer“, wobei das „ze“ auf den starken deutschen Akzent von Schwabs Englisch anspielt.

Worum es manchen Landwirten bei der Desinformation in Sachen Insekten als Nahrungsmittel wirklich geht, zeigt die Internetseite der Freien Bauern: Unter der Überschrift „Das Großkapital und seine Gehilfen“ schreiben sie, die Ernährungsindustrie erschließe sich mit „künstlichen Nahrungsmitteln“ einen Markt, „wo Landwirtschaft nur noch eine Nebenrolle spielen soll“. Es geht also um Geld: Diese Bauern fürchten um ihr Geschäft mit Fleisch und Milch.

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17 Kommentare

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  • "...dass Insekten etwa eine klimafreundlichere Proteinquelle als Fleisch seien."



    Und woher sollen die Insekten kommen? Doch nicht etwa aus... Massentierhaltung???



    Ich stelle mir gerade Heuschrecken in artgerechter Freilandhaltung vor...

  • Was soll immer die Diskussion ums Essen.Was ungesund ist weiß doch zwischenzeitlich fast jeder.



    Ich denke, noch immer kann jeder, ohne Vorschriften, entscheiden was er essen möchte. Ich jedenfalls esse was mir schmeckt.

  • Ich glaube, bei keinem anderen „Lebensmittel“ wird so viel Insektenprotein mitgegessen wie bei industriellem (Gammel-) Fleisch. In der Wurst sieht man es dann ja auch nicht mehr.



    Persönlich stehe ich ja eigentlich in jeder Hinsicht auf der Gegenseite (d. h. sowohl bei den Verschwörungsspinnern als auch bei Schwab & Co.): Ich rette sogar Fruchtfliegen aus meinem Obstsaft, wenn die darin zu ertrinken drohen.



    Das Problem dahinter scheint mir (wieder einmal) zu sein, dass erstens die „Progressiven“ keine positiven Zukunftsaussichten darstellen, sondern Ängste schüren (hier WEF, beim Klima LG/XR ...) wie die Rechten und zweitens Symptome bekämpft werden sollen statt die Ursachen anzugehen, sprich:



    Warum hat aus Corona, Vogelgrippe etc. eigentlich noch niemand geschlossen, dass Tottierkonsum eine Gefahr für uns alle ist und wir mit dem magischen Denken aufräumen müssen, das zu vielen von uns einredet, wir müssten die Essenz der Lebenskraft von Tieren in uns einverleiben, um gesund zu bleiben? Wahrscheinlich doch, weil handfeste wirtschaftliche Interessen bestehen an der Fortsetzung des unsinnigen Aberglaubens und der Indoktrination schon von Kindern!?

  • 'Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht'



    Ich kenne es noch von meiner Eltern Generation, da schmähten viele bis ins Grab Pizza (gah mir weg mit deam Glumb)



    Essen war und ist Kulturkampf. Früher mehr als heute, als Nationalstolz noch allgegenwärtig war. Insofern wundert es wenig, dass Rechte diese Klaviatur beim Essen bespielen.



    Das dass in Industrienationen so beliebte Rindfleisch in Sachen Flächenfraß, Urwaldrodung, CO2-Bilanz und Wasserverbrauch die absolute Umweltsau ist ist nicht von der Hand zu weisen - und das 'wir' viel zu viel Fleisch essen als was gesund wäre sowieso.



    Das Problem beginnt in der Sprache: FLEISCH.



    Ich habe mich schon in Diskussionen ertappt "ich esse selten FLEISCH"... - naja aber halt jeden Morgen Lachs, unterwegs na klar ne Currywurst und abends gern trockene Salami pur oder es qualt sowieso die Rostbratwurst... - is ja alles Wurst und Fisch, kein FLEISCH🙊



    Oje😓



    Das die asiatische Küche als fleischloses Vorbild derzeit in Europa überhöht wird stört mich aber, in meinen 20 Jahren 'da drüben' gab's für mich täglich 'Essen mit der Crew' und das war durchweg "fleischig": Insekten, Flughund, Bisamratten, Seeigelsuppe, sowieso alles aus dem Wasser,...

    • @Farang:

      Die „fleischige“ asiatische Küche haben sie sich auch selbst zuzuschreiben: Eigentlich gibt es ja immer mehrere Gerichte, darunter auch Reis und Gemüse. Und wenn sie sagen, sie seien Buddhist (nicht „Vegetarier“), finden sich auch fleisch-, geflügel-, wild-, fisch-, eier- und milchlose (letzteres sowieso) Gerichte zur Genüge. Sie werden dann viel Reis mit milchsauer vergorenem Gemüse, fermentierten Hülsenfruchtpasten und reichlich Algen serviert bekommen, zumindest in Japan und Korea. (Komisch, ich bekomme beim Schreiben schon Appetit!)



      Übrigens gibt es ja auch in Europa eine lange Tradition letztlich vegetarischer Gerichte, z.B. Krautspätzle oder Buchweizenpfannkuchen. Die letzteren zumindest wurden früher zu Mittag gegessen und sind aus der Mode gekommen, weil sie den Ruf als Arme-Leute-Essen nicht loswurden und niemand mehr als arm gelten wollte (es sei denn aus religiösen Gründen: Das ist in Ostasien nicht anders!)

  • Nimmt der Schwachsinn bei Rechten und Konservativen zu oder wird nur mehr darüber berichtet? Diese infantile Dauerempörung um von wichtigen Themen abzulenken nervt. Insekten können übrigens sehr lecker sein.

  • Was ich dabei nicht verstehe: warum kaufen die Leute nicht einfach frische Zutaten und kochen/backen/etc. selber?

    Da weiß man was man verwendet hat. Wer industriell gefertigtes Essen nicht möchte, muss es ja nicht kaufen.

    Gerade die eher rechts angehauchten Mitbürger sind doch immer so für Tradition…

    • @Gnutellabrot Merz:

      "...und kochen/backen/etc. selber?"



      Denken Sie bitte auch an den Energieverbrauch, wenn jeder sich sein eigenes Süppchen kocht.



      Großküchenpampf dürfte ökologischer sein.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Sie sind ein rationaler Mensch, sie denken lösungsorientiert. Sie sehen das Problem?

  • Für stramm Rechte wäre das ja auch fast ein Akt des Kannibalismus.

  • Ausgehend von Insekten als Fleischersatz finde ich den wirtschaftlichen Vergleich von Insektenmehl zu Getreidemehl schwach gewählt.

    Ansonsten kann ich als ZDF Besseresser Fan nur begrenzte Zustimmung äußern. Natürlich positioniere ich mich gegen Verschwörungserzählungen, aber auf der Gegenseite steht die Nahrungsmittelindustrie. Es wird kein Masterplan zur Welteroberung sein, die Wahl fällt aber immer auf Gewinnmaximierung.

    • @Stubenhocker1337:

      Die Sendung Besseresser ist selbst auf der Populismus-Schiene unterwegs.



      Klar, selbst gemacht ist immer besser. Aber es gibt ja leider andere Kriterien, nach denen wir unser Essen auswählen.



      Und die Empörung über die Deklaration ist bei vollständig geregelter Deklaration ein Strohmann-Argument.



      Illegale Beimischung undeklarierter Insekten wird es ohne die Freigabe der Insekten als Lebensmittel genauso geben wie ohne.

  • Es wäre doch viel spannender mal aufzudecken was uns dazu bringt Gift zu essen.



    Gift wie Pommes, Burger, Currywurst, Kartoffelchips, Apfelsaft, Limos.

    Wie jetzt Gift ? Das ist doch kein Gift !



    Na, dann schauen sie mal wie viel Mal giftiger das ist als Dioxin im Ei !

    Aber das ist gar nicht der Punkt.



    Der Punkt ist, dass die Elite nicht im Parlament sitzt sondern in den Chefetagen der Superkonzerne.

    Und da auch die Rechten ins Etablishment wollen werden die an DIESES Bein gewiss nicht pissen.

  • Manche Rechtsradikale haben womöglich Ängste, denn die sind offenbar da ja selbst ... in Sekten.

    Essen oder sonstiger Lifestyle als Unterscheidungsmerkmal ist eigenartig weit verbreitet ...

  • Wir leben im Zeitalter des Raktionären global: von Russland üb der den IS, MAGA, AFD, BSW die Menschen sehnen sich nach einer imaginierten Vergangenheit und lehnen Veränderung ab. Klar das man dann auch Angst vor Insekten bekommt, ist ja Veränderung.

    • @Machiavelli:

      "Wir leben im Zeitalter des Raktionären global".. schreibt jemand mit dem Logo des Militaerbündnisses in seinem Profil, mit dem die Demokratie im Hindukusch verteidigt wurde, ebenso im Irak, Lybien, Ex Yugoslawien etc etc

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