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Protest gegen saudischen ÖlkonzernMittelfinger für den Frauenfußball

Alina Schwermer
Kommentar von Alina Schwermer

Über hundert Profispielerinnen protestieren gegen einen Fifa-Deal mit Ölkonzern Saudi Aramco. Ihr Protest zeigt, wie Diversität den Sport verändert.

Ein Mittelfinger für Menscherechte, Gleichberechtigung und Klimaschutz in der Wüste nahe Riad, Saudi-Arabien Foto: Ali Haider/epa

V ielleicht haben sich Gianni Infantino und seine korrupte Fifa ihr Geschäft einmal so vorgestellt: Oh, dieser Fußball für Frauen und sonstige Randgruppen wirft jetzt Geld ab. Und seit der richtige Fußball, also der Männerfußball, fast bis zum Exitus verscherbelt ist, retten uns die Frauen vielleicht sogar das Business. Noch mal Wachstum, die neuen Sponsoren (Kosmetik!) und PR mit diesem Dings, wie heißt es, Diversity. Und wie dankbar sie sein werden, die Frauen. In Teilen hat dieser Plan prächtig funktioniert, etwa bei der letzten WM mit Rekordpublikum, Rekord-TV-Quoten und einem erstmaligen finanziellen Plus. Aber wer die Türen des Sports öffnet und zähneknirschend-lächelnd andere Menschen zum Tisch lädt, der verändert auch die Tischgesellschaft. Und die schafft den Sport.

Es sind denkwürdige Worte, die 106 Profifußballerinnen aus 24 Ländern in einem offenen Brief an die Fifa richten. Die zeige „dem Frauenfußball den Mittelfinger“, ja, könne „genauso gut Öl auf den Platz gießen und ihn in Flammen aufgehen lassen“. Der Anlass: Der staatliche saudische Ölriese Saudi Aramco soll unter anderem die Männer-WM 2026 und die Frauen-WM 2027 sponsern. Für die unterzeichnenden Spielerinnen ein „Alptraum“: wegen der saudischen Inhaftierung von Frauenrechtlerinnen, Kriminalisierung von LGBTQ+ und der Rolle von Saudi Aramco in der Klimakatastrophe. „Diese Entscheidungen wurden von Männern getroffen, die privilegiert genug sind, um nicht bedroht zu sein.“ Neben dem Ende des Deals fordern sie ein neues Komitee auch mit Spielerinnen, das Sponsoringdeals prüfen soll.

Im Grunde ist dieser Brief eine Revolutionserklärung. Dass nämlich Fußballerinnen derart international gegen einen Sponsor protestieren, ist ein Novum. Zwar gab es schon 2023 erfolgreiche Proteste gegen ein Sponsoring der saudischen Tourismusbehörde ­Visit Saudi vor der Frauen-WM. Damals jedoch vor allem von den Gastgebern. Was nun passiert, ist auch ein Erbe der von Fans getragenen Katar-Proteste. Mit der Niederländerin Vivianne Miedema, Ex-US-Kapitänin Becky Sauerbrunn und Kanadas Kapitänin Jessie Fleming haben durchaus prominente Namen unterzeichnet. Und der Widerstand dieser sportlich erfolgreichen, marken- und selbstbewussten Generation könnte langfristig Werbung im Fußball verändern.

Bemerkenswert breite Kritik

Bemerkenswert ist, wie breit sich die Kritik aufstellt. Es geht nicht nur um direkte eigene Betroffenheit bei Frauenrechten und LGBTQ+, sondern auch etwa um die Auswirkungen der Klimakrise auf den Breitensport – ein Argument, das unter Profis bisher kaum eine Rolle spielte. Wieder einmal erweist sich, dass Spielerinnen näher an gesellschaftlichen Diskursen dran sind als Jungs, die ihr Leben lang nur gekickt haben. Und die grunddemokratische Forderung, mitzuentscheiden, für wen man wirbt, ist ganz groß. Allerdings ist auch interessant, was dieses Schreiben nicht kann. Auffällig ist, dass dann doch fast alle großen Namen fehlen. Die Kernmärkte England, Frankreich, Spanien und Deutschland sind kaum vertreten, aus Deutschland ist nur Nationalspielerin Paulina Krumbiegel dabei. Da will sich offenbar doch manche ihre Karriereoptionen nicht verbauen. Mit Sara Björk Gunnarsdóttir wechselte jüngst die erste prominente Europäerin nach Saudi-Arabien.

Die Mehrzahl der Unterzeichnenden stammt nicht zufällig aus den relativ gleichberechtigten Märkten Skandinavien, Nordamerika und Australien. Echte Globalität kann der Protestbrief nicht für sich in Anspruch nehmen. Gerade arabische Fußballerinnen fehlen auffällig. Der sehr weiße, selektive und privilegierte Blick bleibt ein chronisches Problem der Bewegung gegen die Golfstaaten. Das dürfte man auch im Globalen Süden so wahrnehmen.

Opfer sind nicht gleich viel wert

Kritik an saudischen Menschenrechtsverletzungen geht leicht von der Hand; an den Menschenrechtsverletzungen von westlich-demokratischen Gastgebern oder deren Sponsoren stört man sich wenig. Dass die Spielerinnen im Brief etwa die WM in Australien als „neuen Standard für Inklusivität und Nachhaltigkeit“ feiern, ist fast schon bizarr. Ein Turnier, bei dem wie verrückt geflogen wurde, zu Gast beim weltweiten Kohleexporteur Nummer eins, der schmutzige Industrien protegiert wie sonst nur Golfstaaten, in seinen Gefängnissen systematisch Menschenrechte Indigener verletzt und eine der menschenfeindlichsten Anti-Migrations-Politiken der Welt betreibt. Nein, Opfer sind auch im Fußball nicht gleichwertig.

Es ist also durchaus angreifbar, was Spielerinnen da formulieren. Trotzdem ist der Brief ein echter Wendepunkt. Er belegt: Das Geschäftsmodell der Fifa ist nicht mehr unantastbar. Auch wenn dieser Protest vermutlich noch nicht den Deal zum Platzen bringt, die zivilgesellschaftliche Front wird breiter. Das ist wohl nicht die Art Fortschritt, die Infantino im Kopf hatte, als er die Tür zum großen Geldscheffeln einen Spalt öffnete. Es ist Fortschritt, der passiert, wenn Menschen durch diese Tür gehen. Wer glaubte, es würde sich nichts ändern, wenn man Frauen reinlässt, hat sich verrechnet.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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9 Kommentare

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  • Das Aufbegehren der SportlerInnen gegen die Kommerzialisierung ihrer eigenen Karriereplanung zeigt sich am stärksten, wenn sie mit VerbandsfunktionärInnen und werbender Wirtschaft (inkl. des ÖRR) an einem Strang ziehen und mehr Geld und Verfassungsrang fordern. Erinnert alles stark an andere Lobbyismus-im-Eigenintressse-Verbände: Das monistische WIR sind Wir! (Argumentative Nähe zur AfD und andere demokratischen Parteien nicht zufällig.) 'Die Familienunternehmer' fassen den liberalen Sozialdarwinismus in vier Worten zusammen:

    'Freiheit. Eigentum. Wettbewerb. Verantwortung.'

  • Ein offener Brief ändert jetzt was genau konkret an der Situation? Gegen Saudis und Katar wird im Männerfußbal seit Jahrzehnten vor allem von Fangruppen getrommelt ohne erkennbares Ergebnis. Diese Abfeiern von perfomativer Selbstbeweihräucherung ist inzwischen nur noch nervig. Ob es irgendwas bewirkt, ist scheinbar inzwischen völlig egal, hauptsache die Protagonisten hatten ihren Distinktionsgewinn?

    • @Šarru-kīnu:

      Nichts zu tun würde genau was an der Situation ändern?

  • Mich wundert, dass Megan Rapinoe nicht dabei ist.

  • Das wird Infantino keine schlaflosen Nächte bereiten. Spätestens wenn die Frage käme, "wollt ihr das Geld von Aramco oder verzichtet ihr darauf", würden auch die Frauenfußballfunktionäre und -funktionärinnen sich für das Geld entscheiden - und der weitaus größere Teil der Spielerinnen auch.

  • Das ist eine sehr optimistische Prognose, dass es durch den Aufstieg der Frauen zu Änderungen bei Sponsorenverträgen oder der Vergabe von Weltmeisterschaften kommt.

    Im Tennis (ein Sport, der deutlich weiter ist was Gleichberechtigung angeht) hat die Vereinigung der professionellen Tennisspielerinnen das wichtige Saisonabschlussturnier für die nächsten Jahre nach Riad in Saudi-Arabien vergeben. Der saudische Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) ist Namenssponsor der Weltrangliste der Frauen als Teil einer mehrjährigen Zusammenarbeit. Und in



    Doha, Dubai usw. wird schon seit vielen Jahren gespielt.

    Kritik von Seiten der Spielerinnen bleibt weitestgehend aus. Am Ende des Tages sagen auch die meisten Frauen nicht nein, wenn Millionen in den Sport und in ihre Taschen fließen.

  • Sind Frauen die besseren Menschen? Na klar. Meistens.



    An dem Beispiel sieht man aber auch, dass die Klimafrage oft als schmückendes Feigenblatt genommen wird. Es wäre wohl ehrlicher gewesen, wenn die Unterzeichnerinnen darauf verzichtet hätten. Gerade im US und australischen Fussball ist das Selbstbewusstsein der Frauen hoch und sie setzen sich offen für ihre Rechte ein - das hat sicher auch etwas mit der Diversität zu tun. Bleibt die Frage nach der Anzahl. Eine Massenbewegung scheint es nicht zu sein. Das wird Infantino aussitzen.

  • Greenpeace oder Peta werden wohl nie Profifussball sponsorn, die einfach Lösung ist, ganz auf Sponsoren zu verzichten und auf die Eintrittsgelder und Fernsehrechte setzen. Dann sieht man ja direkt welchen Stellenwert die eigene Sportart bei den Fans hat.

  • Habe mir den Artikel zwei Mal durchgelesen, kann aber keine Aussage darin finden. Wollen die Unterzeichnerinnen keine Finanzierung von Saudi-Arabien oder überhaupt keine Finanzierungen von Seiten irgendwelcher Öl-Konzerne, dann verzichtet doch einfach drauf und macht Fussball ohne Sponsoren, ganz einfach....Seltsame Statement aus der "Blase".