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Radioaktive Pilze durch TschernobylTrompetenpfifferlinge mit Cäsium

Ob Semmelstoppelpilze, Maronenröhrlinge oder Rotfußröhrlinge: 37 Jahre nach Tschernobyl sind Pilze in Bayern immer noch atomar verseucht.

Besser stehen lassen: Auch Maronenröhrlinge sind 37 Jahre nach Tschernobyl noch verseucht Foto: Armin Weigel/dpa

Salzgitter epd | Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) weist darauf hin, dass auch 37 Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl Wildpilze in Deutschland noch radioaktives Cäsium-137 enthalten können, das bei dem Unfall freigesetzt wurde. „Pilze im Handel müssen den Grenzwert für radioaktives Cäsium-137 von 600 Becquerel pro Kilogramm einhalten, Pilzsammler sind von diesem Grenzwert nicht geschützt“, sagte die BfS-Präsidentin Inge Paulini am Montag.

Vor allem im Bayerischen Wald müssen Pilzsammler dem Bundesamt zufolge damit rechnen, dass einige Pilzarten noch teils sehr hohe Cäsium-137-Werte aufweisen. Gleiches gelte für das Donaumoos südwestlich von Ingolstadt sowie für die Region Mittenwald und im Berchtesgadener Land. In diesen Gebieten hatte sich nach dem Reaktorunfall im Frühjahr 1986 im deutschlandweiten Vergleich am meisten radioaktives Cäsium in den Böden abgelagert.

Besonders von Strahlung betroffen sind den Messungen zufolge Semmelstoppelpilze, Gelbstielige Trompetenpfifferlinge, Gemeine Rotfußröhrlinge, Maronenröhrlinge, Mohrenkopfmilchlinge, Ockertäublinge, Rotbraune Scheidenstreiflinge, Violette Lacktrichterlinge und Ziegenlippen.

„Letztlich ist es eine persönliche Entscheidung, der gelegentliche Verzehr höher belasteter Pilze führt zwar nur zu einer geringen zusätzlichen Strahlendosis“, erläuterte Paulini. Die Belastung lasse sich aber leicht vermeiden, wenn potenziell besonders hoch belastete Pilzarten im Wald stehen bleiben.

Eine erwachsene Person, die jede Woche 200 Gramm Pilze mit einem Strahlenwert von 2.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm verzehrt, erhält pro Jahr eine zusätzliche Strahlendosis, die rund 20 Flügen von Frankfurt am Main nach Gran Canaria entspricht. Das BfS informiert in allen Fragen des Strahlenschutzes. Der Pilzbericht erscheint jährlich, in diesem Jahr wurden 165 Pilzarten untersucht.

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30 Kommentare

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  • Nuuu, liebe Kinder: Ham euch das eure Eltern nich an der Wiege gesungen, dass die Waldböden eurer Heimat AUF IMMER ein Atommüllager bleiben werden, da wo's Ende April 1986 ordentlich geregnet hat ? Und ob euer Hausmeister in der Sandkiste damals oder jemals danach ma den Sand ausgetauscht hat ??? Buddelsand isst mensch im initialen Stadium ja doch wesentlich lieber als Pilze. Bis 2000 hamse die andern Blöcke in Prypjat munter weiterlaufen lassen. Und sonstwo in der Ukraine laufen DIESELBEN Dinger immer noch ... de.wikipedia.org/w...5_(5613115146).jpg

    • @lesnmachtdumm:

      Tschernobyl 86 passierte ja, weil man die Sicherheitseinrichtungen abschaltete und dann experimentierte... Ist in etwa so als wenn man sich selbst den Arm abhackt - lässt man das bleiben, bleibt auch der Arm dran.



      Tatsächlich dürften die meisten Keller hierzulande in Sachen Strahlung wesentlich gefährlicher sein, einfach mal nach Radon g**geln.

      • @Samvim:

        Und Sie glauben bzw. können garantieren, dass Sicherheitsvorkehrungen nicht ausfallen und wenn doch, dass Menschen auf diese richtig reagieren (können)?

        • @Uranus:

          Ihrer Argumentation nach dürfte dann auch keiner Fliegen, oder Auto-, Bus- und Bahnfahren, oder Keller bauen, oder auf Leitern steigen etc. pp. Dann ist für alle liegen bleiben angesagt und raus geht es nur zu Fuß, mit Integralhelm und Vollschutz.



          Ohne Spaß: Nutzen und Gefahr müssen natürlich in einem Verhältnis zueinander stehen. Atomkraftwerke gibt es seit 70 Jahren und in der Zeit gab es genau zwei größere Unfälle - einen weil man die Sicherungseinrichtungen abschaltete und dann experimentierte und der zweite weil irgendein Hirn das Ding in eine Erdbebenzohne gebaut hat. Für beides kann weder die Technik, noch die Physik

          • @Samvim:

            Ich will darauf hinaus, dass das Risiko von Atomkraft ein besonderes ist, dass im Falle eines GAUs in Deutschland nicht einzelne, wenige über einem überschaubaren Zeitrahmen betroffen wären. Ihre Beispiele passen nicht.



            Und? Ein dritten GAU noch dazu in der Nähe Ihres Wohnortes wollen doch auch Sie vermeiden, oder nicht?



            Dann lesen Sie doch mal die Liste an gemeldeten Störfällen. In einigen Fällen hätte es nur eines Ausfalls eines Sicherheitsmechanismus gebraucht und es wäre übel ausgegangen. Ein Versagen von Material-, Instrument- und Menschen bezüglich von Atomkraft ist fatal - wie uns Tschernobyl und Fukushima lehren.



            de.wikipedia.org/w...echnischen_Anlagen



            www.contratom.de/?s=st%C3%B6rf%C3%A4lle

          • @Samvim:

            Das ist aber eine rein theoretische Argumentation die entsprechend eben auch nur in der Theorie funktioniren kann. Klar, wenn die Bedienmannschaft keine Fehler macht, sich kein Erdbeben ereignet, die Stromversorgung für die Kühlung immer sichergestellt ist, es keine Materialermüdung gibt, der Reaktor nicht von einem Asteroiden getroffen wird, sich kein Terroranschlag ereignet, ... j, ja, dann ist Atomenergie theoretisch super sicher. In der Realität wird es aber eben niemals gelingen alle möglichen externen Einflüsse absolut sicher auszuschließen. Das Risiko ist also signifikant größer als Null, Von den bislang errichteten rund 600 Reaktoren gab es in vier einen Super-GAU und in zwei weiteren (Harrisburg und Lucens) eine Kernschmelze, daneben großflächige Verseuchungen durch vor und nachgelagerte Prozesse, wie die Ural-Spur als Folge der Majak-Katastrophe. Auf der anderen Seite ein immenses Risiko. Bei allen bisherigen Unfällen hatte man immer noch recht viel Glück im Unglück. Bei anderen Windverhältnissen hätte Fukushima etwa durchaus auch das Potential gehabt Tokio dauerhaft unbewohnbar zu machen.



            Ein rationales Nutzen/Risiko-Verhältnis ist für mich da jedenfalls nicht mehr erkennbar.

            • @Ingo Bernable:

              Aja, da haben Sie ja bereits einiges (sinngemäß) geschrieben, was ich nun auch schrieb. :-)

    • @lesnmachtdumm:

      Deswegen sollen nun doch neue Dinger gebaut werden und die sind doch sooo viel besser und sicherer!1elf Am besten noch in klein und überall verteilt bauen und den Müll, äh, die Geschenke der wertvollen, glorreichen Atomkraft ebenso verteilen, äh, "endlagern". So hätte dann Jede*r etwas davon. ;-S

      • @Uranus:

        >>> uralter Vorschlag zur b a s i s d e m o k r a t i s c h e n Lösung des Plutoniumproblems: Jeder kriegt seine Dose Pu mit nach Hause, zum Ins-Regal-Stellen ;-[

        • @lesnmachtdumm:

          Das ist ein alter Vorschlag von RWE und stammt aus dem RWE Grundlagenbuch. Dort wurde bis in die ausgehenden 1990- er das Micro Atomkraftwerke für das Reihenhaus propagiert. Ein Ende hatte das Pamphlet wohl nur weil die Wissenschaft vor weiterer wissenschaftlicher Blamage warnte und die Seriösität von RWE auf dem Spiel stand.

  • "Eine erwachsene Person, die jede Woche 200 Gramm Pilze mit einem Strahlenwert von 2.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm verzehrt, erhält pro Jahr eine zusätzliche Strahlendosis, die rund 20 Flügen von Frankfurt am Main nach Gran Canaria entspricht. "

    Da könnte man noch einordnend erwähnen dass bei beidem (Pilze und Gran Canaria-Flüge) die Dosis unter der natürlichen Umgebungsstrahlung liegt und man sich hier weit unter der Dosis bewegt ab der mögliche Gesundheitsschäden bekannt sind. Ist mit dem Wildschweinfleisch ähnlich. Ein (aus anderen Gründen) sehr niedrig gesetzter Grenzwert für den Verkauf wird gerissen, man kann es aber gefahrlos essen.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Descartes:

      Vielleicht hilft das bei der Einordnung der Bedeutung von Bewertungen:



      Gefahr (d.h. mögliches Schadensereignis) x Eintrittswahrscheinlichkeit = Risiko

    • @Descartes:

      Es gibt keine ungefährliche Strahlendosis und per Nahrung aufgenommenes radiokatives Cäsium kann wohl auch in den Knochen eingelagert werden.

      • @Ingo Bernable:

        Naja, diese Behauptung stammt aus den 1920ern. Neuere Forschungen deuten aber eher darauf hin, dass es tatsächlich Grenzwerte gibt, bis zu denen keine signifikanten Unterschiede in der Auswirkung auf z. B. den menschlichen Körper festgestellt werden konnten. Wir sind ja auch alle ununterbrochen radioaktiver Strahlung natürlichen Ursprungs ausgesetzt.

        • @Samvim:

          ja, so bis 1950 hat man das noch geglaubt ("LNT"). Seitdem sprechen aber alle Beobachtungen dagegen; z.B. dass die natürliche Strahlungsexposition in Deutschland je nach Ort stark unterschiedlich ist, und auch der Eintrag von Material aus Tschernobyl lokal unterschiedlich ist, aber ohne Zusammenhang mit Erkrankungen.

          Oder auch der radioaktive Cobalt60- Baustahl-Skandal in Taiwan, wo 10000 Bewohner in 1700 Wohnungen über 10 Jahre lang die 500-fache erlaubte Dosis abbekommen haben; die Betroffenen hatten aber deutlich weniger Krebserkrankungen als das Durchschnittsvolk was auf einen gesundheitlich positiven Effekt niedriger Strahlung hindeutet ("Hormesis").

          www.researchgate.n...diation_Protection

          • @Descartes:

            Es wird ihnen sicher niemand verwehren sich den Arsenikessern anzuschließen, dennoch erscheint mir die Aussagekraft dieser Studie doch recht dürftig zu sein (Korrelation vs. Kausalität). Und auch in anderen Bereichen rückt man von der Hormesis-These längst wieder ab, etwa bei der Idee, dass das täglich Glas Rotwein ja eigentlich doch der Gesundheit förderlich wäre.



            Irgendwie scheint es doch wenig plausibel, dass die geltenden Grenzwerte dem Stand der Wissenschaft um rund 70 Jahre hinterher hängen sollten und das international. Und müssten sich, wenn an diesen Studienergebnisse tatsächlich etwas dran wäre sich nicht jede Menge Mediziner für Krebsprävention per Cobalt-60 Bestrahlung im Bereich mehrerer Sievert einsetzen?

      • @Ingo Bernable:

        Knochen



        Strontium, der andere Player im Tschernobyl-Dreamteam, is für den Metabolismus fast dasselbe wie Kalzium. Die Beta-Strahlung des 90Sr zu messen, war fast allen aber schon unmittelbar nach dem Unglück zu kompliziert, ergo zu teuer. Genauere Info zu Sr ist also in der oben zitierten Summe von Bequerelchen wohl garnicht enthalten. Halbwertszeit knapp 30 Jahre (und puncht jeweils binnen 3 Tagen doppelt: Beta, yeah, nimm dies, und nochmal ....) Bewegen uns also derzeit zwischen der Hälfte und nem Viertel der ursprünglich niedergeschlagenen Dosis. Fein verteilt natürlich mittlerweile über lokale und regionale Biomasse und Böden, über Kindergartenkinder, Osterlämmer und Omas Pudel. Happy birthday, Strontium ! /und Merz verspricht uns allen hoch und heilig, er will die Atomkraft wiederhaben. de.wikipedia.org/w...ntium#Strontium-90

  • Gibt es eigentlich eine Initiative, die sich der Umbenennung des "Mohrenkopfmilchlings" und anderer potentiell rassistischer Pilzbezeichnungen widmet? Das wird endlich mal Zeit....

    • @Bommel:

      Oh, das ist mit Sicherheit eine überaus wichtige und überfällige Initiative. Vielleicht verschwindet bei der Umbenennung die radioaktive Belastung gleich mit ^^

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Bommel:

      Was schlagen Sie vor?

      mein Vorschlag: "Schokosahnling"

      dann entdecke ich, was es schon gibt:

      >>Rußkopf, Kaminkehrer, Schlotfeger, Essenkehrer, Pasterle (na, das könnte schon problematisch sein...), Gefaltetrunzliger Milchling, Rauchfangkehrer, Schornsteinfeger, Schwarzkopfmilchling, Schwarzkopf-Runzel-Milchling

      ESSBAR! ...sehr guter Speisepilz, auch roh essbar!

  • Na, wo sind die Leute, die sagen, Radioaktivität verdünnt sich doch in der Natur? Wer weiterhin das behauptet, soll gerne so einen Pilz essen, um zu beweisen, dass die Werte sich normalisiert hätten.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Radioaktivität "verdünnt" sich grundsätzlich mit fortschreitender Zeit siehe auch radioaktiver Zerfall. Pilze nehmen halt die radioaktiven Stoffe aus der Umgebung auf. Tatsächlich ist die Belastung der Pilze in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen.

      • @Samvim:

        Ich hege wenig Hoffnung auf eine Antwort, aber man kann's ja mal versuchen: was macht Radioaktivität eigentlich mit den Zellstrukturen der Pilze? Kommt es da nicht zu Mutationen wie im menschlichen oder tierischen Gewebe?

        • @Stechpalme:

          Warum nicht: Ich mutmaße, dass es dem Pilz da grundsätzlich nicht anders als anderen geht, nur ist es beim Pilz (als "Frucht" des Myzels) aufgrund seiner generellen Kurzlebigkeit völlig egal. Wie es dem darunter liegenden Myzel ergeht müsste man einen Spezialisten fragen. Es gibt da meiner laienhaften Kenntnis nach welche, die sich sogar von Radioaktivität ernähren.

          • @Samvim:

            Ja die gibt es; z.B. de.wikipedia.org/w...coccus_radiodurans



            Von "ernähren" kann aber keine Rede sein. Auf jeden Fall ist der Mechanismus, der die kleinen so resistent macht, sehr interessant.

  • Was ist denn "atomar verseucht"? Warum schreibt ihr nicht "radioaktiv verseucht"?

    • @Francesco:

      Ich schätze, mit dem Wort atomar ist die Verknüpfung mit Atomkraft und Atomwaffen deutlicher. In Zeiten Wiederaufkochens der Atomdebatte ist eine Verdeutlichung und das Erinnern an mögliche hinzukommende, gravierende Folgen hilfreich.

      • @Uranus:

        Meinen Sie mit "mögliche hinzukommende, gravierende Folgen" die Pilze könnten soviel Radioaktivität ansammeln, das die selber "kritisch" werden und es zu spontanen Spaltreaktionen kommt? ;-)

        • @Mustardmaster:

          Ja, das war mein erster Gedanke - Mini-Atompilze. ;-)

      • @Uranus:

        Yep !