Rassismus im Bild: Blind für schwarze Menschen
Ein Fotoautomat des Hamburger Landesbetriebs für Verkehr kann nur weiße Menschen fotografieren. Das Problem ist seit Monaten bekannt.
So ging es auch Audrey K. Sie hatte eigentlich alle erforderlichen Unterlagen dabei, als sie Ende letzten Jahres zu dem Termin bei der Behörde ging. Nur ein biometrisches Passfoto brachte sie nicht mit, aber auf dem Flur der Behörde steht ja ein Fotoautomat. Als die Sachbearbeiterin sie gefragt habe, ob sie alles dabeihabe, habe K. deshalb zuversichtlich geantwortet, dass sie nur noch eben das Foto machen müsse. So erzählt K. es der taz. An der verhaltenen Reaktion der Mitarbeiterin habe sie schon gemerkt, dass etwas komisch sei.
„Es könnte ein Problem mit Ihrer Hautfarbe geben“, habe die Mitarbeiterin gesagt und sie zum Fotoautomaten begleitet, der dann tatsächlich kein biometrisches Foto von K. machen konnte. Der Automat schien sie nicht mal als Motiv zu erkennen.
Verärgert schrieb K. später eine Mail an den Landesbetrieb. „Die Erfahrung macht mich sehr traurig“, schrieb sie. „Das Problem scheint Ihnen bekannt zu sein, aber auf Ihrer Internetseite wird auf diesen Sachverhalt nicht hingewiesen.“ Im Wartebereich des Landesbetriebs hätten mit ihr zusammen etwa 15 Personen gewartet, von denen fünf schwarz waren.
„Es macht mich traurig“
Dass also für ein Drittel der Anwesenden die Dienstleistung nicht nutzbar gewesen sei, sei für sie schwer nachzuvollziehen. „Es macht mich traurig, dass in Kauf genommen wird, dass hier schwarze Menschen einen Termin machen, womöglich dafür vieles im privaten und/oder beruflichen Bereich koordinieren und dann noch einmal kommen müssen, ohne dass auf diese besondere Situation von Ihrer Seite eingegangen wird.“
Das Problem, dass manche Fotoautomaten schwarze Menschen nicht fotografieren können, ist nicht neu. Im Juni 2019 berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung über einen Automaten im Osnabrücker Bürgeramt. Das Online-Magazin Migazin berichtete bereits 2015 über einen ähnlichen Fall, bei dem es sich ebenfalls um einen Automaten der Bundesdruckerei handelte.
K. musste also noch mal wieder kommen. Zwar hatte sie zum nächsten Termin ein Passbild dabei – das ein herkömmlicher Bahnhofsautomat ohne Probleme ausgespuckt hatte –, aber um zu testen, ob sich die Situation verändert hatte, probierte sie den Fotoautomat noch mal aus. Wieder ohne Erfolg. Wieder begleitete eine Mitarbeiterin sie. „Die Situation schien ihr sehr unangenehm zu sein“, sagt K. Die Frau habe sich mehrfach für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und angekündigt, ihrer Chefin von dem Problem zu berichten.
Ein paar Tage später entschuldigte sich auch der Abteilungsleiter „Fahrerlaubnis“ bei Audrey K., per E-Mail, als Antwort auf K.s Beschwerdemail. „Ich bedauere, dass in Ihrem Fall der Fotoautomat keine Hilfe war. Dem LBV ist sehr daran gelegen, die Beleuchtung in diesem Bereich zu verbessern. Dies wird in der nächsten Zeit auch erfolgen“, schrieb der Abteilungsleiter. Und weiter: „Ich habe die berechtigte Hoffnung, dass der LBV bei Ihrem nächsten Besuch besser aufgestellt sein wird.“
Bei hellerer Haut gibt es keine Probleme
Dem war aber nicht so. Im März kam K. mit zwei Freundinnen wieder, um zu gucken, ob sich die Situation inzwischen verändert habe. Die drei Frauen filmten ihren Besuch in der Fotokabine. Auf dem Video sieht man, wie der Fotoautomat K.s Gesicht sucht. Das Objektiv, das in einen digitalen Bildschirm integriert ist, fährt an einer Stange hoch und runter, um auf der Höhe von K.s Gesicht stehen zu bleiben, findet es aber nicht. Nach mehreren Versuchen gelingt es schließlich und der Automat schließt Bilder – die aber alle nicht den biometrischen Anforderungen genügen. Ein gelbes Ausrufezeichen auf dem Bildschirm signalisiert die Fehlerhaftigkeit. Bei einer von K.s Freundinnen, deren Haut heller ist als K.s, gibt es keine Probleme.
Der Verkehrsbehörde, bei das Landesamt angegliedert ist, ist das Problem bekannt. „Wir arbeiten selbstverständlich an Lösungen“, sagt der Sprecher Henning Grabow. Man sei mit der Bundesdruckerei im Austausch – dort allerdings versucht man das Problem auf die Beleuchtung zu schieben und weist den Rassismusvorwurf weit von sich.
Ein Sprecher der Bundesdruckerei sagte der taz: „Wir haben Verständnis, dass in Zeiten, in denen Rassismus Gemüter erregt, derartige Themen zur Kenntnis genommen werden. Dieses Thema eignet sich jedoch definitiv nicht als Beitrag zur Rassismus-Debatte.“ Die Automaten zählten zu den modernsten der Welt und unterschieden definitiv nicht nach Hautfarbe. „Wie jedes optische System ist die Qualität abhängig von der jeweiligen Beleuchtungssituation – gleichgültig ob für weiße oder schwarze Hautfarbe. Im Übrigen kennt das System keinen Rassismus, so wie wir uns auch gegen jeden Vorwurf der Diskriminierung oder des Rassismus zur Wehr setzen.“ Das Hamburger Landesamt will nun die aktuell nur von oben kommenden Lichtquellen durch seitliche Lichter ergänzen.
Für K. hingegen ist die Dysfunktion des Automaten ein Zeichen für institutionellen Rassismus. „Es kann nicht sein, dass die Behörde sich des Problems bewusst ist und es einfach ausblendet, indem sie den Apparat über eine längere Zeit dort stehen lässt“, sagt K. „Es macht mich wütend. Während für weiße Menschen meistens alles ganz einfach funktioniert, sind schwarze Menschen im Alltag häufig mit solchen Mechanismen der Unterdrückung konfrontiert. Für meine Heimatstadt Hamburg ist das beschämend.“
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