Prozess wegen „Nazi“: Das andere N-Wort
In Syke steht jemand vor Gericht, weil er einen AfD-Politiker als „Nazi“ bezeichnet haben soll. Fakt oder Beleidigung?
1990 formulierte der Anwalt und Autor Mike Godwin, was dann als „Godwin’s Law“ Bekanntheit erlangte: Bei jeder Online-Diskussion ist es nur eine Frage der Zeit, bis irgendwer irgendwem einen Nazi-Vergleich um die Ohren haut. Wie gesagt: Als Godwin das formulierte, gab es weder Twitter noch Online-Kommentarspalten noch die AfD.
Ob Frank Magnitz sich gern mit Franz-Josef Strauß vergleicht? Oder doch noch eine wenig lieber mit John Wayne? In Syke beschäftigt sich am kommenden Dienstag jedenfalls das Amtsgericht mit dem Bremer AfD-Politiker; genauer damit, dass der als „Nazi“ bezeichnet worden sei – und das eine Beleidigung darstelle. Nach Auskunft der Verteidigung erkennt die anklagende Staatsanwaltschaft Verden sogar eine „Formalbeleidigung“, und das ist der Knackpunkt.
Darunter verstehen Jurist*innen nämlich eine Äußerung so schwerwiegend, so sehr die Ehre verletzend, dass nicht mal mehr die grundgesetzliche Meinungsfreiheit sie noch schützt. Dass Jurist*innen diese Konstruktion besonders gern bemühen, wenn es um Ihresgleichen geht, ja: um sie selbst: Das ist natürlich nur ein unbestätigtes Gerücht.
die Goldenen Ziotronen, „Flimmern“
Wegen dieser besonderen Schwere verlangt aber etwa das Bundesverfassungsgericht für den Vorwurf der Formalbeleidigungen – wie auch den der Schmähkritik – „strenge Maßstäbe anzuwenden“. Ob die Verdener Anklage das getan hat oder das Gericht sie vom Hof jagt, streng bildlich gesprochen? Müssen wir künftig Zurückhaltung üben, wenn wir über verurteilte Holocaustleugner sprechen – oder gleich über, ahem, Hitler?
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