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Foto: Christoph Busse

Psychische Folgen von CoronaGeneration kontaktlos

Kinder und Jugendliche leiden besonders in der Pandemie. Schüler:innen, Therapeut:innen, So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen und andere Betroffene erzählen.

„Jetzt habe ich Angst, meine Jugend zu verpassen“

E ine 15-jährige Gymnasiastin aus Hamburg:

Ich lebe in einem Vorort von Hamburg und gehe in die neunte Klasse. Der Corona-Lockdown hat mich stark belastet. Seit über einem Jahr habe ich Depressionen, leide manchmal an Panikattacken und habe eine leichte Anorexie entwickelt. Im letzten Herbst habe ich mit Therapien begonnen, damit habe ich die Magersucht in den Griff bekommen. Aber schlecht ging es mir schon früher. Im Januar 2020 ist meine Großtante gestorben und dann hat jemand aus der Schule Selbstmord begangen.

Als Corona losging, bin ich erst mal zusammen mit meinem Bruder bei Freunden auf dem Land gewesen. Ich bin sehr introvertiert und fand es schwierig, dort richtig Anschluss zu finden. Ich habe mich eher zurückgezogen und isoliert. Wieder zu Hause bin ich nicht mehr aus dieser Zurückgezogenheit rausgekommen. Außerdem fing ich an, zwei Stimmen zu hören. Sie klangen wie meine Gedanken, nur dass sie mit mir geredet haben. Die eine immer gegen mich. Sie meinte, ich sei nichts wert und solle besser sterben. Die andere setzte sich für mich ein, versuchte dagegenzuhalten.

Weil Lockdown war, hatte ich nicht mehr so viel Kontakt zu meinen Freundinnen. Davor habe ich sie jeden Tag in der Schule gesehen und hätte einfach mit ihnen reden können. Irgendwann konnte ich kaum mehr einschlafen, weil es so schlimm war, und ich habe meiner Mutter eine E-Mail geschrieben, dass ich gerne eine Therapie machen würde. Meine Eltern sind geschieden, in der Woche war ich gerade bei meinem Vater. Zuvor hatte es einen Moment gegeben, da hätte ich mich beinahe umgebracht: Auf meinem Nachhauseweg komme ich an der U-Bahn vorbei. An einem Punkt ist man auf einer Höhe mit den Schienen.

Meine Mutter ist dann online auf die Beratungsstelle für Frauen und Mädchen ISIS in Poppenbüttel gestoßen, wo ich dann sehr schnell Hilfe bekommen habe. Die Therapeutin fragte mich, warum ich hier bin, und ich habe erst mal angefangen zu weinen. Danach habe ich erzählt. Die Therapeutin war super nett, aber meinte, die Beratung alleine reiche nicht. So geriet ich an einen Therapieplatz in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Als im Winter die „gute“ Stimme immer leiser geworden ist, bin ich auch für drei Tage dort geblieben. Später hätte ich einen festen Klinikplatz für einige Monate bekommen. Das habe ich aber abgelehnt, was ich jetzt bereue.

Medikamente bekomme ich keine. Seit März mache ich eine Gruppentherapie. Alle sind ungefähr in meinem Alter und mit unterschiedlichen Problemen, aber alle leiden unter Schuldruck. Im Lockdown fing ich an, mir Vorwürfe zu machen, wenn ich mich mit etwas anderem als Schule beschäftigt habe. Obwohl die Hausaufgaben längst fertig waren.

Corona und Psyche

Die Diagnose

Eine Studie des Universitäts­klinikums Hamburg-Eppendorf untersucht die Auswirkungen der Pandemie auf die Psyche bei Kindern und Jugendlichen zwischen 7 und 17 Jahren. Insgesamt wurden dafür 1.000 Kinder sowie mehr als 1.600 Eltern befragt.

Demnach haben emotionale Probleme, Verhaltensauffälligkeiten, Hyperaktivität und soziale Probleme bei Kindern und Jugendlichen seit Frühjahr 2020 deutlich zugenommen. Emotionale Probleme hatten vor der Pandemie 13 Prozent der Jugendlichen, während der ersten Welle waren es 21, während der zweiten 24 Prozent. Ähnlich in den anderen Kategorien. Soziale Probleme: 11 Prozent vor der Pandemie, 22 Prozent in der ersten, 27 Prozent in der zweiten Welle. Hyperaktivität: 13/24/20 Prozent. Insgesamt ist fast jedes dritte Kind momentan psychisch auffällig, vor der Pandemie traf dies nur auf jedes fünfte Kind zu.

Therapie

Kinder- und Ju­gend­li­chen­psy­cho­the­ra­peu­t:in­nen haben im ersten Halbjahr 2021 deutlich mehr Kinder und Jugendliche behandelt als im ersten Halbjahr 2019. Sie rechneten um acht Prozent mehr Leistungen ab. Im März 2021 lag die Patientenzahl um fast ein Drittel höher als im vorpandemischen Zeitraum. „Die Politik muss Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien deutlich mehr Angebote machen, um sie psychisch zu stärken. Kita- und Schulschließungen sowie Kontaktbeschränkungen haben psychische Spuren hinterlassen“, sagte Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, am Montag. (taz, dpa)

Ein Teil von mir würde sich gerne weiter isolieren, gleichzeitig wünsche ich mir, dass alles bald wird wie vor Corona. Ich meine, ich war nicht mal 14, als alles angefangen hat. Jetzt habe ich Angst, meine Jugend zu verpassen.

Protokoll: Ruth Fuentes

„Ängste müssen bearbeitet werden“

Bettina Schötz, Analytische Kinder- und Jugend­lichenpsychotherapeutin Berlin:

Tatsächlich beobachte ich, dass sich Angstsymptomatiken bei Kindern in der Pandemie stärker zeigen. Nicht so sehr die Angst, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, wobei das vereinzelt auch vorkommt. Viel dominanter ist, dass sich bereits vorhandene Ängste, seien es Sozialphobien, Engeängste, also etwa Klaustrophobie, oder Redeängste verstärkt haben. Beispielsweise könnte ein Kind, das vorher Angst hatte, mit der U-Bahn zu fahren, diese Angst nun mit Corona begründen. Die ursächlichen ängstlichen Vorstellungen sind dann wie zugedeckt durch die realen Gefahren der Pandemie und werden nicht mehr bearbeitet.

Hinzu kommt, dass die selbst durch die Pandemie hochbelasteten Eltern mitunter nicht adäquat auf die Ängste der Kinder eingehen können. Und da Corona für Ältere lebensbedrohlicher ist, haben die Eltern womöglich reale Ängste, zu Schaden zu kommen und nicht mehr für die Kinder da sein zu können. Eventuell bekommen sie in dieser Situation dann gar nicht mit, wie belastet ihre Kinder sind. Oder sie haben wenig Verständnis, wenn die Kinder jammern, weil sie etwa zur Schule fahren müssen.

Und was Schule angeht? Mal war Schule, mal nicht. Mal war Online-Unterricht, dann wieder Präsenz. Dann gab es Quarantäneunterbrechungen. Und es kam vor, dass Kinder zur Schule fuhren, aber die Lehrer fehlten und den Kindern wurde nicht gesagt, was die hatten. Man kann sagen: Die Koordinaten, die das Leben der Kinder strukturieren, waren in der Pandemie nicht mehr verlässlich. In den Familien sollte das aufgefangen werden.

Da, wo Eltern eine Ersatzstruktur gewährleisten konnten, ging es halbwegs gut. Mitunter hat es auch die Bindungen zwischen Eltern und Kindern verbessert. Und Kindern mit sozialen Ängsten mag es gefallen haben, dass sie zu Hause bleiben konnten. Aber die sozialen Entwicklungen wurden in der Pandemie total unterbrochen. Vor allem bei Kindern mit Angststörungen, wo es wichtig ist, dass sie sich den Ängsten aussetzen.

Im Frühjahr 2020, zu Beginn der Pandemie, wurden die meisten Spielplätze sofort abgesperrt Foto: Christoph Busse

Zur Belastung durch die Pandemie kamen in vielen Fällen berufliche Existenzängste der Eltern hinzu. Wenn Kinder mit Angststörungen aber zusätzlich deren Ängste mitbekommen, dann ist Entwicklung kaum mehr möglich. Kommen Alkohol oder Drogen mit ins Spiel, wird es noch schwieriger. Kindesmissbrauch hat in der Pandemie zugenommen, Alkoholmissbrauch auch.

Wenn Kinder in so einer Situation einen Therapieplatz gefunden haben, hat das zu Entlastung geführt. Die Kassenärztliche Vereinigung in Hessen hat auf den riesigen Bedarf reagiert und Kin­der­the­ra­peu­t:in­nen ohne Kassenzulassung für zwei Jahre eine Notfallzulassung gegeben, damit mehr Kinder behandelt werden können. Dieses Modell müsste bundesweit übernommen werden. Ängste bei Kindern müssen therapeutisch bearbeitet werden, damit sie sich nicht verstetigen oder ausweiten und Lebensentwicklungen blockieren.

Protokoll: Waltraud Schwab

„Kein Grund für Alarmismus“

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des ­Deutschen Lehrerverbands:

Natürlich hat die Pandemie im sozialen Bereich die Befindlichkeiten von Kindern beeinflusst, vor allem in Familien, in denen die Schule der einzig stützende Lebensraum war. Die Effekte, die daraus entstehen, sind zwar massiv, das bedeutet aber nicht, dass sie zugleich klinische Ausmaße annehmen.

Eine Veränderung, die die Lehrkräfte vor allem beobachten, ist die drastische Zunahme des Medienkonsums. Dass Medien während der Lockdowns auch dazu benutzt wurden, um im Austausch mit Gleichaltrigen zu bleiben, ist völlig nachvollziehbar. Ich meine aber den Medienkonsum, der darüber hinausgeht. Dieser veränderte Medienkonsum zieht Änderungen im Lebensablauf mit sich und bedeutet auch oft den Verlust sozialer Kontakte. Ein regelmäßiger Tagesablauf ist bei vielen Schü­le­r:in­nen verloren gegangen.

Leh­re­r:in­nen sehen ja selten den Einzelnen, der besonders leidet, aber natürlich hat das Ganze schlimmere Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die auch vorher schon eine labile Persönlichkeit hatten. Ich bin mir sicher, dass wir mit diesen Auswirkungen noch lange zu tun haben werden.

Was die Situation in den Schulen betrifft: Die meisten Lehrkräfte im Verband berichten von moderaten und handhabbaren Situationen in den Klassenzimmern. Für die breite Masse der Schulen kann man nicht annehmen, dass – übertrieben gesagt – überforderte Lehrkräfte auf völlig aus den Fugen geratene Schü­le­r:in­nen treffen.

Die Bundesregierung hat ja ein doppeltes Programm gefahren: Zum einen geht es darum, Bildungsstandards nachzuholen, zum anderen gibt es Zuschüsse für Freizeit und soziale Projekte. Ich halte es für sehr wichtig, die sozialen Defizite zu beseitigen.

Man sollte sich jedoch vor Übertreibungen hüten und davor, das eine gegen das andere auszuspielen: Es ist wichtig, nicht die Kinder aus dem Blick zu verlieren, die dringend Unterstützung brauchen. Gleichzeitig ist das aber noch kein Grund, in Alarmismus zu verfallen. Von einer „geschädigten Generation“ zu reden ist genauso übertrieben wie das Gegenteil. Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte.

Protokoll: Annika Glunz

„Wir haben die Kinder vergessen“

Die Eltern der Achtklässlerin Karla* aus Berlin-Spandau:

Mutter: Der Lockdown hat unserer Tochter den Boden unter den Füßen weggerissen, auch für uns als Familie wurde das existenziell bedrohlich.

Vater: Jetzt läuft die Schule wieder, sie macht Sport. Und sie geht zum Psychotherapeuten, das hilft.

Mutter: Aber noch immer müssen wir ständig hinterher sein, sie motivieren, in die Schule zu gehen. Ich weiß: Wenn jetzt wieder ein Lockdown käme, das wäre hart.

Vater: Mitten im Coronajahr 2020 ist Karla aufs Gymnasium gewechselt. Sie kam in eine Klasse mit 31 anderen, sie kannte niemanden. Nach ein paar Monaten wurden die Schulen dichtgemacht, danach hatte Karla nur noch Unterricht per Video, und das sehr viel.

Mutter: Karla hat sich schon früher schwergetan mit Veränderungen. Wenn eine neue Aufgabe auf sie zukommt, glaubt sie, die nicht bewältigen zu können. Es war krass für sie, so in den Online-Unterricht geschubst zu werden. Sich zu melden war eine Riesenhürde.

Vater: Ich war im Homeoffice, meine Frau hat Vollzeit als Ärztin gearbeitet. Im Nachhinein würde ich sagen, ich habe das ziemlich schlecht gemacht mit Karla. Ich habe zwischendrin ins Zimmer geschaut, ob sie an ihren Aufgaben sitzt. Nachmittags sind wir die Sachen durchgegangen. Irgendwas fehlte immer, Karla hat das als sehr negativ erlebt.

Mutter: Schule war von morgens bis abends im Kinderzimmer präsent. Da stand immer dieses Gerät. Wir Eltern sind in dieser Zeit in die Lehrerrolle gerutscht, dabei müssten Eltern auch im Lockdown in erster Linie Eltern bleiben.

Vater: Ich war der Böse, der sie am Vormittag antreibt, am Nachmittag kontrolliert. Wir haben ja noch Glück, die Kinder haben eigene Zimmer und Computer. Aber mich hat die Situation mit Sicherheit überfordert.

Mutter: Anfangs dachten wir, sie hängt halt ein bisschen in der Schule. Dabei hatte es da psychisch schon ein anderes Level erreicht. Sie hat die Kamera nicht mehr angemacht, ist im Schlafanzug geblieben, gammelte rum. Nachts schlief sie schlecht. Sie wollte überhaupt nicht mehr raus und ist nicht ans Telefon, wenn Freundinnen anriefen. Irgendwann kam die Sinnfrage: Wozu das alles?

Es ist richtig eskaliert. Wenn ich bei der Arbeit mein Handy angemacht habe, waren da von Karla 40 Anrufe in Abwesenheit. Nervöses Geschrei, der totale Zusammenbruch.

Karla hatte auch Suizidgedanken. Sie hat gesagt, ich will nicht mehr leben, ich will nicht mehr aufwachen. Und das mit zwölf. Im Streit hat sie auch gesagt: Ich will euch töten, ihr sollt mich in Ruhe lassen. Hinterher kam sie aufgelöst an, es tat ihr leid.

Wir haben zu lange versucht, den Alltag am Laufen zu halten, erst nach mehreren Monaten haben wir die Notbremse gezogen. Wir haben über Kontakte einen Platz bei einem Kindertherapeuten bekommen, da hatten wir großes Glück, viele warten ja sehr lange auf eine Therapie.

Vater: Der Therapeut hat versucht, die Problemkreise aufzusplitten: Schule, Schlaf, Leistungsdruck, Familie. Es war dadurch nicht mehr so ein Berg. Er hat vorgeschlagen, die Noten für zwei Monate auszusetzen. Dazu kam es nie, aber für Karla war schon die Option total wichtig. Er hat ihr später auch gesagt: Geh einfach jeden Tag in die Schule, auch wenn du da nur aus dem Fenster guckst, aber geh hin. Das hat Karla annehmen können.

Die Spielgeräte auf den nächtlichen Spielplätzen beleuchtete der Fotograf mit farbigem Licht Foto: Christoph Busse

Mutter: Ich habe entschieden, erst mal nicht mehr zu arbeiten. Seit dem Sommer bin ich zu Hause. Wenn es Karla schlecht geht, zieht sie sich zurück, sie wird immer leiser. Ich dachte: Ich muss jetzt für sie da sein. Wenn ich das mit Karla in den Sand setze, dann habe ich mein Lebensprojekt versemmelt.

Wir haben im Frühjahr in der Praxis geimpft wie die Wilden, ich habe mich um viele Patienten gekümmert. Aber wir haben in der Zeit echt die Kinder vergessen. Eigentlich will ich ab Januar wieder arbeiten. Für mich ist klar: Sollten sie die Schulen noch mal schließen, dann bleibe ich zu Hause. Wenn das Kind sagt, es will nicht mehr leben … Es ist keine Option, dass es noch mal so weit kommt.

Vater: Ich habe keine Sorge, dass sie die Schulen schließen. Es wurde von Anfang an zu wenig bedacht, was das für Folgen hat für die Kinder. Das kann niemand mehr verantworten.

Protokoll: Antje Lang-Lendorff

*Um Karla zu schützen, wurden der Name und wenige Details geändert.

„Kinder und Jugendliche brauchen Geborgenheit“

Renate Schepker, Kinder- und Jugendpsychiaterin, Vorstandsmitglied der DGKJP Ravensburg, Baden-Württemberg:

Mittlerweile gibt es wissenschaftliche Belege dazu, dass durch die Coronapandemie Depressionen, Angsterkrankungen, Gereiztheit und Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen zugenommen haben. Gleichzeitig wissen wir, dass es nicht alle gleichermaßen trifft. Rund 70 Prozent kommen mit der momentanen Situation gut zurecht. Allerdings gibt es auch die anderen 30 Prozent – darunter überdurchschnittlich viele Mädchen. Es sind oft Kinder und Jugendliche, die zu Hause wenig Platz haben und bei denen die Situation ohnehin angespannt ist, etwa durch Arbeitslosigkeit der Eltern.

Zugleich sind die Wartelisten für einen ambulanten Therapieplatz lang, wenn es auch regional sehr unterschiedlich ist: Während eine Stadt wie Heidelberg sehr gut mit Psycho­therapieplätzen ausgestattet ist, gibt es in den ­östlichen Bundesländern ganze Landstriche, wo es kaum ambulante Therapieangebote gibt.

„Sperrstunde“ nennt Christoph Busse seine Fotoarbeit Foto: Christoph Busse

Ein großes Problem entstand daraus, dass Therapeuten aus Infektionsschutzgründen keine Gruppensitzungen, sondern nur Einzelgespräche anbieten konnten und ihre Kapazitäten daher schnell erschöpft waren – bei gleichzeitig steigendem Bedarf wegen Corona. Man hat versucht, den Mangel mit kürzeren Therapiezeiten und Online-Therapien zu kompensieren – was nicht vollständig gelingen konnte.

Kinder und Jugendliche brauchen Sicherheit und Geborgenheit, und die hat es während der vergangenen Monate kontinuierlich kaum gegeben. Sportvereine und Jugendtreffs waren geschlossen, es fehlte der Kontakt zu Bezugspersonen außerhalb der Familie.

Laut Kriminalstatistik haben die angezeigten Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch im vergangenen Jahr um knapp 7 Prozent zugenommen. Zwar gab es zu Beginn der Pandemie weniger Hinweise auf Kindeswohlgefährdung bei den Jugendämtern. Allerdings nur deshalb, weil außerhalb der Familien niemand mehr richtig auf die Kinder geachtet und sie gesehen hat.

Lehrer sollten nun vor allem auf die Stillen achten. Denn das sind eher die Ängstlichen und Depressiven. Aber auch als Eltern sollte man genauer hinschauen, darüber reden, was sie bedrückt. Und umgekehrt Kinder und Jugendliche daran teilhaben lassen, wenn es einem selbst nicht so gut geht – und ihnen so zeigen, dass man damit umgehen kann.

Auf keinen Fall sollten die wieder geöffneten Schulen aufgrund verpassten Unterrichts den Leistungsdruck erhöhen. Und auch wenn ich nicht fordern würde, dass Kitas und Schulen unter allen Umständen offenbleiben müssen, sollte bei einer erneuten Schließung der Kontakt besser gehalten werden als bisher. Schlimm ist, dass es immer noch Familien ohne Laptops gibt. Wenn einige den Unterricht auf dem Handy verfolgen müssen, während andere ein eigenes Zimmer mit einer super Ausstattung haben, dann ist das schreiend ungerecht.

Protokoll: Anna Fastabend

„In einer negativen Gedankenschleife“

Dorle Mesch, Schulsozialarbeiterin an einem Gymnasium in der Nähe von Köln und Vorstand der LAG Schulsozialarbeit NRW (ehrenamtlich):

Im Bereich der Schulsozialarbeit sind in der Pandemie die Anfragen nach Hilfe und Beratung stark gestiegen – und nach der Rückkehr in die Schulen aufgrund der stärkeren Sichtbarkeit der Probleme sogar noch mehr. Es haben sich vor allem die Familien gemeldet, die Kinder mit besonderen Bedarfen wie etwa psychischen oder körperlichen Belastungen oder Erkrankungen hatten. Eine große Rolle spielen Ängste: soziale Ängste, Zukunftsängste, Schulängste. Von Letzteren sind besonders leistungsstarke Menschen betroffen, sie haben Sorge, den eigenen Erwartungen nicht entsprechen zu können.

Viele Betriebe haben ihre Ausbildungsangebote eingeschränkt, auch das erzeugt Zukunftsängste bei jungen Menschen, die im Übergang von der Schule in den Beruf sind. Als belastend erweist sich zunehmend auch die Angst vor dem Klimawandel. Während der Pandemie ist auch ein erhöhter Medienkonsum festzustellen.

Viele Reaktionen auf die Krise – Trauer, Rückzug, Wut – sind dennoch völlig normal und kein zwingender Grund, einen Arzt aufzusuchen.

Aber es ist gut zu wissen, wie sich eine tatsächliche Krise manifestiert: Schlafstörungen oder auch aggressives Gegenhalten im Alltag können ein Hinweis sein. In einer solchen Krisensituation ist es hilfreich, darüber nachzudenken, was man Gutes für sich tun kann in einer Situation, die man ohnehin nicht ändern kann. Wer nur darüber nachdenkt, was er gerade nicht tun kann, etwa aufgrund von Beschränkungen, verharrt in einer negativen Gedankenschleife.

Als Schul­so­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen bieten wir jungen Menschen, Eltern und Kol­le­g:in­nen Einzelfallhilfe und Beratung an. Wir sind vernetzt mit Jugendämtern, Schul­psy­cho­lo­g:in­nen, Fachärzt:in­nen und The­ra­peut:in­nen. Es gibt digitale Sprechstunden und eine telefonische Erreichbarkeit für den Notfall.

Während des Lockdowns haben sich einige Kol­le­g:in­nen auch in Präsenz um Kinder mit besonderem Bedarf gekümmert, in sogenannten Notgruppen in der Schule. Das war ein wichtiges Angebot, denn unsere psychosoziale Gesundheit spielt eine große Rolle beim Lernen. Es hat sich auch eine Methode entwickelt, die die Kol­le­g:in­nen „Walk and Talk“ nennen: Man trifft sich auf einen Spaziergang, um miteinander zu reden. Es gibt aber auch einige Kinder, denen es in Distanzbeschulung gelungen ist, verbesserte Leistungen zu zeigen, da die Reizarmut (weniger Ablenkung) ihnen zugute kam. Dies betraf durchaus auch junge Menschen mit sozialen Ängsten, Asperger Autismus oder ADHS.

Es ist entscheidend, Menschen darin zu begleiten, gute Wege im Umgang mit Krisen zu finden. Dafür muss die Schulsozialarbeit intensiviert werden. Die Wertschätzung dieser Arbeit wird zwar politisch und gesellschaftlich bekundet, es fehlt aber an der Bereitschaft, sie ausreichend und angemessen zu finanzieren.

Wir stellen fest, dass es bundesweit nicht an allen Schulen unbefristete Stellen für Schul­so­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen gibt. Hilfesysteme dauerhaft zu installieren und nicht nur in einer akuten Krisensituation ist notwendig. In der Schulsozialarbeit bräuchte es eine Vollzeitstelle pro einhundertfünfzig Schüler:innen, um diese Aufgabe zu erfüllen. Stattdessen arbeiten viele Kol­le­g:in­nen befristet und sind gleichzeitig für mehr als eine Schule verantwortlich. Hier benötigt es Qualitätsstandards in der Schulsozialarbeit. Protokoll: Ruth Fuentes

„Meine Generation braucht diese Zeit“

Pauline, 18 Jahre, lebt in Kaiserslautern.

Irgendwann ging es nicht mehr. Ich stand vor der Tür der Kinder- und Jugendpsychiatrie, anders wusste ich mir nicht mehr zu helfen. Seit meiner Geburt habe ich ADHS, irgendwann kam noch eine Borderline-Persönlichkeitsstörung hinzu, auch Depressionen. In meinen Therapien habe ich gelernt, mit der Krankheit zu leben, Strategien erarbeitet, mit der Krankheit im Alltag umzugehen. Ich habe gelernt, dass Routinen das Wichtigste für mich sind. Feste Strukturen.

Dann kam der Lockdown und nichts war mehr, wie es war. Alle Routinen fielen weg. Ich saß zu Hause vor meinem Laptop, es war ein einziger Ausnahmezustand. Ich musste mich selbst strukturieren, mir die Arbeit selbst einteilen. Ich konnte meine Freun­d:in­nen nicht mehr sehen.

Seit ich 16 bin, wohne ich allein. Meine Eltern zahlen mir Unterhalt. Das reicht gerade so für Miete und Essen. Für den Rest gehe ich eigentlich abends kellnern. Mit dem Lockdown änderte sich das: Ich konnte nicht mehr arbeiten gehen, hatte also auch kein Geld mehr. Ich hatte kaum Kontakt zu Freun­d:in­nen und meine Familie wollte ich nicht belasten, die hatte genug eigene Probleme. Meine Mutter erzieht meine kleine Schwester allein.

Die nächtliche Szene wirkt wie eine Filmkulisse Foto: Christoph Busse

Ich hatte nicht mal Geld für WLAN. Und ohne Internet im Lockdown zu Hause sitzen – was will man da groß machen? Ich habe mir morgens einen Kaffee gekocht, mich – wenn die mobilen Daten gereicht haben – vor den Online-Unterricht gesetzt. Ich habe meine Aufgaben gemacht. Dann ging ich einkaufen. Dann saß ich rum.

Ich konnte nichts streamen. Oft konnte ich nicht mal den Unterricht verfolgen. Die Leh­re­r:in­nen wussten, dass ich alleine wohne. Sie kennen auch meine Diagnose. Sie wissen, dass ich nur stabil sein kann, wenn mir Struktur vorgegeben wird: Orte, an die ich gehen kann. Verabredungen, auf die ich mich freuen kann. Aber es hat sich niemand wirklich gekümmert. Auch nicht, wenn ich gesagt habe, dass ich kein Internet zu Hause habe. Oder wenn ich gesagt habe, dass ich nicht mitkomme. Und ich habe es oft gesagt. Irgendwann habe ich entschieden, die Klasse zu wiederholen. Was hätte ich auch sonst machen sollen?

Nachts lag ich oft wach. Immer öfter kamen die Gedanken: Wofür mache ich das überhaupt? Welchen Sinn hat das noch? Ich habe gemerkt, dass ich immer weiter in eine schwere Depression falle. Ich kenne das Gefühl. Wenn ich denke, den Boden zu verlieren. Die Suizidgedanken. Und irgendwann wusste ich: Es geht nicht mehr. Ich brauche Hilfe.

Insgesamt war ich acht Wochen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Ich brauchte die Routine. Das gemeinsame Essen, die Therapiestunden, einen festen Tagesplan. Das hat geholfen. Und die Klinik war voll. Mehr als voll. Pa­ti­en­t:in­nen haben auf dem Flur geschlafen. Oder in den Gruppenräumen. Anders konnten sie die vielen Krisenfälle nicht aufnehmen.

Nach der Klinik habe ich mich dazu entschieden, die elfte Klasse erneut zu wiederholen. Erst habe ich mich dafür geschämt. Zweimal wiederholen! Aber inzwischen denke ich: Diese zwei Jahre Pandemie waren die Hölle. Es fühlt sich an, als wäre in der ganzen Zeit nichts passiert. Wie ein leerer Raum. Als wäre ich an nichts gewachsen. Außer an mir selbst. Und das möchte ich nachholen. Ich brauche diese Zeit. Meine Generation braucht diese Zeit.

Alle wollen jetzt wieder was erleben. Aber unsere Gesellschaft ist eben nur darauf ausgelegt, schnell, produktiv und leistungsfähig zu sein. Kein Wunder, dass man daran früher oder später kaputtgeht.

Protokoll: Luisa Thomé

„Unruhe und Ungeduld im Unterricht“

Manuel Birke, Lehrer an einer reformpädagogischen Gemeinschaftsschule in Dresden:

Homeschooling und die Lockdowns haben definitiv Spuren bei den Schü­le­r:in­nen hinterlassen. Zusammengefasst würde ich sagen, dass ein behäbiges, konservatives Schulbild mit den dazugehörigen Werten entlarvt worden ist. Und das so auch schon vorher nicht mehr funktioniert hat. So waren viele Schulen bereits vor der Pandemie hochgradig digitalisiert, aber völlig an den Kindern vorbei. Und schon damals hatten sich viele Kinder zurückgezogen.

In der Pandemie passierte dann zunächst wochenlang gar nichts. Schulleitungen haben ewig gebraucht, um zu reagieren, Wochen vergingen, bis die Ansagen der Kultusministerien umgesetzt wurden. Die Schulen reagierten fast mürrisch. Alles stand still, dabei wäre es gar nicht schwer gewesen, den Schü­le­r:in­nen etwas anzubieten. Die technischen Möglichkeiten waren ja da, es wurde dafür gesorgt, dass jedes Kind ein Gerät mit nach Hause bekommt. Aber die meisten Lehrkräfte wollten einfach so schnell wie möglich wieder zum Altbewährten zurück und waren völlig hilflos.

Das Lehrmaterial war so unterirdisch langweilig, dass viele Kinder einfach irgendwann aufhörten, sich damit zu beschäftigen. So, wie die Aufgaben gestellt waren und in dem Maße, wie die Kinder damit förmlich zugeschüttet wurden, konnte das ohne Begleitung nicht funktionieren. Viele Kinder haben so den Anschluss verloren, von einigen habe ich monatelang nichts gehört.

Die Probleme, die während der Zeit der Schulschließungen auftauchten, spüre ich bis heute. Das Vertrauen in stabile Lernprozesse wurde erschüttert. Es fällt vielen schwer, eigene Lernprozesse anzugehen. Es gibt einige Kinder mit krisensicheren Elternhäusern, die sind vielleicht ganz okay durch die Zeit gekommen, aber ich würde sagen, dass das ein kleinerer Teil der Schü­le­r:in­nen ist.

Gerade haben die Kinder das Problem, dass ihnen immer gesagt wird: „Ihr müsstet eigentlich schon weiter sein.“ Das führt natürlich zu Druck, Überforderung und Unsicherheit. Im Unterricht äußert sich das dann in Unruhe und Ungeduld. Ich finde es schwierig, in diesen Klassen Unterricht zu machen.

Und was die Kinder auf jeden Fall auch mitbekommen haben: Diese krasse Polarisierung, diese Grabenkämpfe im Umgang mit Corona. Da gab es ja brutalste Konflikte, die auch vor Schulen nicht halt gemacht haben. Der Schutzraum, den Schule ja auch bietet, hat in dieser Hinsicht nicht funktioniert. Auch da wurde Vertrauen zerstört.

Protokoll: Annika Glunz

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24 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Wenn ich das in den Sand setze, habe ich mein Lebensprojekt versemmelt", excuse me wtf?!



    Was auch auffällig ist, ist dass viele hier beschriebene Jugendliche vorher schon eher ängstliche Persönlichkeiten waren. Warum hat man schon als junger Mensch Angst? Das kommt in den meisten Fällen nicht aus heiterem Himmel. Na ja, immerhin gibt jetzt mal Erwachsene, die sich drum kümmern. Auch wenn es bei manchen wahrscheinlich sehr spät ist. Man fragt sich manchmal, ob das vorher gar nicht passiert ist. Oder zu viel. Scheinbar gibt es zwischen Curling-Eltern und Vernachlässigern kaum noch Erziehungsstile. Aber ich vergaß: Gen-Zer sind ja alles nur Schneeflöckchen. /s

  • Ich weiß nicht, ob junge Menschen "besonders" an der Pandemie leiden, aber sie leiden auf kinder- und jugendspezifische Art und sie tun mir sehr Leid. Ich möchte aber doch anmerken, dass andere auch "besonders" leiden, Ich denke dabei an Bewohner:innen von Pflegeheimen, an behinderte oder chronisch kranke Menschen, die aus Angst die Wohnung nicht verlassen; und an all diejenigen, bei denen psychische Konstitutionen oder Probleme verstärkt wurden, wie z.B. Depressionen, Sozialphobien, Schüchternheit etc. Deshalb vielleicht weniger in Leidenshierarchien denken sondern die jeweils spezifische Situation betonen.

  • Interessant ist, dass 13% schon in nicht-Pandemie-Zeiten psychisch auffällig sind. Schon da sollten eigentlich Interventionen erfolgen.



    Etwa 70% sind gut durch die Lockdowns gekommen, was hat sie stark gemacht?



    Und was sind die wesentlichen Faktoren, dass die 14-16% nicht gut durchgekommen sind? Welche Altersgruppen, soziale Situation, etc.?

    Und noch eines, im Sommer wurde im Zuge der Impfgenehmigung ab 12 das Thema Long Covid aufgebracht. Sollte dies in der Tat ein wesentliches Problem sein, waren die Maßnahmen auch zum Schutz der Kinder.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ich habe zwei Pflegesöhne mit fast 20 und 15 Jahren. Beide extrem unterschiedlich - mit verschiedenen Herkunftsfamilien - beide auch in ihren Biographien sehr unterschiedlich... Der Große ist weitgehend unbeeindruckt, der Kleine hat große Schwierigkeiten mit Angststörungen, die vorher einigermaßen "unter Kontrolle" waren. Für den durchlaufen wir jetzt ein "Programm", um zu prüfen, welche Hilfen überhaupt in Frage kommen.

    Ich habe vor der Pandemie nicht viele soziale Kontakte gepflegt, aber die haben sich durch die Pandemie auch nicht verschlechtert. Dafür habe ich seit mittlerweile fast 2 Jahren keinen auskömmlichen Auftrag mehr bekommen.

    Meine Frau war durchgehend arbeiten - im Gesundheitswesen, da gibt es kein Home-Office.

    Alleine in diesem engsten Umfeld eines Haushaltes sind die Betroffenheitsgrade extrem unterschiedlich. Und es kostet fast genausoviel Energie, diese Unterschiedlichkeiten jeden Tag zu leben wie sich den Herausforderungen von Außen zu stellen.

    Ich mag mich an dem "Die Kinder haben niemanden interessiert!" oder "Die Kinder leiden!" nicht beteiligen. Die für die Kinder Zuständigen - in unserem Fall nicht nur Schulen, sondern auch Jugendamt und zusätzliche Pädagogen - haben alle ihr Bestes gegeben und ich halte die Schulschließungen nach wie vor für richtig und auch ein angemessenes und nützliches Mittel der Pandemiebekämpfung.

    Ich will aber nicht verkennen, dass nicht alle Familien die Ressourcen haben, auf die wir zurückgreifen können. Alleine schon das Leben in einem großen Haus auf dem Land macht Vieles einfacher.

    Es ist wie immer: An sich gut auszuhalten, solange das Leben nicht auf Kante genäht ist. Die Existenz der Vielen muss wieder Reserven bilden können: Einkommen, Wohnraum, Freizeit, Mental Load...

    Dann klappt's auch mit Corona und den Kindern.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      ich habe grad meinen sohn (13) gefragt,, was wir gemacht haben, das er ohne sichtbare probleme durch lockdown etc gekommen ist. er sagt: ihr habt einfach nichts gemacht, das war richtig.



      wuerde ich vll nicht so unterschreiben, aber ja: nach einer woche versuchtem home schooling, wo wir uns 3 mal am tag angeschrien haben, habe ich beschlossen, das ich keine lehrerin bin und keine polizei und er halt selber zusehn muss. das ging und wir waren alle besser gelaunt.

  • Ich lebe in einem der reichsten Länder der Welt und habe nie Krieg und Hunger erlebt. Deshalb kann ich nicht beurteilen, was Entbehrung wirklich bedeutet. Ich habe eher den Eindruck, dass ich viel zu oft auf hohem Niveau jammere über Missstände, die für Milliarden anderer Menschen Normalität sind. Früher genügte ein Gespräch mit meinen Großeltern, die Krieg und Entbehrung erlebt haben, um mich zu „erden“. Das fehlt.

  • Aus der Politik gab es zu Beginn der Pandemie den auf die Zukunft ausgerichteten Satz, der besagte, dass wir uns am Ende viel werden verzeihen müssen (Spahn). Seitdem war mehrfach "mit und ohne Anmedung" der Elefant im Raum die wahre Bezugsgröße und erfüllte somit eine neue Rollenzuschreibung in Analogie und Personalunion: Und täglich grüßt das Murmeltier. Fast egal, wen man fragt: Nähe, Berührung, Mimik, Beziehung vor Erziehung sind essenziell obligat. Kinder sind !keine kleinen Erwachsenen und brauchen spezielle Anwältin:innen und Therapeut:innen für ihre Belange. Familienpolitik und speziell Politik für die Kleinsten, vielleicht ist das aktuell realpolitisch höherwertig für unsere Zukunftsfähigkeit einzustufen als die Dauerbrenner der Lobbyisten in Sachen Subventionen und Steuervermeidung als Geschenk für Wähler:innen. Konservativ hat sich als wenig progressiv vielfach bewahrheitet. Die neue Regierung wird an der Uhr drehen müssen.

  • Die Mutter von Karla sagt bezüglich ihrer Tochter (vermutlich Einzelkind): "Wenn ich das mit Karla in den Sand setze, dann habe ich mein Lebensprojekt versemmelt." Vielleicht ist auch genau das das Problem: Projekt (Einzel-)Kind das - vielleicht auch unausgesprochene - Erwartungen erfüllen soll. Wenn die Eltern schon mal entspannter wären, würde es auch oft viel "entkrampfen".

    • @Friedrich567:

      Alle Kinder sollen Erwartungen der Eltern erfüllen, die einen mehr, die anderen weniger.



      Ihre herablassende Bezeichnung als "Projekt (Einzel)-Kind" ist vollkommen daneben.



      Wie viele Kinder haben Sie denn, ich habe zwei.

      • @Berlin:

        Tut mir leid aber ich muss Friedrich567 vollkommen recht geben. Ein Kind als Lebensprojekt zu bezeichnen, wie oben im Artikel, das ist vollkommen daneben. Dafür muss man keine Kinder haben, sondern einfach nur selbst Kind sein, und das sind wir alle.



        Wenn Sie Erwartungen an Ihre Kinder stellen, hoffe ich für Ihre Kinder, dass Sie damit irgendwie zurecht kommen.

        • @t-mos:

          Ich komme mit meinen Erwartungen und den Erfüllungen durch meine Kinder hervorragend zurecht.



          Ich spielte meiner damals sehr kleinen Tochter konsequent Hardrock vor, in der Hoffnung, sie würde daran Gefallen finden. Heute spielt sie in einem klassischen Orchester Bratsche. Das ist doch toll.

  • Kinder hat in dieser Pandemie doch niemanden interessiert.



    Auch jetzt, Bayern schenkt den Kita Betrieb ein, denen der Virus am wenigsten ausmacht, müssen die größte last tragen.

    • @Gretchen Müller:

      Diese Altersgruppe (0-14 Jahre) hat aber die höchste Ansteckungsrate und trägt damit massiv zur Ausbreitung bei.



      Sie müssen auch nicht "die größte Last tragen", gerade was den Unterricht und auch die Betreuung betrifft wird versucht, so weit wie möglich eine Öffnung aufrecht zu erhalten.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        Bitte beachten Sie bei Ihrer Angabe über die höchste Ansteckungsrate, dass die meisten in dieser Altersgruppe zu denen gehören, die am besten und regelmäßigsten im ganzen Land kontrolliert (getestet) werden. Damit ist das keine Überraschung. Es bedeutet nicht, dass sie die meisten Infektionen haben, sondern dass bei ihnen die meisten festgestellt werden. Ich schätze, dass sich diese Zahlen sofort mit Einführung einer Testpflicht für Arbeitnehmer verändern würde. Es ist völlig unmöglich, den Kindern und Jugendlichen jetzt wieder den Buhmann zuzuschieben oder sie gar, wie jetzt in Bayern, einen Großteil wieder von sozialer Teilhabe auszusperren - obwohl sich die Stiko bei ihrer Impfempfehlung für 12 - 17-jährige ausdrücklich dagegen positioniert hat. Gretchen Müller hat sehr wohl recht, wenn sie sagt, dass Kinder in dieser Pandemie keinen interessieren. Auch in der Taz war der bayerische "Freizeit-Lockdown" keinen Artikel wert, sondern allenfalls eine kleine Randbemerkung.

        • @Evl:

          Auch die Arbeitnehmer werden bundesweit ebenso wie die Schüler regelmäßig getestet:



          www.bmas.de/DE/Cor...q-corona-asvo.html



          Also können die Infektionsraten durchaus verglichen werden.



          Niemand "schiebt jetzt wieder den Buhmann zu" es geht um Infektionseindämmung.

          • @Saccharomyces cerevisiae:

            Bitte lesen Sie Punkt 3.17 Ihres eingestellten Links - Arbeitgeber müssen zwar 2 Tests wöchentlich anbieten, Beschäftigte sind aber nicht verpflichtet, das Testangebot wahrzunehmen. Es gibt wohl ein paar Ausnahmen, aber bisher waren die Testungen für die allermeisten freiwillig



            Das heißt - Schüler müssen, Beschäftigte dürfen.



            In Bayern gibt es erst seit letzter Woche eine Testpflicht für ungeimpfte Arbeitnehmer. Wenn nächste Woche die Zahlen dieser Woche vorliegen, kann man also zumindest für Bayern sehen, ob sich die Inzidenz in den Altersgruppen verschiebt oder angleicht.

      • @Saccharomyces cerevisiae:

        Eben nicht, diese Gruppe wurde im ersten lockdown massiv eingeschränkt.



        Homeschooling war größtenteils eine Katastrophe etc.



        In der Disco darf ich ohne mundschutz tanzen in der Schule trotz negativem test muss die Maske weiter getragen werden.



        Finde den Fehler

        • @Gretchen Müller:

          Im ersten Lockdown wurden alle Bevölkerungsgruppen im gleichen Maße massiv eingeschränkt. nicht nur die Kinder.



          Das Homeschooling ist keine "Katastrophe" sondern die einzige Möglichkeit, den Schulbetrieb aufrecht zu halten.



          Dass Präsenzunterricht zu weitaus besseren Ergebnissen führt zeigt nur, um es einmal mit den Worten von Oliver Welke zu sagen, dass "Lehrer ja richtiggehend ein Beruf ist".



          Die meiner Ansicht nach falsche Entscheidung, dass 2G oder auch 3G Personen ohne Mundschutz in Clubs feiern dürfen ist ja gerade ein Entgegenkommen an die Generation unter 30. Also gerade die, um die es hier geht.



          Ich kann keinen "Fehler" finden, wo sehen Sie einen?

  • 3G
    34936 (Profil gelöscht)

    Ich habe seit dem letzten Coronaherbst auch Depressionen.



    Soziale Kontakte haben sich mindestens geviertelt.

    • @34936 (Profil gelöscht):

      Und wie alt sind Sie?

      • 3G
        34936 (Profil gelöscht)
        @Berlin:

        Ich bin kein Kind mehr, will damit zum Ausdruck bringen, dass das ein altersunabhängiges Phänomen bei den Coronaeinschränkungen ist.

  • Danke, toller und wichtiger Artikel. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass Kinder und Jugendliche extrem selten einen schweren Verlauf zu erwarten haben, ist erst richtig klar, welche Opfer hier gebracht wurden. Ich hoffe nicht noch einmal.

    • @Dr. McSchreck:

      Kinder und vor allem Jugendliche haben aber nicht selten die bekannten Folgeschäden, die sich unabhängig von der Schwere des primären Krankheitsverlaufs einstellen.

      Wieviele Minderjährige sind von Long Covid betroffen? Und warum wird in Deutschland so getan, als würden die nicht existieren?

      • @Ajuga:

        Na, dann doch Schul-/Kita-Schließungen? Es ist leider ein Dilemma, in dem eine mehr oder weniger schlechte Entscheidung zu treffen ist.



        Wo liegt der sinnvolle Trade-off?