Raketenangriff auf Medienhaus: Weniger wissen aus Gaza
Israelische Raketen haben das von Medien genutzte Jalaa-Hochhaus zerstört. Dort sei ein Geheimdienstbüro der Hamas untergebracht gewesen.
taz |
Wer als Fernsehjournalist in den letzten Jahren einen Einsatz im Gazastreifen hatte, der landete früher oder später in dem 13-stöckigen Gebäude. Es beherbergte nicht nur die Büros des arabischen Fernsehsenders Al Jazeera, sondern auch die der Associated Press. Die AP ist allseits bekannt als weltweit größte Nachrichtenagentur.
Weniger bekannt ist, dass AP auch als ein sogenannter Provider für Fernsehjournalisten fungiert. Kaum ein internationalen Sender unterhält permanente Büros im Gazastreifen. Wenn sie ihre Korrespondenten oder Reporter schicken, dann arbeiteten viele von ihnen aus den Räumlichkeiten der AP. Eine große Zahl der Fernseh-Live-Schaltungen aus Gaza fand auch auf dem Dach des Jalaa-Gebäudes statt. Und wenn, wie in den letzten Tagen, kein Journalist von außen in den Gazastreifen hineinkommt, dann waren es die lokalen palästinensischen Reporter, die internationale Fernsehstationen von dort mit Nachrichten und Bildern versorgten.
All das war der israelischen Armee wohlbekannt, als sie am Wochenende telefonisch warnte, dass die Journalisten innerhalb einer Stunde das Gebäude verlassen sollten, bevor es bombardiert werde. Genug Zeit, um sich selbst in Sicherheit zu bringen, aber zu wenig, um das gesamte Equipment aus dem Haus zu schaffen.
Kritik von „Reporter ohne Grenzen“
Die Führungsetage von AP in New York nahm später kein Blatt vor den Mund. Die Welt werde nun „weniger davon wissen, was in Gaza passiert“, erklärte AP-Chef Gary Pruitt. Auch die Rechtfertigung der israelischen Armee, dass es in dem Gebäude eine nicht näher definierte Hamas-Geheimdienst-Präsenz gegeben habe, ließ er nicht unwidersprochen.
„Wir haben die israelische Seite aufgerufen, dafür Beweise vorzulegen. AP nutzt das Gebäude seit 15 Jahren. Wir haben keinen Hinweis darauf, dass die Hamas im Gebäude war oder dort aktiv war. Das ist etwas, das wir immer aktiv nach all unseren Möglichkeiten überprüfen. Wir würden unsere Journalisten niemals wissentlich diesem Risiko aussetzten“, heißt es in der AP-Erklärung. Al Jazeera teilte indes mit, man halte den Angriff für eine „Aktion, mit der die Wahrheit zum Verstummen gebracht werden soll, indem man ihren Überbringer tötet“.
Unterdessen hat die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ die Chefanklägerin des Internationalen Gerichtshofs, Fatou Bensouda, dazu aufgerufen, sich mit den israelischen Angriffen auf Medien im Gazastreifen zu beschäftigen. Diese stellten ein Kriegsverbrechen dar, erklärte der Generalsekretär der Organisation, Christophe Deloire. Dadurch werde nicht nur inakzeptabler materieller Schaden angerichtet, sondern auch die Berichterstattung über den Konflikt erschwert, von dem auch die zivile Bevölkerung direkt betroffen sei.
Interner Kommunikationsfehler
In einer andere Episode soll die israelische Armee die Medien für ein Täuschungsmanöver ausgenutzt haben, berichteten israelische Medien. Der Armeesprecher Jonathan Conricus hatte in der Nacht von Donnerstag auf Freitag erklärt, dass Gaza von israelischen Bodentruppen attackiert werde. Internationale Medien wie die Washington Post nahmen diese Berichte auf, die sich später als falsch herausstellten.
Damit sollte die Hamas angeblich dazu gebracht worden sein, sich in ihren Tunnelsystemen zu verschanzen, die dann intensiv von der israelischen Luftwaffe bombardiert wurden. Die Armee stritt später ab, dass es sich dabei um eine gezielte Falschinformation handelte und sprach von einen internen Kommunikationsfehler. Fraglich ist auch, ob die Hamas sich tatsächlich in ihren operativen Entscheidungen auf Medienberichte verlassen würde, ohne eigene Aufklärungsinformationen über die Bewegungen der israelischen Armee zu haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour