Proteste in Frankreich: Und wieder knallt es in Paris
Die „Gelbwesten“ sind abermals in Paris unterwegs. Über 100 Demonstranten wurden nach Auseinandersetzungen mit der Polizei festgenommen.
Besonders heftig waren die Ausschreitungen am Vormittag am Triumphbogen an der Spitze der Champs-Élysées. Die Demonstranten versuchten immer wieder, Absperrungen zu durchbrechen, die Polizei ging mit Wasserwerfen und Tränengas gegen sie vor. Rund 1.500 „Unruhestifter“ hätten sich am Samstagvormittag Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert, teilte der französische Innenminister Christophe Castaner mit. 65 Menschen wurden verletzt, darunter elf Polizisten.
Die Bewegung der „Gelbwesten“ hatte ihre Proteste gegen die Politik von Staatschef Emmanuel Macron am Samstagvormittag in Paris fortgesetzt. Sie demonstrieren gegen die Erhöhung der Treibstoffabgaben und die hohe Steuerlast für Bürger.
Aus Angst vor gewaltsamen Ausschreitungen wie vor einer Woche führen die Behörden dieses Mal schärfere Kontrollen durch. Bei allen Zugängen zur Champs-Elysées werden Fußgänger durchsucht. Da eine Kundgebung auf der breiten Geschäftsstraße zwischen dem Triumphbogen oder der Concorde nicht bewilligt wurde, werden auch Transparente und ähnliches Demonstrationsmaterial beschlagnahmt. Das gilt nicht für die gelben Warnwesten, das gemeinsame Erkennungssymbol der Bewegung.
Im Verlauf der Woche hatte François de Rugy, der Energie- und Umweltminister, auf Wunsch von Staatspräsident Emmanuel Macron eine Delegation der „Gilets jaunes“ empfangen. Weil dieser erste Kontakt, die von einem der Teilnehmer heimlich gefilmt und per Internet publiziert wurden, nichts brachte, hat am Freitag auch Premierminister Philippe einen Verhandlungsversuch gestartet. Er hatte ebenfalls keinen Erfolg. Nur ein Teil der insgesamt acht am letzten Montag ernannten Repräsentanten der Bewegung erschienen im Regierungspalast, einer verließ das Treffen schon wenig später aus Protest.
Das Problem für die Staatsführung, die an ihrer Energiepolitik festhalten will, besteht darin, dass sie mit einer unberechenbaren Bewegung konfrontiert ist, wie man sie in der jüngeren Gegenwart nicht kannte. Diese Revolte in Gelb erinnert an Bauernaufstände oder Steuerrevolten zur Zeit der Monarchie. Die „Gilets jaunes“ ließen sich bisher weder mit Zugeständnissen schwächen noch spalten. Statt dessen haben sie mit einer langen Liste von Forderungen die Staatsführung unter Druck gesetzt.
Sie verlangen mittlerweile eine deutliche Erhöhung der Mindestlöhne und der Altersrenten, eine bessere Integration der Immigranten, eine Rückverstaatlichung der privatisierten Energiekonzerne, mehr Mittel für die Polizei und die Justiz, nicht mehr als 25 Schüler pro Klasse und ein Initiativ- und Referendumsrecht zur Schaffung einer echten Mitsprache des Volks.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt