Rainer Wendt und der Fall Susanna F.: Schwärmen für den Polizeistaat
Rainer Wendt will den Mörder von Susanna F. nicht vor Gericht sehen. Das ist nicht neu: Seit Jahren diffamiert er den Rechtsstaat.
W as hat Rainer Wendt mit Terroristen gemeinsam? Beide suchen die Aufmerksamkeit. Ihre eigene Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit kompensieren sie mit möglichst unverhältnismäßiger Gewalt. Damit kommt man in die Medien – und wenn man nicht mehr in die Medien kommt, dann beklatschen einen möglichst viele Menschen direkt auf Facebook. Während die mit spektakulären Morden die Symbole der liberalen Demokratie stürzen wollen, sitzt der Ex-Polizist Rainer Wendt im unverdienten Ruhestand und legt rhetorisch die Axt an den Rechtsstaat an.
Es geht um einen Mord, den Portale von „Politically Incorrect“ bis Bild wieder mal zur Kampagne aufgeblasen haben: Der Mord an Susanna F.. Und selbstverständlich hat der rechte Populist Rainer Wendt auch eine Meinung dazu. In einem Facebook-Post sind seine Gedanken „bei den Tätern“. Er wolle sie nicht vor Gericht stehen sehen, wolle nicht, dass Gutachter und Anwälte ihre Taten „relativieren“. Stattdessen sollten sie in der Hölle schmoren. Kein Gericht, keine Verteidigung, keine Unschuldsvermutung, stattdessen gleich Strafe, aber hart. Ein „kurzer Prozess“ also, den es im demokratischen Rechtsstaat nicht geben kann, wohl aber in den deutschen Diktaturen.
(Zur Vollständigkeit gehört, dass Rainer Wendt mit „Will ich sie wirklich vor einem unserer Gerichte stehen sehen?“ gemeint haben will, dass er im Saal nicht dabei sein wolle, wie er der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte. Mit „in der Hölle schmoren“ habe er dem Täter eine harte Strafe gewünscht. Er stehe weiter zu seinem Post, der nur seine Wut ausdrücke.)
Dass Rainer Wendt nicht wirklich viel auf den Rechtsstaat setzt, kann man in seiner langen Geschichte an „provokanten“ Aussagen sehen: Bei Demonstrationen solle die Polizei Protestierenden Schmerzen zufügen, sagte er nach den Anti-S21-Protesten 2010, er befürwortete die massenhafte Überwachung von Menschen nach Vorbild der NSA, nannte ein Urteil gegen die verdachtslose Überprüfung von dunkelhäutigen Menschen „schöngeistige Rechtspflege“, forderte den Bau eines Zaunes an der Grenze um Flüchtlinge abzuhalten und forderte erst kürzlich, dass antisemitischen Eltern die Kinder weggenommen werden sollten.
Wendt ließ sich bezahlen, ohne dafür zu arbeiten
Er hat Klagende vor dem Bundesverfassungsgericht „Karlsruhe-Touristen“ genannt, kritisierte Abgeordnete, die demonstrierten, sagte dem rechten Magazin Compact, dass die Diskriminierung von Frauen „fast zu den genetischen Grundbausteinen“ der „Machokultur junger Muslime“ gehöre und schrieb ein Buch darüber, dass Deutschland kein Rechtsstaat und dem Untergang geweiht sei. Dass Wendt die Ablehnung des Rechtsstaats auch praktisch meint, kam heraus, als im vergangenen Jahr berichtet wurde, dass Wendt mehr als zehn Jahre unrechtmäßig Sold bezog, obwohl er gar nicht als Polizist arbeitete.
Nun kann man es wie mit vielen Politikern und Amtsträgern halten, die Wendt an seinen Verfassungseid erinnern und von ihm eine angemessenere Wortwahl fordern. Aber vielleicht ist angesichts Wendts klarer Geschichte von Distanzlosigkeit zu rechten Medien, seinen Fantasien, anderen Schmerzen zufügen zu wollen, seinen Genetik-Spinnereien und seiner Untergangsstimmung, was den deutschen Staat angeht, auch eine andere Analyse nötig: Rainer Wendts Äußerungen sind protofaschistisch.
Empfohlener externer Inhalt
Aktuelle Faschismustheorien bezeichnen das Erleben der Gesellschaft als verkommen und den Traum einer ‚reinen‘ Wiedergeburt als „faschistisches Minimum“. Rainer Wendt formuliert es noch nicht so deutlich wie viele in der AfD, aber die Bausteine seiner Denke – seine Verunglimpfung des Rechtsstaates als zu lasch, die Abwertung demokratischer Kontrollinstanzen, die Missachtung der Rechte der Einzelnen, die rassistischen Abwertungen, der Wunsch nach kurzen Prozessen und harten Strafen – sehnen eine andere Gesellschaft herbei, in denen nicht Beweise, Grundrechte und Verhältnismäßigkeiten eine Rolle spielen, sondern die Wut und Empörung eines Mannes, der in seinem Leben außer großkotziger Rhetorik nicht viel geleistet hat.
Er sehnt sich offensichtlich nach einem Polizeistaat.
Und auch hier ist Wendt islamistischen Terroristen ähnlich. Sie sehen ihre Erlösung im Jensseits: die einen im Paradies, wo sie für ihren Kampf gegen die Demokratie belohnt werden, der andere in der Hölle, wo jene, die er verachtet, „hart bestraft“ werden.
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