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RT-nahes Medium „Red“Hybrider Krieg in Berlin

Das Berliner Medienportal „Red“ wird mutmaßlich aus Russland finanziert. Die Spur führt zu einer Briefkastenfirma in der Türkei.

Eine antiisraelische Demo am 6. Oktober Berlin. Auch „Red“ war vor Ort Foto: Piotr Pietrus

Die professionell geschnittenen Videos gehen in den sozialen Medien viral, auf Instagram erreichte sie innerhalb 18 Monaten mehr als 200.000 Follower: „Red“ oder „Red Media“ nennt sich die Anfang 2023 gegründete englischsprachige Seite, nach eigener Darstellung ein „revolutionäres“, bewegungsnahes Medienportal.

Von Berlin aus veröffentlicht Red gemeinsame Beiträge mit der Zeitung Junge Welt, dem Linken-Politiker Ferat Koçak oder antiisraelischen Aktivistengruppen wie Palästina Spricht oder Jüdische Stimme. Und findet online ein großes Publikum.

Seit dem 7. Oktober 2023 ist vor allem der Nahostkonflikt Schwerpunkt des Portals: Als antiisraelische Pro­test­le­r*in­nen die Humboldt-Universität in Berlin im Mai besetzen und ein Institut mit terrorverherrlichenden Parolen und Hamas-Symbolen beschmieren, berichtet Red vor Ort, während anderen Jour­na­lis­t*in­nen diverser Zeitungen den Zutritt verwehrt wird.

Auch bei der Besetzung der Roten Flora in Hamburg von Palästina-Aktivist*innen im selben Monat ist Red dabei. Und als Greta Thunberg vergangene Woche eine Berliner Demo unter dem Motto „Glory to the resistance“ am ersten Jahrestag des Hamas-Angriffs besucht, filmt Red ein Interview mit ihr, das auf X/Twitter in kurzer Zeit mehr als 360.000 Mal geschaut wurde.

Bühne für Terror

Red bietet auch islamistischen Terrororganisationen regelmäßig eine Bühne: Im Oktober 2023 interviewte das Portal einen Abgeordneten der Hisbollah und einen Sprecher des Palestinian Islamic Jihad. Im vergangenen August erschien ein Interview mit einem Berater der Huthis im Jemen. Im selben Monat gratulierte Red dem langjährigen Chef der palästinensischen Terrorgruppe PFLP George Habasch, der 2008 gestorben ist, zum Geburtstag.

Seit der Gründung gibt es Verbindungen zu russischen Propaganda­kanälen

All das soll Teil einer russischen Propagandastrategie sein. Denn laut dem US-Außenministerium betreibt RT (ehemals Russia Today) im Verborgenen Red, so heißt es in einer Pressemitteilung vom 13. September. US-Außenminister Antony Blinken kündigte weitere Sanktionen gegen RT an, einen russischen Propagandasender. RT DE stellte seine Aktivitäten in Deutschland 2022 ein, nachdem ein Verbot jeglicher Übertragung von RT-Inhalten EU-weit in Kraft getreten war. Doch bereits im Juni berichtete der Tagesspiegel über mögliche Verbindungen von Red nach Moskau.

Das Statement des US-Außenministeriums veranlasste Meta, den Mutterkonzern von Facebook und Instagram, am 16. September sämtliche RT-Accounts zu sperren – auch Red. Solche Medien seien „jetzt wegen ausländischer Einflussnahme weltweit von unseren Apps ausgeschlossen“, heißt es. Auch der Youtube-Kanal von Red wurde gesperrt.

Red dementiert die Einstufung des US-Außenministeriums in einem Beitrag auf der eigenen Webseite. Mit dem Kreml hätte es nichts zu tun. Red spricht von einer „Kampagne“ gegen das Portal.

Verbindungen nach Moskau

Schon seit der Gründung von Red im März 2023 gibt es allerdings Verbindungen zu russischen Propagandakanälen. Das Portal fungiert nämlich als Nachfolger des einen Monat zuvor eingestellten Redfish: ein ähnliches Portal mit einem ähnlichen Zielpublikum. Red übernahm am 13. März direkt den Telegram-Kanal von Redfish und benannte ihn um. Und Redfish gehörte zum russischen Staatsmedium Ruptly, das wiederum Teil des RT-Netzwerks war.

Ein Blick auf die Unternehmensstruktur von Red wirft einige Fragen auf. Im Impressum steht AFA Medya, ein Medienunternehmen in der Türkei. Laut dem türkischen Handelsregister wurde es am 22. November 2022 in Istanbul gegründet. Dort wird Hüseyin Doğru als alleiniger Geschäftsführer genannt.

Doch AFA Medya scheint nicht zu existieren. Es hat keine Webseite. Und an der angegebenen Adresse in Istanbul befindet sich kein Unternehmen mit diesem Namen, sondern unter anderem eines, das „virtuelle Büros“ anbietet, mit denen man eine ladungsfähige Firmenanschrift anmelden kann. Russland benutzt immer wieder Firmen in der Türkei, um Sanktionen der EU und USA zu umgehen.

Wurde für das in Berlin ansässige Portal Red eine Briefkastenfirma in der Türkei angemeldet, um europäische Sanktionen gegen Russland zu umgehen?

Der in Deutschland lebende Gründer von AFA Medya und Red-Betreiber Hüseyin Doğru ist auch kein Unbekannter: Er etablierte schon Redfish, und war dann laut deutschen Handelsregister auch mit der Auflösung des Unternehmens beauftragt. Laut öffentlichen Jahresabschlussberichten machte Redfish zwischen 2018 und 2022 jährlich schätzungsweise 400.000 bis knapp 700.000 Euro Umsatz. Doğru behauptet auf der Red-Webseite, dass das Vermögen zurück an den Mutterkonzern Ruptly ginge.

Personelle Überschneidungen

Die Stränge des RT-Netzwerks reichen im Personal noch weiter: Im November 2023 unterschrieb eine Person mit dem Namen „Lizzie Phelan“ und der Angabe, bei Red tätig zu sein, einen Aufruf von Medienschaffenden zum Krieg in Gaza. Lizzie Phelan ist ein Pseudonym der früheren Ruptly-Nachrichtenchefin und RT-Reporterin Elizabeth Cocker. Auch Keanu Nazari gibt auf X/Twitter und LinkedIn an, bei Red als Social Media Producer tätig zu sein. Direkt davor war er nach eigenen Angaben ein Jahr lang bei Redfish.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sagt der taz, das Medienportal Red sei der Behörde bekannt, ebenso die personelle und inhaltliche Überschneidung zu Redfish.

Red will sich auf taz-Anfrage dazu nicht äußern. Einen detaillierten Fragenkatalog zu Finanzen und Struktur des Portals ließ es unbeantwortet. Stattdessen reagierte Red mit einer Antwort, die nur in voller Länge veröffentlicht werden darf, was die taz wie auch andere Zeitungen grundsätzlich nicht macht. Am Ende steht die Parole „Free Palestine – From the River to the Sea!“, die oft als Vernichtungsaufruf gegen den jüdischen Staat Israel verstanden wird und die vom Bundesinnenministerium verboten wurde.

Offiziell will Red mit Redfish nichts zu tun haben. In einer FAQ auf der Webseite steht unter der Frage, ob Red dessen Nachfolger sei: „Nein, es handelt sich um zwei verschiedene Unternehmen. red. ist ein unabhängiges Unternehmen, das sich, wie oben erläutert, aus verschiedenen Quellen finanziert.“

Undurchsichtige Finanzstruktur

Nach eigenen Angaben erhalte Red Spenden von „Organisationen und Einzelpersonen“. So könne sie „ohne den Einfluss von Unternehmensinteressen oder politischen Agenden“ berichten. Von wem die Spenden genau kommen, verrät das Portal nicht. Hinzu kommen gestaffelte Fördermitgliedschaften: Ab fünf Euro im Monat kann man „die Sache unterstützen“, ab 100 Euro wird man Teil des „Zentralkomitees“ und hat „Wahlrecht“ bei Kurzdokus.

Die undurchsichtige Finanzstruktur von Red hat wohl auch Gründe: „Russland betreibt eine Vielzahl ‚verdeckt unterstützter Medien‘ und Red scheint auf den ersten Blick eine davon zu sein“, sagt Florian Töpfl der taz. Er ist Professor an der Universität Passau und forscht zur ausländischen Medienstrategie Russlands.

Seit Jahren versucht der Kreml, alles zu verstärken, was die liberale, westliche Demokratie destabilisiert. Im September analysierte die taz interne Papiere der russischen Propagandafabrik SDA, die mit Desinformation die deutsche Öffentlichkeit beeinflussen will.

Teils seien solche Medien sogar mehrsprachig, sagt Töpfl. Dazu gehört auch das Portal Red, das inzwischen auch Artikel auf Spanisch oder Türkisch veröffentlicht. Eine weitere Webseite, die laut dem US-Außenministerium heimlich von RT betrieben wird, ist African Stream, das russische Narrative auf dem afrikanischen Kontinent verbreitet.

„Ziel ist, die Finanziers zu verheimlichen, da die persuasive Wirkung stärker ist“, so Töpfl weiter. „Sogar Russia Today wurde ja in RT umbenannt, was die Verbindung zu Russland weniger explizit macht.“

Mit der „Achse des Widerstands“

Red macht in der Zwischenzeit weiter, auch ohne Instagram, Facebook und Youtube. Das Portal sucht sogar neue Mitarbeiter, doch der Link zu den Stellenausschreibungen, die auf Wordpress gehostet sind, funktioniert nicht mehr. Fehlermeldung: „This account has been suspended“.

Übrig bleiben ein Telegram-Kanal mit 18.000 Abonnenten, der X-Account @redstreamnet mit 90.000 Followern und ein Spotify-Profil. Red setzt nun auch auf Odyssee, eine unter Rechtsextremen und Verschwörungsideologen beliebte Video-Plattform, die für ihre nicht vorhandenen Moderationsrichtlinien bekannt ist.

Zum ersten Jahrestag des Hamas-Angriffs gegen Israel am 7. Oktober veröffentlichte Red eine Video-Reihe mit dem Titel: „Talking with the Axis of Resistance“. Darin kommen Mitglieder der Terrororganisationen Hamas, Islamic Jihad, Hisbollah, PFLP und Huthis zu Wort. Sie sprechen über den „Gefängnisausbruch“ aus Gaza ein Jahr zuvor. Propaganda, die allem Anschein nach von Russland finanziert wird.

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15 Kommentare

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  • Gibt's eigentlich schon eine Blacklist für Russlandpropaganda Webseiten? Eine die ebenfalls nicht zu unterschätzen ist, ist antispiegel. von nem deutschen in st.petersburg verwaltet

  • So ist es. Die einen gehen, die anderen kommen. Das Problem liegt doch daran, dass hier was verboten wird, weil es nicht in "die Linie" passt. Und das ist in einer Demokratie halt ein Problem. RT wurde untersagt weil man andere Sichtweisen nicht mehr hören und sehen wollte. Aber damit wird diese Sichtweise eben nicht entfernt, sondern vorerst nur mundtot gemacht. Ob so ein Vorgehen richtig ist, bezweifle ich.

    • @Mouse:

      Eine offensichtliche Lüge ist keine Sichtweise.



      Wir reden hier nicht von "es ist mir zu warm draußen wenn die Temperatur über 25 Grad steigt".



      Wir reden von offensichtlicher Propaganda.

    • @Mouse:

      Lügen sind keine "Sichtweise".

    • @Mouse:

      Propaganda-Netzwerke stellen keine "andere Sichtweise" dar, denn sie haben einen eindeutigen Auftrag Meinungen zu beeinflussen. Es bedarf schon erheblicher Medienkompetenz zu erkennen mit welcher Intention bestimmte Medien agieren. Sie machen eine "Linie" aus, auf welcher die Medien angeblich agieren. Das ist mittlerweile eindeutig rechtsextreme Verschwörungserzählung. Wenn eine Nachrichtenseite sich mit Terroristen austauscht und das als vermeintlichen 'Widerstand' charakterisiert, bleiben es immer noch Terroristen. Aufgrund der derzeitigen Lage in Gaza, um das Thema aufzugreifen, wäre es die Aufgabe von Journalisten den Betroffenen eine Stimme zu geben. Das ist die originäre Aufgabe von Journalisten, nicht irgendeine "Linie", welche sie angeblich verfolgen. Diese Stimmen einzufangen ist derzeit äußerst schwer. Anstelle dessen Terroristen eine Stimme zu geben kann kein richtiger journalistischer Ausgangspunkt sein.

    • @Mouse:

      Da haben Sie was missverstanden. RT und seine Ableger vertreten keine unerwünschte "Sichtweise", sondern sind das Ergebnis einer zentral gesteuerten und hoch professionellen Beeinflussungspropaganda.



      www.tagesspiegel.d...uert-12382289.html

    • @Mouse:

      RT ist keine „andere Sichtweise“, sondern eine Waffe in Russlands Hybridkrieg. Was dort gebracht wird, hat nichts mit einem anderen Blick auf die Fakten zu tun, sondern ist kalkulierte Desinformation und Hetze.

      Jeder normale, kritisch denkende Mensch sieht das.

      Sie fallen hier schon länger auf mit solcherlei Aussagen, die man eher bei den Lesern der Berlinskaja Prawda vermutete.

  • Danke für die hervorragende Recherche! Das ist Qualitäts-Jornalismus.

    • @Anidni :

      Finde ich auch sehr lesenswert.

  • Da hat Ferat Koçak sich ja die richtigen Freunde ausgesucht.

    Über manche Entwicklungen kann man nur den Kopf schütteln.

  • Wobei das ja nicht aufgeht.



    Wenn man argumentiert, dass fremdes Land nicht mit Gewalt besetzt werden sollte, dass pseudohistorische oder "göttliche" "Rechte" aufs Land fabulierter Unfug sind und dass man den Menschen helfen sollte, das ist das nachvollziehbar wie sofort auch auf Putin-Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine anwendbar.

    Dennoch Putinpropaganda abschütteln und bei den eigenen Zielen bleiben: Klima, Freiheit, wir haben genug anzupacken!

  • Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

    Nur so kann ich mir erklären warum auch auch vermeintlich linke Menschen sich auf solchen Kanälen tummeln.

    Egal wie grotesk, egal wie brutal und Menschen verachtend, Hauptsache gegen die USA, den Westen und gegen die "Kolonialmacht" Israel.



    Das ist alles was zählt.

    • @weather2018:

      Sehe ich genauso. Absolut und das Macht traurig. Der Westen hat viel falsch gemacht, aber nichtsdestotrotz sollte man nicht ohne weiteres sich auf die Seite des "Ostens" schlagen. Denn der Osten ist nicht das, was die Linken sich ersehnen. Der ist genauso Kapitalismusgetrieben, mit allem Negativen, was dazugehört, nur noch mehr Menschenverachtend, Mörderisch, Freiheitsraubend als es im Westen in den letzten Jahrzehnten war.

      • @Merke:

        Genau. As simple as that. Was nicht heissen soll, dass im "Westen" keine Schweinereien begangen werden.

    • @weather2018:

      Auf mich wirkt es eher so, als hätten die Menschen einfach ihren Kompass verloren.

      Politisch ist die Welt eine Kugel.

      Wer immer weiter nach links geht, kommt irgendwann rechts an.

      Wenn man Jahrzehnte lang die USA und den Westen als Feindbild hat, kommen viele mit einem Wechsel nicht mehr klar.

      Zudem bieten russische Medien immer Narrative mit Anschluss für Altlinke. In Russland wie hier.

      Selbst bei eigentlich rechten Narrativen.

      Man muss seinen Weg halt einfach nur unbeirrt weitergehen.