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Queerfeindlicher Antrag der AfDAfD will Regenbogen aus Falkensee verbannen

In Falkensee fordert die AfD ein Verbot der Regenbogenflagge. Ein Bündnis erinnert die Stadtverordneten vor der Abstimmung an ihre Verantwortung.

Feindbild für die queerfeindliche AfD in Brandenburg: Regenbogenflaggen Foto: Monika Skolimowska/dpa

Berlin taz | Zweimal im Jahr weht für eine Woche die Regenbogenfahne am Rathaus Falkensee. Am Mittwoch entscheidet die Stadtverordnetenversammlung im brandenburgischen Falkensee darüber, ob das auch in Zukunft so bleibt. Und während nicht nur in Sachsen vielerorts die Brandmauer bröckelt und AfD-Forderungen durchgesetzt werden, zeigt sich in der brandenburgischen 45.000-Einwohner-Stadt, wie zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen die rechte Hegemonie geht.

In einem Antrag forderte die AfD Falkensee hier ein Verbot für das Hissen der Regenbogenflagge an öffentlichen Plätzen und Gebäuden der Stadt. Ein breites Bündnis aus Vereinen, Jugendgruppen, Kir­chen­ver­tre­te­r:in­nen und Initiativen reagierte darauf mit Widerstand: Es fordert die Stadtverordnetenversammlung auf, sich für Toleranz, Vielfalt und Menschenrechte zu entscheiden – und somit gegen den AfD-Antrag.

Das Bündnis sieht in dem Antrag der AfD einen „Angriff auf die Demokratie, die Menschenwürde und das respektvolle Miteinander“, heißt es in einer Pressemitteilung. Zudem fordert es den parteilosen Bürgermeister Heiko Richter der Stadt Falkensee dazu auf, klar Position zu beziehen. Angeschlossen haben sich dem Bündnis unter anderem der Jugendbeirat Falkensee, der Kreisverband der Grünen im Havelland, die Linke und auch der evangelische Kirchenkreis Falkensee.

Der Antrag der AfD liegt der taz vor. Darin greift die autoritär-nationalradikale Partei auf antifeministische Narrative zurück, die anschlussfähig an gängige Verschwörungsideologien sind. Im Antrag heißt es, die Regenbogenfahne stehe zunehmend für „problematische Ideologien und Praktiken“. Diese würden die moralischen und gesellschaftlichen Grundlagen der Gemeinschaft im Havelland „untergraben“.

Purer Antifeminismus und Verschwörungsideologie

Die Regenbogenflagge als „ideologisch“ zu diskreditieren, zielt darauf ab, feministische Errungenschaften im Kontext geschlechtlicher und sexueller Vielfalt zu verunglimpfen und andauernde Emanzipationsbestrebungen zu delegitimieren. Im verschwörungsideologischen Diskurs werden Gleichstellungsbewegungen häufig als Mittel der Eliten betrachtet, um die Bevölkerung zu kontrollieren.

So äußerte beispielsweise Björn Höcke im Jahr 2022, das „Regenbogen-Imperium“ sei es, das die „Zerstörung der Nation durch Masseneinwanderung“ forciere. Die rassistische Verschwörungsideologie eines vermeintlichen „Großen Austauschs“ war auch bei rechtsterroristischen Anschlägen wie in Christchurch, El Paso, Halle und Hanau ein Tatmotiv.

Auch in der Brandenburger AfD, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird, ist Antifeminismus und Queerfeindlichkeit nicht neu. So äußerte sich unter anderem der Abgeordnete Hans Christoph Berndt im vergangenen Landtagswahlkampf queerfeindlich. Der AfD-Politiker gilt dem Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem. Als Ministerpräsident wolle er Regenbogenfahnen verbieten, so Berndt im letzten Jahr. Zudem sprach der rechtsextreme Politiker von einer „kranken Ideologie des Regenbogens“.

„Die Sichtbarkeit der queeren Bewegung in Falkensee ist der AfD ein Dorn im Auge“, sagt René Wendt vom Ortsverband der Grünen in Falkensee der taz. Die AfD wolle diese Errungenschaft wieder zurückdrehen, so Wendt. Bjarne Herke schließt sich dem an. Er ist Initiator des „Queer SafeSpace“ in Falkensee, Teil des Bündnisses und organisiert die Kundgebung vor der Stadthalle mit.

Gezielte Strategie – Polarisierung und Destabilisierung

Herke sieht in dem Antrag eine gezielte Strategie der Destabilisierung. „Es ist ein weiterer Versuch der AfD, über Polarisierung die Gesellschaft zu spalten“, so Herke. Das „Regenbogenthema“ sei der Einstieg, um auf dem Rücken von vulnerablen Gruppen „wichtige Schritte in Richtung Gleichstellung wieder rückgängig zu machen“. Die AfD versuche dies an verschiedenen Orten nun Stück für Stück umzusetzen. Das kenne man schon aus der Geschichte, so Herke.

Die Regenbogenflagge sorgte im vergangenen Jahr auch in Neubrandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, für kontroverse Diskussionen. Der Fall geriet bundesweit in die Schlagzeilen, weil Unbekannte am örtlichen Bahnhof wiederholt eine Regenbogenflagge gestohlen und durch eine Hakenkreuzflagge ersetzt hatten. Im Oktober beschloss die Stadtvertretung Neubrandenburg mehrheitlich, die Regenbogenflagge am Bahnhof nicht mehr zu hissen.

Unmittelbar nach dem Beschluss kündigte Oberbürgermeister Silvio Witt (parteilos) seinen Rücktritt für Mai 2025 an. Witt gab an, dass fortwährende Beleidigungen in den sozialen Medien und Schmähungen durch Stadt­ver­tre­te­r:in­nen seine Entscheidung beeinflusst hätten. Der Beschluss der Stadtvertretung stehe „am Ende einer langen Kette von Ereignissen“, äußerte Witt dazu im vergangenen Jahr.

Nach medialer Aufmerksamkeit und Kritik am Vorgehen der Stadtvertretung folgte Ende letzten Jahres dann eine Kehrtwende. Im November beschloss die Stadtvertretung mehrheitlich, sich zur Regenbogenflagge als einem internationalen Symbol für Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit zu bekennen.

Mehrheit für AfD-Antrag in Falkensee unwahrscheinlich

In Falkensee hatte die Stadtverordnetenversammlung im Jahr 2021 beschlossen, die Regenbogenflagge zweimal im Jahr zu hissen. Seitdem weht die Flagge sowohl in der Woche des CSDs als auch am internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie am Rathaus der Stadt. Bisher sieht alles danach aus, dass sich dies auch in Zukunft nicht ändern wird und der Antrag der AfD Falkensee von der Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich abgelehnt wird.

Die Fraktionen der Grünen, der Linken und der SPD wollen den Antrag ablehnen. Auch die CDU äußerte im Vorfeld gegenüber der taz, man lehne den Antrag entschieden ab. In der Stadtverordnetenversammlung Falkensee ist die CDU mit neun Sitzen die stärkste Kraft. Die AfD-Fraktion und SPD-Fraktion stellen je sieben Sitze, die Grünen sechs. Mit je zwei Sitzen sind Die Linke, Freie Wähler und „Wir für Falkensee“ vertreten. Die FDP hat einen Sitz.

Heiko Richter, parteiloser Bürgermeister der Stadt Falkensee, äußerte auf Nachfrage der taz, er sei davon überzeugt, dass die Stadtverordnetenversammlung dazu in der Lage sei „sachgerecht mit dem Antrag umzugehen“. Inhaltlich will Richter sich jedoch nicht zum Antrag äußern. Anträge von Fraktionen kommentiere die Stadt Falkensee grundsätzlich nicht, so Richter.

Strafanzeige gegen die AfD

Am Dienstag hat die Bundesarbeitsgemeinschaft „Die Linke queer“ nun eine Strafanzeige wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen die Mitglieder der AfD-Fraktion Falkensee eingereicht. Sie fordern die Staatsanwaltschaft Berlin auf, Ermittlungen aufzunehmen.

Jede Enthaltung ist auch eine Absage an die Vielfalt in Falkensee

Bjarne Herke – Initiator des „Queer SafeSpace“ in Falkensee

Vor der Stadthalle Falkensee will das Bündnis heute während der laufenden Stadtverordnetenversammlung ein Zeichen für ein „friedliches, tolerantes und buntes Miteinander“ setzen. Seine Kundgebung soll um 17 Uhr beginnen. Derzeit rechnet das Bündnis mit rund 100 bis 200 Teilnehmenden. Mit der Kundgebung richtet sich das Bündnis nicht nur gegen den Antrag der AfD.

„Wir demonstrieren für die Demokratie und für Menschenrechte“, sagt Mitorganisator Bjarne Herke. Die Demo vor der Stadthalle wolle die Stadtverordneten noch einmal daran erinnern, in welcher Verantwortung sie stehen. Es dürfe keine Option unter den demokratischen Parteien sein, dem Antrag zuzustimmen oder sich neutral zu verhalten. Jede Enthaltung sei auch eine Absage an die Vielfalt in Falkensee, so Herke.

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22 Kommentare

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  • "Die Regenbogenfahne stehe zunehmend für „problematische Ideologien und Praktiken“

    Mit der Regenbogenfahne beginnt es und mit der selben Begründung wird dann in einigen Jahren die Deutschlandfahne modernisiert in schwarz - weiß - rot. Und wenn es ganz arg kommt zusätzlich mit einem Kreuz versehen, ob eisern oder in anderer Form wird sich dann zeigen.

    Sind die staatlichen Organe hierzulande derart mit Blindheit geschlagen, dass sie alle Zeichen dieser Partei übersehen?

    Was ist das für eine Tendenz, wenn im Parlament jetzt Parteien von Zustimmung statt von Verbot der Rechtsextremen sprechen?

  • Der Artikel ließt sich so als wollte die AfD den Versuch unternehmen die Regenbogenflagge zum verbotenen Symbol erklären lassen. Tatsächlich geht es nur um das Hissen an öffentlichen Gebäuden.

    Es sollte (und vielleicht gibt es gar) ein Verbot des Hissens von Flaggen, die für politische Positionen stehen, die im demokratischen Wettbewerb stehen. Schließlich gilt für staatliche Institutionen eine Neutralitätspflicht.

    • @Julius Anderson:

      Toleranz ist eine Position, die im politischen Wettbewerb steht und der gegenüber staatliche Institutionen zu Neutralität verpflichtet sind?

      • @Francesco:

        Die PRIDE-Flagge steht nicht (nur) für Toleranz, sie hat sich grade in den letzten Jahren und Jahrzehnten zur Flagge der Linksidentitären gewandelt und in Teilen auch entsprechend modifiziert, um diesen Wandel explizit zu machen. Darüber haben sich auch nicht wenige Homosexuelle und Lesben beklagt.

    • @Julius Anderson:

      Gleichheit und Gleichberechtigung sowie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sind Werte des Grundgesetzes und sollten überhaupt nicht Gegenstand irgendwelcher Kontroversen sein. Die Flagge steht gerade dafür, dass der Staat seine Werte vertritt und die Menschen vor denen schützt, die diese Werte in Frage stellen.

      Es ist nicht okay und akzeptabel, gegen die gesellschaftliche Gleichstellung von homosexuellen Menschen zu sein. Das ist keine Frage, bei der der Staat, der nun mal keineswegs wertneutral ist, sondern im Gegenteil bestimmte Werte offensiv vertritt und schützt, neutral sein sollte.

      • @Suryo:

        Siehe Antwort an Francesco, die Kritik ist ja im Wesentlichen identisch.

  • Rund um den 80ten Jahrestag der Befreiung von Auschwitz ist auch dies ein klares Signal der AfD!



    .



    》Während der NS-Zeit wurde jede Form des Andersseins radikal unterdrückt, verfolgt und verurteilt. Dazu zählten aus Sicht der Nationalsozialisten Männer, die sie nach dem Paragraphen 175 als schwul kategorisierten. Heutige (Selbst-) Bezeichnungen wie



    „queer“ oder „trans“ waren den Verfolgern sowie den Betroffenen fremd. Dennoch mussten auch sie mit Strafen und Haft rechnen《



    .



    arolsen-archives.o...tionalsozialismus/



    .



    www.stiftung-geden...und-mittelbau-dora



    .



    》Unter den Gefangenen bildeten die als homosexuell Verfolgten eine kleine Minderheit. In der Hierarchie des Lagers standen die mit einem Rosa Winkel markierten Häftlinge weit unten, ihre Todesrate war besonders hoch《 - hier wird übrigens eine "Gründlichkeit" sichtbar, die auch charakteristisch für den NS ist.

  • Ich mal wieder zwiegespalten.



    Auf der einen Seite muss der AFD natürlich jeder rassistischen und gesellschaftsfeindlichen Äußerung vehement widersprochen werden, was hier im Forum auch richtig gemacht wird.



    Nur ist natürlich jeder "Test-Ballon" der AFD wieder ein Grund, einer Partei die eher verboten als gewählt gehört, diese in die Öffentlichkeit zu rücken.

  • Zuerst sollten die Flaggen verboten werden, die Zeichen von Haß, Hetze und Intoleranz sind. Schwarz, weiß, rot sind die Farben an denen man die rechten Extremisten erkennt.

  • Nicht die Fahne soll verboten werden, sondern ihr "Hissen an öffentlichen Plätzen und Gebäuden der Stadt". Selbst den Braun-Unappetitlichen bitte korrekt titeln.

    Nebenschauplatz, auf den man sich als progressiver Universalist m/w/d gar nicht erst locken lassen sollte. Kurz abbügeln und auf gleichen Rechten bestehen, dann zurück zu den zentralen Themen: Soziales, Umwelt, Wirtschaft, Gerechtigkeit

    • @Janix:

      Ach nee...die Fahne wird angeblich nicht verboten, aber sie darf nicht mehr gezeigt werden?

      Ok, man sollte die Formulierung beachten um mit seinen Feinden umgehen zu können, das stimmt. Aber von der Wirkung her ist das identisch.

  • Dass es um öffentliche Gebäude geht hätte man auch in der Überschrift oder im ersten Absatz erwähnen können.

  • Aha. In der Taz laufen die AfD-Hetzlinge also unter dem Soft-Label "autoritär-nationalradikal". Meine Güte, was für eine verbogene Sprachmumpe aus dem verhuschten Schwurbelschrein. Warum nicht mal Mumm zeigen und schreiben, was ist: Die AfD ist eine faschistische Partei. Es kann so einfach sein, wenn man sich traut.

  • Nun läßt man die Maske fallen.



    Gut, dass das nicht erst nach der Wahl geschieht.

    • @Bolzkopf:

      Warum? Deren Wähler wählen die AfD trotzdem bzw. gerade deswegen.

      Die Wähler dieser Partei sind, ungeachtet paternalistischer Stimmen im Diskurs, nämlich tatsächlich rechtsextrem. Zumindest müssen sie es aber hinnehmen, so eingestuft zu werden - denn es sind alles Erwachsene, deren Wahlentscheidung man ihnen zurechnen darf.

  • Verbannt Verfassungsfeinde aus Falkensee!

  • so so, die afd ist also doch eine Verbotspartei...

  • "...die moralischen und gesellschaftlichen Grundlagen der Gemeinschaft im Havelland"...

    ...die da wären?

    Es ist wirklich erstaunlich, wie ausgerechnet in Gegenden, in denen in den letzten hundert Jahren so gut wie jedes traditionelle gemeinschaftsstiftende Element der Gesellschaft beseitigt wurde - regionaler Dialekt*, Religion, Brauchtum - etwas von Tradition oder gar Moral gefaselt wird. Welche Art von Moral vertritt denn ein - Vorsicht, Polemik - atheistischer Ostdeutscher aus dem ländlich geprägten Teil des Berliner Speckgürtels, dessen Vorstellung von Tradition sich im Besuch des Baumblütenfestes und im Böllern zu Silvester erschöpfen?

    *vor hundert Jahren sprach man in Brandenburg noch größtenteils Plattdeutsch statt Berlinerisch. Weiß dort fast keiner mehr.

  • In so einem Regenbogen kommt die Farbe braun ja auch nicht vor.

  • Auf jeden Fall kann ich in Falkensee als Schwuler mich relativ frei und händchenhaltend (wenn ich will) bewegen. In anderen Gebieten im benachbarten Berlin, z. Bsp. Spandau, ist das nicht so ohne Weiteres möglich. Falkensee ist - meines Erachtens - eher ein geringes Problem für Schwule und Queers.

    • @Leningrad:

      Das wird nicht so bleiben.

      Nachdem in Madrid eine rechte Regionalregierung a die Macht gekommen war, die entsprechend LGBT-feindliche Rhetorik benutzte, stieg die Zahl homophober Straftaten dort sprunghaft an.

      Alles, was es braucht, damit Menschen ihre niedersten Instinkte ausleben, ist, ihnen das Gefühl zu geben, damit in Einklang mit den Vorstellungen der Mehrheit zu handeln.

  • Verbotspartei AfD