Queeres Hausprojekt in Berlin: Das Tuntenhaus ist gerettet
Per Vorkaufsrecht wird das queere Hausprojekt im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg geschützt. SPD, Linke und Grüne fordern mehr Einsatz gegen Spekulation.
Bis Mittwochnacht hatte der Investor aus Bayern, der das Tuntenhaus Mitte Februar gekauft hatte, Zeit, eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Da dies nicht geschehen ist, wird das Haus mit 25 Wohneinheiten in der Kastanienallee 86 an die Stiftung Edith Maryon verkauft, wie das Bezirksamt Berlin-Pankow am Donnerstag mitteilte.
Die Genossenschaft Selbstbau werde das Haus zunächst im Auftrag der Stiftung sanieren und nach Abschluss der Instandsetzungsmaßnahmen als Erbbaurechtsnehmer übernehmen, so das Bezirksamt. Das Grundstück verbleibe im Eigentum von Edith Maryon.
„Die Stiftung ist nicht profitorientiert, sondern am langfristigen Erhalt preiswerter Wohnungen interessiert.“ Ihr Zweck sei es, Grundstücke der Spekulation zu entziehen und unter anderem gemeinschaftlichen Wohnprojekten zur Verfügung zu stellen. Über den Kaufpreis ist nichts bekannt.
Teil der queeren Stadtgeschichte
Die Anfänge des heutigen Tuntenhauses gehen zurück auf die Hausbesetzungen in der Mainzer Straße in Berlin-Friedrichshain nach der Wende 1990. Hausbesetzer*innen vor allem aus Westberlin übernahmen damals im Osten der Stadt ein Dutzend Häuser in dem Straßenzug. Das Tuntenhaus mit der Hausnummer 4 war eines der ersten, das damals bewohnbar gemacht wurde, und zugleich das Aushängeschild für die Hausbesetzer in der ganzen Straße.
Nach der Räumung der Mainzer Straße im November 1990 zog ein Teil der Bewohner:innen des Tuntenhauses in die Kastanienallee 86. Dort existiert das Projekt nun seit über 33 Jahren. Das Haus wurde auch bekannt durch den Schriftzug „Kapitalismus normiert, zerstört, tötet“, der seit vielen Jahren an der Fassade hängt.
Bewohner*innen sind erleichtert
Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung, Cornelius Bechtler (Grüne), zeigte sich erleichtert, dass Bezirk und Senat durch den Vorkauf „bezahlbaren Wohnraum für alle Bewohner*innen des Tuntenhauses sichern konnten“. Queere Menschen seien eine besonders vulnerable soziale Gruppe. „Daher ist es wichtig, Wohnprojekte wie das Tuntenhaus als Orte der Vielfalt zu erhalten.“
Noch größer ist die Freude bei den Bewohner*innen selbst. Als der Anruf am Donnerstagmorgen kam, sei die Erleichterung groß gewesen, so Sprecherin Jil Brest zur taz. „Wir freuen uns sehr, dass das Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann.“ Die vergangenen Monate der Unsicherheit seien nicht leicht gewesen. „Es war ein Zittern und Bangen.“
Dank der vielen Unterstützer*innen, die für den Erhalt des Projekts auf die Straße gegangen waren, aber auch durch die Unterstützung durch Senat, Bezirk und Genossenschaft sei das seit 30 Jahren bestehende Projekt nun vor Verdrängung geschützt. „Wir hoffen, dass sich nun mietenpolitisch etwas bewegt und das Instrument des Vorkaufsrechts wieder verstärkt eingesetzt wird.“
Ampelkoalition soll Vorkaufsrecht stärker ermöglichen
Ähnlich äußert sich die Linkspartei: „Vor dem Hintergrund des steigenden Verwertungsdrucks wird auch in Zukunft um queere Schutzräume gerungen werden müssen“, so der queerpolitische Sprecher und einstige Berliner Kultursenator Klaus Lederer. „Der Senat muss nun endlich Druck auf den Bund ausüben, um das in seinen Anwendungsmöglichkeiten massiv eingeschränkte Vorkaufsrecht wieder in ein wirkungsvolles politisches Instrument zu verwandeln.“
Auch die Berliner SPD forderte am Donnerstag eine Reaktivierung des Vorkaufsrechts auf Bundesebene. „Dieser Fall zeigt erneut, wie wichtig das Vorkaufsrecht ist, um den Ausverkauf unserer Stadt an private Investoren zu verhindern“, so der stadtentwicklungspolitische Sprecher Mathias Schulz.
„Das Tuntenhaus darf kein Einzelfall bleiben“, fordern auch Katrin Schmidberger und Sebastian Walter von den Berliner Grünen. „Der Senat steht in der Pflicht, gemeinsam mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen, den Genossenschaften, Stiftungen und anderen gemeinwohlorientierten Akteurinnen eine berlinweite Ankaufsstrategie zu entwickeln.“ Es müsse Priorität des Senats werden, „so viele wie möglich der bedrohten Häuser dem freien Markt und damit der Immobilienspekulation zu entziehen“.
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