Räumung des Berliner Hausprojekts: Statt Liebig soll’s beliebig werden
Am Freitag entscheidet das Berliner Landgericht über die Räumung des Hausprojekts Liebig 34 in Friedrichshain. Die Bewohner*innen wollen bleiben.
Es ist so weit: Einem der exponiertesten Hausprojekte Berlins droht das Aus. Am Freitagmorgen um 9 Uhr muss sich das queerfeministische Projekt Liebig 34 vor dem Landgericht einer Räumungsklage seines Hauseigentümers Gijora Padovicz erwehren – und die Chancen, mit einem weiteren Wohnrecht aus dem Prozess herauszukommen, stehen nicht gut.
Was dann droht, ist die polizeiliche Räumung des Altbaus an der Ecke zur Rigaer Straße in Friedrichshain, am sogenannten Dorfplatz, der mit seinen bunten Fassaden wie kaum ein anderer den Anspruch der linksradikalen Szene auf den Friedrichshainer Nordkiez markiert. Und damit auch eine Menge Aufregung.
Bereits im Januar hatte Padovicz die Klage eingereicht. Zuvor war ein 2008 ausgehandelter zehnjähriger Pachtvertrag mit der Bewohnerinnenschaft ausgelaufen und von dem Eigentümer nicht verlängert worden. Die Linken kritisierten, dass ihnen ein ordentlicher unbefristeter Wohnraummietvertrag für das 1990 besetzte und später legalisierte Haus vorenthalten wurde. In einer Mittlung heißt es: „Das ist ein Skandal und wir fordern ein Ende dieser bewussten Beschneidung unserer Rechte als Mieter*innen.“
Doch dafür ist es nun wohl zu spät. Der Immobilienmogul hat ganz offensichtlich andere Pläne für das Gebäude. Auf Gespräche mit den Bewohnerinnen ließ er sich nicht ein, auch die Bezirkspolitik konnte ihn nicht zu einem anderen Vorgehen bewegen. 2008 war Padovicz den ebenfalls kaufwilligen Bewohnerinnen zuvorgekommen und hatte für 600.000 Euro das Haus gekauft. Bis heute, so sagen es die Linken, hätten sie „an ihn 570.140,31 Euro Miete gezahlt und das Haus eigenständig in Stand gehalten und selbst verwaltet“. Während sich die Kaufsumme also schon amortisiert habe, wartet auf Padowicz bei den seitdem explodierten Immobilienpreisen nun der große Reibach.
Reihe von Verlusten
Die Liebig34-Bewohnerinnen machen seit Monaten deutlich, dass sie ihr Haus nicht freiwillig verlassen wollen. Immer wieder haben sie für ihren Verbleib demonstriert, zuletzt waren Anfang November etwa 1.500 Menschen von Kreuzberg nach Friedrichshain gezogen. Dabei war es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen.
Die Szene ist derzeit mit dem drohenden Verlust einer Reihe alternativer Projekte konfrontiert. Am 26. November steht der Verkündungstermin zur Räumungsklage gegen die Neuköllner Kiezkneipe Syndikat an, am 12. Dezember folgt der Räumungsprozess gegen die Kreuzberger Kneipe Meuterei.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier