piwik no script img

Proteste gegen Hunger in GazaViel Krach gegen „Gila & Nancy“

Das israelische Restaurant hat wohl erneut die Eröffnung verschoben. Ak­ti­vis­t:in­nen werfen dem Besitzer Beihilfe zu Israels Hungerblockade vor.

Protest vor dem Restaurant Gila & Nancy Foto: Timm Kühn

Berlin taz | Die Eröffnung des israelischen Restaurants Gila & Nancy in Mitte wurde zum zweiten Mal verschoben. Das berichtet die israelische Zeitung Ha’aretz unter Verweis auf De­moor­ga­ni­sa­to­r:in­nen. Am Mittwoch hatten sich mehrere Dutzend Protestierende vor dem Laden des Unternehmers Shahar Segal versammelt, dem die Ak­ti­vis­t:in­nen seine kurzzeitige Sprecherrolle für die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) vorwerfen, die in Gaza derzeit die Ausgabe von Lebensmitteln kontrolliert.

Aufgerufen hatten primär jüdisch-antizionistische Gruppen. Lautstark hämmerten die Teil­neh­me­r:in­nen auf leere Kochtöpfe, um auf Israels Aushungern des Gazastreifens aufmerksam zu machen. Auf Plakaten stand „Stop feeding Genocide“.

„Shahar Segal, wir haben kein Problem mit dir, weil du Jude bist. Auch nicht, weil du Israeli bist. Es geht um deine Rolle als Sprecher GHF“, sagte ein Redner, der nach eigenen Angaben in Israel aufgewachsen ist. Und weiter: „Es macht keinen Unterschied, wie der Hummus hier schmeckt, das Essen wird aus verhungernden Kindern in Gaza bestehen.“

Im Zuge der Nahrungsausgabe der GHF sind laut UN allein bis Ende Juli bereits fast 1.400 Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen getötet wurden, davon 850 an GHF-Ausgabestellen. Menschenrechtsorganisationen werfen Israel auch deshalb vor, humanitäre Hilfe als Kriegswaffe zu nutzen. Ha’aretz hatte von Schießbefehlen gegen hilfesuchende Menschen berichtet.

Kritik auch an Pinkwashing

Segal hat seine Arbeit für die GHF immer wieder verteidigt und in Zweifel gezogen, dass Israel für den Hunger in Gaza verantwortlich ist. Stattdessen suggerierte er, es könne sich auch um Hamas-Propaganda handeln. Im Januar 2024, vor seiner Tätigkeit für die GHF, beschrieb er seine Rolle in einem Interview als die eines „Propagandisten“ für die israelische Armee.

Der Protest richtete sich auch gegen das „Pinkwashing“, das das sich queerfreundlich positionierende Restaurant laut den Ak­ti­vis­t:in­nen betreibe. Tatsächlich ist der Name des Restaurants eine Anspielung auf die Trans­ak­ti­vis­t:in­nen Gila Goldstein und Nancy Nangeroni. Die Protestierenden kritisieren, dass die queere Bewegung so für eine israelische Imagekampagne instrumentalisiert werde. Bei der Kundgebung wurde eine Dragshow aufgeführt.

Bereits Mitte Juli hatte das Restaurant angekündigt, wegen der Proteste die Eröffnung vorerst zu verschieben. In einem Statement hatte sich das Restaurant auch für ein Ende des Krieges ausgesprochen. Zahlreiche Medien berichteten daraufhin, ein israelisches Restaurant habe wegen Protesten von „Israel-Hassern“ nicht eröffnen können. Bis Redaktionsschluss war das Restaurant nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • „Es macht keinen Unterschied, wie der Hummus hier schmeckt, das Essen wird aus verhungernden Kindern in Gaza bestehen.“

    Ist das nicht etwas geschmacklos?

    • @BrendanB:

      Schockieren soll es bestimmt, eben durch Geschmacklosigkeiten.

      Andererseits entspricht es auch dem anrisemitischen Narrativ des Kinderblut trinkenden Juden.

      Aber natürlich ist das hier überhaupt nicht antisemitisch.

      Eine derartige Metaphorik ist ja auch in anderen Kontexten üblich, oder nicht?

    • @BrendanB:

      Sie meinen also, "stirb leiser" wäre eher ein Ausdruck guten Geschmacks? Aber das ist sehr deutsch: man empört sich nicht über Verbrechen, sondern darüber, auf diese hingewiesen zu werden. Fast bin ich geneigt, hier Rosa Luxemburg zu zitieren...

    • @BrendanB:

      Diese Formulierung fand ich auch unpassend und verstörend

    • @BrendanB:

      Es wäre ein weites Feld. Ich habe in einer christlich-religiösen Familie als Gast einmal erlebt, wie statt eines förmlichen Betens vor dem Essen an die Hungernden auf der Welt gedacht wurde.

      Ohne sein Herz etwas zu verschließen, wird man in dieser heutigen Welt kaum leben können, wie schon der Gute Mensch von Sezuan aufspießte.



      Es freilich ganz zu verschließen würde uns aber unserer geistigen Nahrung selbst berauben. Und der nötigen Wut auf z.B. Hunger Games, die Handeln unterstützt.

      Nach dem Generellen das Konkrete: Meine Formulierung wäre das nicht. Auch "geschmacklos" in diesem Kontext wäre meine Formulierung nicht, das hat ein Geschmäckle.

  • Ein Punkt, der in diesem interessanten Artikel fehl. Die Tätigkeit für GHF ist für viele auch finanziell sehr interessant, so war es bei Boston Consulting, und auch bei vielen anderen.(www.washingtonpost.../21/gaza-aid-ghf/; Haaretz 30.6., Israeli Firms Partaking in Gaza Aid Venture Weigh Revenue Hopes Against Funding Concerns). Der Skandal ist nicht nur moralisch, sondern eventuell auch finanziell.

  • Ich danke dem Artikel, dass er meine Fragen jeweils gleich beantwortete: Wurde Israel und Jude wieder einmal verwechselt? Nein. Gibt es wirklich jemanden, der außerhalb von Netanyahus Kabinett dieses dysfunktionale bis offen tödliche Vorführen von Menschen sogar gutheißt? Ja, uff, wirklich?



    War das einmalig? Nein.



    Ich verstehe diese Proteste, was ich zu Beginn des Artikels nicht tat.

    • @Janix:

      Merkwürdig. Timm Kühn von der TAZ erwähnt im Gegensatz zu diversen anderen Artikeln deutscher Zeitungen nicht, dass am Ende der Kundgebung mehrere Aktivisten vier Frauen beleidigt und bedroht haben, weil diese hebräisch sprachen. Wurde Israel und Jude wieder einmal verwechselt? Ja, wie so oft bei diesen Aktivisten.

      Und weil das natürlich schlechte PR ist sucht man schnell selbst die Opferrolle und behauptet, man sei zuerst beleidigt worden. Hass streuen und sich als Opfer stilisieren. War das einmalig? Nein. Glück für die Frauen, dass es zwei Augenzeugen gab, die es etwas anders sehen als die „Aktivisten“.

    • @Janix:

      Eine genauere Analyse der aufgerufen Habenden könnte Überraschendes zutage fördern.

      Und was ist erreicht? Stirbt ein Kind weniger? Oder eine Geisel?

      • @BrendanB:

        ‚Eine genauere Analyse der aufgerufen Habenden könnte Überraschendes zutage fördern.‘

        Könnte, könnte, Fahrradkette.



        Haben Sie einen konkreten Verdacht?

    • @Janix:

      Tatsächlich geht es mir genau wie Ihnen. Ich stehe dieser Art von Protesten kritisch gegenüber, habe grundsätzlich keine Einwände gegen die Eröffnung eines israelischen Restaurants.

      Erst durch den Artikel sowie die Hintergrundinformationen ist mir klar geworden, worum es den Protestierenden in diesem Fall geht.

      Leider erleben wir immer öfter aufgrund von Schlagzeilen reflexhafte Reaktionen mit plakativen Einordnungen in "Israel-Hasser". Seit dem Beschluss der Bundesregierung für einen tw. Waffenstopp aufgrund Netanjahus militärischem Vorgehen sind die Reaktionen noch emotionaler.

      Bleibt abzuwarten wie die Stellungnahme der Restaurantbetreiber ausfällt.

    • @Janix:

      Ich fände es gut, wenn auch das Fehlverhalten der gegnerischen Kriegspartei hervorgeholt und beleuchtet werden würde, was aber nicht erwünscht zu sein scheint. So ist das mir persönlich zu einseitig, wenn auch erwartbar.

      taz.de/Aufnahmen-v...f-am-710/!6107134/

      • @*Sabine*:

        Darum geht es hier gar nicht. Sondern um das Verhalten des Inhabers des Restaurants.

      • @*Sabine*:

        Bei denen wird sogar auf das Copyright geachtet ihrer Folter- und Vergewaltigungsvideos geachtet. Streng nach Recht und Gesetz

      • @*Sabine*:

        Danke für den Link; eigentlich schade, dass der Artikel (noch?) nicht kommentiert werden kann.

        Aber Sie bewerten das schon richtig (‚ … das Fehlverhalten der gegnerischen Kriegspartei hervorgeholt‘), ziehen aber meiner Meinung nach den falschen Schluss (‚ persönlich zu einseitig‘).

        Die abscheulichen Taten der Täter vom 7/10 werden, wie Sie schon schreiben, hervorgeholt. So verdammenswert all diese Verbrechen (Mord, Verstümmelungen, Vergewaltigungen usw) sind, es sind genau diese bereits bekannten Taten des 7/10, die den Krieg in Gaza ausgelöst haben. Schlimm, aber - weil seither unzählige Male medial aufbereitet - allseits bekannt. Während die Entstehung der GHF, die Hungersnot in Gaza und die zynischen Hunger Games, bei denen allein nun über 1.000 Menschen gestorben sind, nur eine Folge des 7/10 und daher relativ gesehen ‚Neuigkeiten’ sind. Und die Tatsache, dass der Restaurantbetreiber Spokesman der GHF ist, ist offenbar erst seit kurzem bekannt, also noch mehr ‚News‘. Insofern kann ich den von ihnen verlangten Konnex im besten Fall nicht erkennen und halte es im schlechten Fall für Relativierung.

      • @*Sabine*:

        Sobald jemand, der für die Hamas Propaganda gemacht hat, ein Restaurant eröffnen will, wird man in diesem Zusammenhang sicher auch über die Gegenseite berichten.



        Mich persönlich hätte aber vielmehr ein Statement des Betreibers interessiert.

      • @*Sabine*:

        1. ist mir nicht ganz klar, was das Canceln eines Films in Kanada mit den Demonstrationen gegen ein Restaurant in Berlin zu tun hat.



        2. leugnen Sie einmal mehr die Verbrechen, die u. a. mit Hilfe der GHF im Gazastreifen stattfinden.



        3. verweise ich auf den Artikel „Das Lexikon der Brutalität“ vom 4.8. in der taz

      • @*Sabine*:

        Sabine, verwandtes, nicht selbes Thema. Das Material ist von der Hamas selbst öffentlich gemacht worden, somit hätte man das zeigen können (ich probiere Terrorvideos von wem auch immer gar nicht erst zu schauen, doch jede und jeder soll sich auch damit informieren können, meine ich).



        Sollte ein hartnäckiger, sagen wir, Juden-Erniedrigungs-Gutheißer einen Imbiss öffnen, müsste der sich auch eine Demo gefallen lassen, wenn Sie das jetzt hören wollen. Universal.



        Nebenpunkt: Mir fällt als positives Beispiel gerade der freundliche wie leckere "syrische" Imbiss ein (wahrscheinlich alles inzwischen Deutsche), der eine Sure irgendwo hängen und zugleich einen "Schalom"-Teller auf der Karte hat.