Proteste in Frankreich: Es droht der Ausnahmezustand
Brennende Barrikaden und eingeschlagene Fensterscheiben: Die französische Politik ist nach den Protesten der „Gelbwesten“ in Paris schockiert.
Für die taz streamt Anett Selle (@anettselle) live aus Paris. Wie ist die Situation am Tag nach den zum Teil gewaltsamen Demonstrationen? Was denken die Pariser*innen über die Proteste der "Gelbwesten".
Am Samstag waren die Proteste der französischen „Gelbwesten“-Bewegung gegen die Politik von Präsident Emmanuel Macron in massive Gewalt umgeschlagen. In den Straßen von Paris errichteten Demonstranten Barrikaden, zündeten Autos an und warfen Fensterscheiben ein. Nach Behördenangaben vom Sonntag gab es 133 Verletzte und 412 Festnahmen. Unter den Verletzten seien 23 Polizisten. 378 der Festgenommenen seien weiterhin in Polizeigewahrsam. Regierungspolitiker zeigten sich schockiert vom Ausmaß der Gewalt.
Rauchschwaden von brennenden Barrikaden zogen durch die Pariser Innenstadt. An der Prachtstraße Avenue Foch rissen Demonstranten Sitzbänke aus ihrer Verankerung und errichteten daraus Blockaden. Am Tuilerien-Park stürzten Randalierer eines der schweren Eisentore um, das dann mehrere Menschen unter sich begrub. Dabei wurde ein Mensch nach Behördenangaben schwer verletzt. Demonstranten besprühten den Arc de Triomphe mit Parolen wie „Triumph der Gelbwesten“ und „Macron, tritt zurück!“
Die Ausschreitungen begannen, als Demonstranten am Nachmittag versuchten, in der Nähe des Arc de Triomphe eine Polizeisperre zu durchbrechen und auf die Champs-Èlysées zu gelangen. Die Ordnungskräfte trieben die Demonstranten unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern auseinander. Gewalttätige Kundgebungsteilnehmer bewarfen die Beamten mit Steinen und setzten Autos in Brand. Rund 5.000 Polizisten waren im Einsatz.
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Am Abend beruhigte sich die Lage wieder, wie Innenminister Christophe Castaner im Sender TF 1 sagte. Die Ausschreitungen seien von „professionellen Unruhestiftern“ geplant und ausgeführt worden, klage er.
Reise zum Klimagipfel abgesagt
Präsident Macron übte scharfe Kritik an den gewalttätigen Kundgebungsteilnehmern. „Ich werde niemals Gewalt akzeptieren“, sagte er bei einem Besuch in Buenos Aires. „Kein Anliegen rechtfertigt den Angriff auf Staatsvertreter, die Plünderung von Geschäften, die Bedrohung von Passanten und Journalisten und die Besudelung des Arc du Triomphe.“
Wegen der Ausschreitungen sagte Premierminister Edouard Philippe seine Reise zum Klimagipfel nach Polen ab. Philippe werde in Frankreich bleiben und nicht wie geplant am Sonntag und Montag an den Gipfelberatungen in Kattowitz teilnehmen, teilte sein Büro mit.
Der Premierminister sprach von einem „selten erreichten Ausmaß der Gewalt“. Die Demonstranten hätten „Symbole Frankreichs in Frage gestellt“, den „Arc de Triomphe mit Graffiti besprüht“ und „rund um das Grab des unbekannten Soldaten eine gewalttätige Demonstration“ organisiert. Dies sei „schockierend“.
Die Zahl der Demonstranten betrug nach Angaben des Innenministeriums am Nachmittag landesweit geschätzt 75.000. Davor war von 5.500 Demonstranten auf den Champs-Elysées in Paris die Rede gewesen. Die „Gelbwesten“-Bewegung hatte über die Online-Netzwerke für Samstag unter anderem zu Straßenblockaden in Paris aufgerufen.
Opposition attackiert Regierung
Es war der dritte nationale Aktionstag an einem Samstag in Folge, wobei die Teilnehmerzahl stetig sank. Am 17. November beteiligten sich nach Angaben des Innenministeriums 282.000 Menschen an den landesweiten Protesten, am 24. November waren es demnach 106.000, davon 8.000 in der Hauptstadt. Damals hatte es 103 Festnahmen gegeben.
Die „Gelbwesten“ fordern unter anderem Steuersenkungen sowie eine Anhebung von Mindestlöhnen und Renten. Präsident Macron hat zugesagt, die umstrittene Ökosteuer auf Diesel an den Kraftstoffpreis anzupassen. Das geht den Aktivisten aber nicht weit genug.
Mehrere Oppositionspolitiker warfen der Regierung vor, die Gewalt eskalieren zu lassen, um die „Gelbwesten“ zu diskreditieren. Der Rechtsnationalist Nicolas Dupont-Aignan forderte den Rücktritt von Innenminister Castaner. Der Linksparteichef Jean-Luc Mélenchon kritisierte die Regierung „übermäßige Gewaltanwendung gegen friedliche Demonstranten“ vor.
Die Partei von Macron wählte derweil dessen Vertrauten Stanislas Guerini mit großer Mehrheit zu ihrem neuen Vorsitzenden. Der 36-jährige Abgeordnete von La République en Marche (LREM, Die Republik in Bewegung) hatte Macrons Bewegung En Marche! mit gegründet, die sich später umbenannte. Sein Vorgänger im Amt des Parteivorsitzenden war Castaner.
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