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Putins Reaktion auf die Nato-ErweiterungDemonstrative Lässigkeit

Kommentar von Inna Hartwich

Putin gibt sich entspannt bei der Nato-Erweiterung – inklusive einer Drohung. Dabei offenbart er einmal mehr seine tiefe Verachtung für die Ukraine.

Norderweiterung der Nato? „Wenn sie wollen“: Putin am Mittwoch in Turkmenistan Foto: Sputnik/Dmitry Azarov/ via Reuters

Wenn sie wollen, bitte“, klingt es gelassen aus dem Mund des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Reaktion auf die geplante Nato-Norderweiterung. Die Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens in der Militärallianz mache Russland keinerlei Sorgen, sagte Putin während seines Besuchs in Turkmenistan.

Kein Problem damit, dass die Nato durch die 1.300 Kilometer lange finnisch-russische Grenze direkt vor Russland stünde? Das Bündnis, durch das sich Moskau in der Ukraine so stark bedroht glaubte, dass es seine „militärische Spezialoperation“ startete, als die es seinen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland führt?

Diese Aussagen mögen erstaunen. Im System Putin folgt die gespielte Gelassenheit jedoch einer gewissen Logik: Im schrägen Geschichts- und Politikverständnis der russischen Führung ist die Ukraine kein souveräner Staat. Moskau spricht dem Land sein Existenzrecht ab und sieht es lediglich als „Anti­russlandprojekt“ der USA. Davor will es die Ukraine schützen, sie daraus „befreien“ und – überzeugt davon, im Interesse „bedrohter“ Ukrai­ne­r*in­nen zu handeln – mit aller Gewalt an Russland binden.

Denn, so die russische Lesart, die Ukraine (wie auch Nachbar Belarus) ist eigentlich Russland. Die pervertierte Sicht auf die Geschichte und die vollkommen zynische Abwertung der Menschen in der Ukraine bestimmen seit Jahren die Politik in Russland.

Dagegen gebe es zu Schweden und Finnland, so Putin, keine so eng verflochtenen Verbindungen wie zur Ukrai­ne. Die russische Kultur werde dort – im Gegensatz zur Ukraine – nicht bekämpft. Für Russland ist das quasi ein anderes Paar Schuhe. Deshalb dürften sich Schweden und Finnland den Nato-Stiefel überstreifen, die Ukraine aber auf keinen Fall.

Trotz demonstrativer Lässigkeit gegenüber den Skandinaviern vergisst der russische Präsident nicht zu drohen. Russland werde spiegelbildlich reagieren. Schweden und Finnland sollten sich auf Spannungen einstellen: Ganz offensichtlich, zweifelsfrei, ohne geht es nicht, sagte er. Schon klingt Putins Antwort nicht mehr gelassen.

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15 Kommentare

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  • Spiegeln will er alles, darauf sollte man aufbauen. Schon die Udssr hat versucht gleichzuziehen, ist ihr nicht gut bekommen.

  • Gut, das über dieses Statement Putins gestern berichtet wird. Er hat u.a. wortwörtlich gesagt: "Das [der NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens] ist etwas völlig anderes als die Ukraine".

    Es geht Putin nicht um die NATO, des geht, wie schon 2014 um die Ukraine und darum, wie deren eigenstaatlicher, pro-europäischer Entwicklungsweg Putins Herrschaftssystem bedroht. Putin führt, wie schon bei der Krimannektion, Krieg, um innenpolitische Probleme zu lösen.

  • So viel zu der auch hier im Forum beliebten Lesart, die Nato-Osterweiterung und das russische Sicherheitsbedürfnis sei der tiefere Grund für den Angriffskrieg gegen die Ukraine.

  • Sehr gute Analyse, vielen Dank!

  • Angesichts der Tatsache das Russland,Weißrussland und Ukraine bis vor etwa 30 Jahren über Jahrhunderte zu einem Staatsgebilde gehört haben(Russisches Reich ,dann UDSSR), Sprachen und Kultur sich ähnlich sind, ist die russische Sicht weniger "pervertiert" als die Autorin glaubt.Es ist wie mit Deutschland und Österreich : Eine über 1000 Jahre alte gemeinsame Geschichte, die sprachlichen und kulturellen Unterschiede zu Deutschland, sind ungefähr so wie die zwischen Bayern (Von denen die Österreicher abstammen) und Norddeutschland.



    Ist es von der spanischen Zentralregierung "pervertiert" Katalanen als Spanier zusehen? Und wieso wird das von der EU toleriert?



    Natürlich gibt es ein Selbstbestimmungsrecht.Nur weil bspw.die Niederlande ,Luxemburg,Belgien Schweiz ,Österreich , Liechtenstein,mal zum Deutschen Reich gehört haben, heißt das nicht ,das sie heute keinen souveränen Staaten sein können. Die gemeinsame Geschichte bleibt davon unberührt.Auch wenn die Österreicher bestimmte Details der jüngeren Vergangenheit im 20.Jahrhundert gerne ignorieren und lieber von Beethoven als vom Braunauer reden. :-))

  • Wer Putin Realpolitiker wie einige meinen, dann ist er ein ziemlich schlechter, jetzt hat er mehr NATO Mitglieder und mit Finnland einen der strategisch kritisch für Russland liegt (Murmansk).



    Ich denke er ist Ideologe, wie der Artikel so schön sagt, Belarussen und Ukrainer sind keine echten Völker in seinen Augen. Das macht ihn aber nicht weniger gefährlich weil zu den nicht Völkern können ganz schnell Polen, Balten und Finnen zählen.

  • Mir kommt es immer wie Pfeifen im Walde vor, wenn man Einschätzungen wie „demonstrativ lässig“ liest.

    Putin hat zur Lässigkeit sicherlich mehr Anlaß als wir:



    - Die maßgeblich von den Grünen initiierten Energieboykotte schaden Russland vorerst garnicht, sondern haben ihm sogar Rekordeinnahmen verschafft.



    Das haben auch die Amerikaner vorhergesagt, aber unsere Gesinnungsethiker wollte es einfach nicht wahrhaben.



    - Militärisch scheint es erwartbar zu Gunsten der überlegenen Militärmacht zu laufen, trotz der massiven Aufrüstung durch die Nato.



    - Uns schadet der Boykott dagegen sehr. Wir werden DESHALB eine schwere Rezession bekommen, mit viel Arbeitslosigkeit, Armut und Spaltpotential.



    Genauso wie Putin es sich nicht besser wünschen könnte.



    - Wir haben nicht nur die völkerrechtlich verbindlichen Klimaziele aufgegeben, sondern leiten gerade eine massive Carbonisierung ein.



    Dieser schwere Verrat am Wähler und an der Weltgemeinschaft wird Putin als Energieexporteur wohl am meisten freuen.



    Wir rennen damit völlig ungebremst in die Klimakatastrophe und zerstören nebenbei noch den Rest an



    Glaubwürdigkeit unserer Parteiendemokratie.







    Warum sollte der Mann also nicht entspannt sein?

    • @neu_mann:

      Na klar, läuft alles prima für Putin, träumen Sie weiter. ;)

  • Natürlich stellt die westliche Wertegemeinschaft eine Bedrohung für Putins Clan dar. Die Putinsche Definition von Faschismus ist der Sprech: Wer das Putinsche Gesellschaftssystem ablehnt, kann nur Nazi sein, dazwischen gibt es nichts mehr. Dabei kommt die eigentliche Bedrohung für Putin und seine Oligarchen aus dem Drang des belorussischen und russischen Volkes nach demokratischer Teilhabe und einem Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben mit seinen Nachbarn, vielleicht auch für ein besseres Auskommen in Verbindung mit einer Koalitionsfreiheit nach westlichem Muster, wie sie in den Nachbarstaaten mit der Übernahme durch den Kapitalismus für viele Menschen möglich wurden. So sehe ich Putins Krieg in erster Linie als den Versuch, die Demokratiebestrebungen abzuwehren. Es wäre aber zu einseitig, wenn wir dabei den Drang nach einem Einfluß auf die neuen Märkte auch in der Ukraine gerade aus Richtung Nordamerika unterschätzen würden, zumal auch russisch-stämmige Oligarchen in einem interessanten Markt -Industrie und Landwirtschaft- mitmischen wollten. Der Krieg ist eine Antwort auf den Kampf um demokratische Rechte sowohl der Russ*innen und Beloruss*innen, aber auch für die Ukrainer*innen. Auf einem anderen Blatt steht die Sicherung der Märkte in Südosteuropa ein sowohl für Putins Freunde, aber auch globalen Player aus dem Westen.

  • Wäre interessant zu hören, was den Freunden des "Die Waffen nieder" zu den Ausführungen Putins einfällt.

    • @Jim Hawkins:

      Der Ukrainist Roman Dubasevych im TAZ-Interview:



      „Das Tragische an jedem Krieg ist, dass er eine Dynamik der Dehumanisierung und des Hasses in Gang setzt, die eine paradoxe Symmetrie zwischen Täter und Opfer herstellt.“



      Das gilt wohl auch für so manchen Forenkrieger.



      taz.de/Ukrainist-u...bb_message_4344820



      Lesen!

    • @Jim Hawkins:

      "Wäre interessant zu hören, was den Freunden des "Die Waffen nieder" zu den Ausführungen Putins einfällt."



      Das kommt nichts, was auch?



      Interessant auch, dass erneut zahlreiche Prominente einen Waffenstillstand in der Ukraine und Verhandlungen mit Russland gefordert haben. Das ist sicherlich redlich und gut gemeint aber was soll man bitte machen, wenn sich Russland gar nicht an den Tisch setzen will? Selbstgespräche führen?

      • @Stefan L.:

        Also zur Zeit sieht es beim Abnutzungskrieg eher für die Russen günstiger aus.Das Bevölkerungsverhältnis ist 1:3 Erst wenn der letzte Ukrainer für die Freiheit der EU gefallen ist,werdet ihr sehen das es immer noch Russen gibt!



        Gilt natürlich nur solange die gegenwärtige Lage keine Veränderung erfährt.

        • @Mustardmaster:

          Zuviel Hearts of Iron oder Age of Empires gespielt? Das ist kein computerspiel und Russland hat nich 140 Millionen potenzielle Soldaten. Die meisten sehen das so das die Ukraine mehr Soldaten aber weniger Ausrüstung und Russland mehr Ausrüstung und weniger Soldaten hat. Russland kann die Wehrpflichtigen nicht in die Schlacht werfen, muss Berufssoldaten mit extrem hohen Löhnen locken etc. mit entsprechenden Waffenlieferungen kann die Ukraine diesen Krieg gewinnen.

      • @Stefan L.:

        Ich vermute mal, das ist eine Mischung aus begriffslosem Pazifismus und Selbstvermarktung.

        Und das alles im Rahmen eines selbstrefenziellen Systems.

        Man schafft die Nachricht, damit die Nachricht geschafft ist.