Rechte Influencerinnen: Vermeintlich ganz nett
Die Influencerin Marie-Thérèse Kaiser tritt freundlich lächelnd auf und bezieht Position. Für die AfD. Mit der Strategie ist sie nicht allein.
W ir klären das!“ – ein großes Versprechen, das bei Instagram mit kurzen Videos eingelöst werden soll. Eine der vermeintlichen Aufklärerinnen: Marie-Thérèse Kaiser. Die 27-Jährige ist bei Instagram, X – früher Twitter –, auf Tiktok und Telegram präsent, mit jeweils zwischen an die 15.000 bis zu über 27.000 Followern.
Auf der Straße organisierte sie 2018 in Hamburg die Kampagne „Merkel muss weg“ mit. Immer lächelnd schaute das Model bei dem rechtsextremen Aufmarsch in die Kameras. Gesicht zeigen, freundliches Auftreten und Position beziehen, das ist ihre Strategie. Als Kinderdarstellerin war sie schon 2002 in einem Bundestagswahl-Werbespot für den damaligen Unionskanzlerkandidaten Edmund Stoiber aufgetreten.
Lange her, heute wirbt sie für die AfD. Auf Social Media ist die Parteizugehörigkeit nicht zu übersehen. Seit 2017 ist sie Parteimitglied, führt seit 2019 als Vorsitzende den Kreisverband Rotenburg und ist seit demselben Jahr Mitarbeiterin beim 1. Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bundestag, Bernd Baumann aus Hamburg.
Auf Tiktok erklärt sie: „In der Parteienlandschaft gibt es nur eine Alternative für Deutschland und das ist auch noch die coolste, nämlich die AfD. Und da solltet ihr unbedingt Mitglied werden.“ Bei Instagram postete sie ein Sharepic der AfD Niedersachsen: „Wird der Bürger unbequem, ist er plötzlich rechtsextrem – Niedersachsen, aber normal – AfD“. Ihren Landesverband hat der Landesverfassungsschutz als „Verdachtsobjekt“ wegen Verbindungen zu „rechtsextremistischen Organisationen und Protagonisten“ eingestuft.
Kontakte zu Kubitschek und Elsässer
Kaiser pflegt selbst einschlägige Kontakte. Schon die Kampagne „Merkel muss weg“ trugen Rechtsextreme mit. Den Kanal „Wir klären das“ trägt der rechtsradikale Verein „Ein Prozent für unser Land“ um Philip Stein. Der Verein gehört zum rechtsextremen Netzwerk des Instituts für Staatspolitik (IfS) um Götz Kubitschek.
In ihrem aktuellen Video behauptet die Influencerin eine Beeinflussung des Bundesverfassungsgerichts durch die „Gender-Lobby“, der es gelungen sei, 2017 durchzusetzen, dass auf dem Amt nicht mehr bloß weiblich oder männlich sondern auch „divers“ als Geschlecht angegeben werden kann. Ein Angriff auf das Geschlechterbild dieses Milieus.
Kaiser bewegt sich bewusst zwischen On und Off. Sie arbeitet auch mit „Compact – Magazin für Souveränität“ um Jürgen Elsässer zusammen, stellte das Spezial-Heft „Antifa“ vor, denn „Antifa heißt Terror“.
Rechtsextreme Memes
Kaiser ist nicht die einzige weibliche rechtsextreme Influencerin – Tendenz steigend. Ihnen ist gemein, das sie bewusst einen Infokrieg gegen die „Mainstream“- und „Systempresse“ führen, um vermeintlichen Fakten oder angeblich „alternative“ Positionen zu verbreiten. Gern mit Memes, die in der Kombination von Bild und Text die Botschaft präsentieren und so popularisieren. Gern auch vermeintlich ironisch, um die Radikalität zu relativieren.
Auf dem Blog „sezession“ hatte Nils Wegner bereits 2017 dazu aufgerufen, Memes als „kognitive Waffen im Informationskrieg“ gezielt einzusetzen, sie könnten sich viral verbreiten. „Sezession“ ist ein Projekt aus dem IfS. Wegner empfiehlt zudem, in Memes Inhalte und Worte des „politischen Gegners“ gezielt aufzugreifen und „umzudrehen“: „Es braucht nur den Willen, aus der altbekannten Lethargie und dem Jammern über schlechte Presse herauszukommen, um die vom politischen Gegner in die Welt gesetzten Schlagworte und Inhalte (…) emotional neu aufzuladen und zum eigenen Vorteil einzusetzen.“
Kaiser macht, was viele Szene-Influencerinnen machen: Sie zeigt sich beim Kochen, beim Lesen und beim Sport, auch mit Freundinnen und Hund. Vermeintlich privat, vermeintlich ganz nett. Die versteckten Botschaften stehen auf der Kochschürze – oder auf dem Buchcover.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels stand, dass Marie-Thérèse Kaiser 2002 „als Model“ aufgetreten sei. Wir haben das Wort durch „Kinderdarstellerin“ ersetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“