piwik no script img

Protest beim Sommerinterview mit WeidelEin Hoch auf den Zwischenruf

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die ARD empört sich über lauten Protest beim Sommerinterview mit AfD-Chefin Weidel. Sie sollte dankbar sein über die Beteiligung der Öffentlichkeit.

Lautstarker Protest auf der einen Seite der Spree, lautstark demagogisierende AfD-Chefin beim Sommerinterview auf der anderen Foto: Liesa Johannssen/reuters

M arkus Preiß ist sichtlich eingeschnappt. Der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios wollte am Sonntagabend mit AfD-Chefin Alice Weidel vor schöner Kulisse über die Lage der Republik parlieren. Auf der Freitreppe des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, die einen fantastischen Blick auf Spree, Reichstag und Berliner Tiergarten bietet.

Aber dann erdreisten sich auf der anderen Seite des Flusses doch tatsächlich Menschen, lautstark zu protestieren. Omas gegen Rechts mit Trillerpfeifen. Und das radikalaktivistische Zentrum für Politische Schönheit fährt mit seinem Lautsprecherbus „Adenauer SRP+“ vor, aus dem unüberhörbar zu fröhlicher Melodie ein herzhaftes „Scheiß AfD“ erklingt. Live übertragen in die Wohnzimmer daheim. Klar, das war platt. Aber so ist das doch bei volksnahen Mitschunkelsongs.

Später in der „Tagesschau“ erklärt Preiß zwar, dass es sich bei dem Gelände an der Spree um einen öffentlichen Ort handele, bei dem es auch Protest geben könne. Aber dies, so seine These, sei offenbar eine gezielte Aktion gewesen, um das Interview zu stören. Als wäre gezieltes politisches Handeln gegen Rechtsextremismus ein Skandal.

Was die ARD erwartet hat, erklärt eine Moderatorin vor einem anderen Beitrag über den Anti-Weidel-Krach: Das Sommerinterview sei die Gelegenheit, abseits des hektischen Berliner Politikbetriebes ganz in Ruhe den eigenen Standpunkt zu erklären, ohne laut zugespitzte Slogans. Das mag ja angehen bei Protagonisten wie Friedrich Merz, der eine Woche zuvor mit steilen Thesen aufzuregen wusste, der aber bei aller Kritik zweifelsohne Teil der demokratischen Gesellschaft ist.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Aber wie weltfremd ist es, sich ausgerechnet mit der Chefin des frisch vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften AfD an einen zum öffentlichen Disput auffordernden Ort zu setzen und darauf zu setzen, dass auf der andern Seite vielleicht mal jemand harmlos „Buh“ ruft – und ansonsten gepflegt die Klappe hält?

Die Freitreppe am Bundestagsgebäude gegenüber dem Reichstag wurde eben nicht nur als Kulissengeber für Politgeplänkel gebaut. Sie war von Architekt Stefan Braunfels Teil des Plans, ein öffentliches Haus zu gestalten. Als Verkörperung des von der einstigen Bundestagspräsidenten Rita Süßmuth erträumten gläsernern Parlaments. Und was anderes ist ein Parlament als ein Streitraum, ein Ort der ja gern auch lautstark geführten Debatte?

Gehört dazu aber ein mit starken Boxen ausgestatteter Bus, der offenbar nichts anderes will als stören? Ja, unbedingt. Denn es geht hier um den angemessen lautstarken Widerstand gegen eine Partei, die verboten gehört, weil sie die Grundpfeiler von Demokratie und Menschlichkeit schleifen will. Daran gemahnt der Bus schon mit seinem Namen „Adenauer SRP+“. Der erinnert an das erste Verbot einer rechtsextremen Partei im Jahr 1952 – zu Zeiten des CDU-Kanzlers Adenauer.

Die ARD sollte dankbar sein für die Beteiligung der engagierten Zu­schaue­r:in­nen auf der anderen Seite des Ufers, die das TV-Format ernst nehmen. Die aus der Simulation eines politischen Streits eine interaktive Debatte machen. Die dem „öffentlich“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Wert und Bedeutung geben. Und sei es nur mit einem fäkalplatten Slogan, der vielen Zu­schaue­r:in­nen daheim an den Geräten aus der Seele gesungen haben dürfte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz. 2000 bis 2005 stellvertretender Leiter der Berlin-Redaktion. 2005 bis 2011 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
Mehr zum Thema

25 Kommentare

 / 
  • Schauen wir uns mal das Ergebnis an. Während sich ohne die Aktion der "Künstler" nur eingefleischte AfD Fans für Weidels Geschwätz interessiert hätten, ist sie jetzt in aller Munde.



    Also eine gelungene PR Aktion für die AfD.



    Fazit : Bitte das nächste Mal vor der Aktion über die Folgen nachdenken.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Und, wird es deswegen auch nur eine Stimme mehr für die AfD geben oder fällt vielleicht dem ein oder anderen jetzt auf, was er da eigentlich gewählt hat? Meine Glaskugel ist defekt, daher fehlt mir die Antwort.

  • Das verwendete Lied ist der Andachtsjodler. Er kommt ursprünglich aus Südtirol und wird auch Rauhnachtsjodler genannt. In den Rauhnächten werden um Weihnachten herum im Alpenraum Haus und Hof ausgeräuchert um böse Geister zu vertreiben. So gesehen ist die Abänderung des „djo, djo i riii“ in den „fäkalplatten Song“ folgerichtig und eine ausgezeichnete Idee die bisweilen schlecht vorbereitete Moderation im Deutschen Fernsehen etwas auszugleichen.



    Wie wirklich gute Politiker-Interviews geführt werden können, kann man immer wieder in der Nachrichtensendung ZIB 2 des ORF sehen, wo z.B. Armin Wolf hartnäckig seine Fragen stellt und auch einem Herbert Kickl seine Grenzen aufgezeigt werden.

  • Politisch "schön" und dilettantisch, weil nicht angemeldet. Klarer Punkt für die AfD. Leider.

    • @Trabantus:

      Nach Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Dieses Grundrecht ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern, sich aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess zu beteiligen.



      Zur Sicherheit der Beteiligten gibt es die Regel, Demos unter freiem Himmel 48 Stunden vorher anzumelden.



      Etwas anderes gilt für Versammlungen, die sich aus aktuellem Anlass augenblicklich bilden. Bei solchen sogenannten Spontanversammlungen entfällt die Anmeldepflicht.



      Denn Art. 8 Abs. 1 GG schützt auch das Recht, sich spontan zu versammeln.

  • Zumindest dürfte die AfD dankbar für "die Beteiligung der Öffentlichkeit" sein.



    Welche Reichweite hätte das Interview denn ohne diese Aktion gehabt? Sicher nicht wie jetzt, in vielen Medien auf Seite eins.



    Und Frau Weidel erwähnt natürlich mal wieder die ach so bösen NGOs, diesmal können die Zuschauenden diese NGOs allerdings live im Hintergrund erleben.



    Die Fans dieses Vorgehens fanden das auch vorher schon gut, also kein Gewinn. Aber Menschen, die Weidels Aussagen von NGO-Einflussnahme etc. bisher eher etwas ungläubig gegenüber standen, dürften einen leichten Rechtsruck verpasst bekommen haben.



    Wenn man es nicht besser wüsste könnte man fast meinen, die AfD selbst hätte die Protestierenden bezahlt.

    • @Desdur Nahe:

      Unschlüssige, die in den öffentlich rechtlichen den Eindruck bekommen, die AfD wäre eine Partei wie jede andere, dürften aber auch den Eindruck bekommen haben, dass es eben doch noch nicht normal ist, Nazis zu wählen.



      Auch dies ist wichtig, um die Normalisierung dieser Partei nicht einfach hinzunehmen.

  • Habe das verpasst, danke an die Aktiven!

  • Wenn allen ernstes jemand glaubt, dass ein bisschen Protest von den „Omas gegen Rechts“ die AFD in deren Wahlerfolgen aufhält: Viel Glück dabei…

    Die Sommerinterviews sind eigentlich eine gute Gelegenheit, die AFD inhaltlich zu stellen, denn außer plumpen Populismus ist da nicht viel zu holen. NUN kann die AFD sich wieder in die Opferolle begeben und von den eigentlichen inhaltlichen Defiziten der eigenen Partei ablenken.

    Jede Partei hat Gegner in der Gesellschaft, die einen mehr, die anderen weniger. Aber in der parlamentarischen Demokratie gehört die Diskussion dazu, und bis die AFD verboten wird, sie eben auch. Jeder, der diese Art des Protests rechtfertigt muss dann genauso aushalten, dass irgendwelche rechten Spinner bei den Interviews der Grünen und Linken so laut protestieren bis diese u.U. letztendlich abgebrochen werden müssen. Da will ich dann genauso wenig Gemecker hören wie heute bei der AFD. Denn OBWOHL ich die AFD scheiße finde, ist mir eine inhaltliche Auseinandersetzung tausendmal lieber, als die Trillerpfeifen von Omas, die nichts, aber auch gar nichts ändern werden…

    • @MarsiFuckinMoto:

      Der Protest galt hier eben auch den Moderatoren der ARD, die es eben seit Jahren nicht schaffen, dem Populismus der AfD vernünftige Fragen gegenzuhalten.



      Das inhaltliche Stellen der AfD wird immer wieder als so wichtige Möglichkeit vorgehalten, um Demos zu verhindern, aber wenn niemand das inhaltliche Stellen übernimmt, sind sie kein Grund mehr, die Demos zu vertagen.

  • Im Gegensatz zum Autor bin ich nicht so sicher, dass Friedrich Merz so unumstößlich Teil der demokratischen Gesellschaft ist.

  • "Ein Hoch auf den Zwischenruf"



    Und ---



    L A U T !!!

  • Moin,



    ich fand den Protest einfach klasse! Frau Weidel verbreitet aus meiner Sicht eine Lüge nach der anderen bzw. differenziert nicht, nimmt die Realität ebenfalls aus meiner Sicht sehr gefiltert war. Manchmal erscheint es mir so, wie es ihr bzw. ihrer Argumentation passt. Sie muss einfach wissen, viele Menschen sind immer noch zum Glück keine AfD-WählerInnen. Ich hoffe sehr, es werden immer mehr, die sich gegen diese Partei entscheiden und die platte Argumentation nicht glauben.



    Ach ja, und die ARD und der Moderator sollten sich nicht so aufregen, mit Protest leben, den in ihre Sendungen einbauen ...

  • Erst einmal Hut ab vor der ARD, dass diese nicht mit Hilfe einer KI die akustischen Proteste ausgeblendet hat.

    Leider bekommt die AFD dadurch mal wieder mehr mediale Aufmerksamkeit als verdient.



    Denn jetzt nach den Schlagzeilen in der Bild etc., interessieren sich jetzt mehr Menschen dafür, als solche die sich bei schönem Wetter das Sommerinterview angetan hätten.

    Von daher bin ich ehrlich gespalten, obwohl mir die Aktion gut gefallen hat.

    • @weather2018:

      Das war keine bewusste Entscheidung. Der ARD fehlt schlicht die Technik hierzu.

  • Die Melodie des Liedguts ist der Andachtsjodler. Er stammt ursprünglich aus Südtirol und ist inzwischen im gesamten Alpenraum verbreitet. Er wird auch Rauhnachtsjodler genannt. In den Rauhnächten um die Weihnachtszeit versucht man damit die bösen Geister zu vertreiben. Insofern passt das Musikstück, auch mit dem vom „djo, djo i rü“ abgewandelten Text hervorragend, um die Unzulänglichkeiten durch mangelnde Vorbereitung, bei AfD Interviews so oft überforderten Moderatoren etwas auszugleichen.

  • Weidel soll mehrfach einfach dreist in die Kameras gelogen haben. Auch das darf nicht weiter einreißen.



    Ich bekomme immer mehr Sympathie für ein Verbotsverfahren, zumindest in gewissen Bundesländern, so bevölkerungsklein sie auch sein mögen.

  • In diesem "Kommentar" fehlt jetzt bloss noch der Hinweis oder die Berufung auf Art. 20, Abs. 4 des GG...

    So notwendig und sinnvoll es ist, jede auch nur ansatzweise anti-demokratische oder extremistische Partei oder deren Politiker bloss zu stellen - solche kindischen Aktionen (genauso Schmierereien an Parteibüros oder das Abreissen von Plakaten) bewirken doch AUSSCHLIESSLICH das Gegenteil!

  • Dramatisch ist, dass Journalisten bei der Dame nie auf konkrete Antworten pochen. Immer verbreitet sie die selbe inhaltsleere Dauerschleife. Lesen Sie unser Parteiprogramm! Dramatisch auch, dass diese Inhaltsleere dem Wahlvolk gefällt. Migration! Strompreise! Deutschlandkrise! Und, was tun? Wir werden, wissen Sie, unsere Wähler haben verstanden, nur Sie nicht. Die Sozialsysteme!

  • "Ganz in Ruhe den eigenen Standpunkt zu erklären" ist genau das, was man der AfD nicht zugestehen sollte, nutzt sie solch eine Plattform doch nur für weitere Hetze und Lügen.

    Herr Preiß und die ARD sollten den Demonstrierenden auf der anderen Seite der Spree dankbar für die lautstarke Intervention sein, da er selbst sichtlich nicht in der Lage war, sich gegen die wie gewöhnlich aggressiv-dreiste Interviewte durchzusetzen, die, anstatt seine Fragen zu beantworten, nur die von ihr zu erwartenden Fakes von sich gab.

  • Hier zeigt man sich dankbar über die Öffentlichkeitsarbeit, in Sachen Brosius-Gersdorf wird die Öffentlichkeitsarbeit engagierer Bürger negativ konnotiert.

  • Das Problem daran ist, dass dabei unterging, wenn es keine Antworten auf kritische Fragen gab. Außerdem hilft das der AfD, sich als Opfer zu inszenieren, was die Zustimmung der Anhänger nur weiter erhöht. Insofern halte ich solche Aktionen nicht für zielführend und schlechter durchdacht als manche Äußerung der AfD.

    Ich bin sicher nicht für die AfD, halte es aber für viel wichtiger, die Inhalte konkret herauszustellen, damit wirklich jeder weiß, wen man da wählt. Wer es dann trotzdem tut, tut das nicht aus Unwissenheit, sondern aus Zustimmung. Das mag man persönlich nicht verstehen, gehört aber mindestens so lange zur Demokratie dazu, wie eine Partei nicht verboten ist.

  • Das gesunde Deutsche Volksempfinden hat sich gegen die ausländische Volksfeindin Weidel erhoben! Das Deutsche Volk hat sich seine Demokratie zurück geholt.

  • Kein Medium, kein/e Journalist/in ist dazu verpflichtet, der sog. "AfD" eine Bühne zu geben. Jedes Interview macht sie leider nur normaler, und in den Augen Etlicher auch "staatstragender".



    Springen Sie nicht über jedes Stöckchen, das die Weidels Ihnen hinhalten!

  • Wer um alles in der Welt zwingt die ARD einer Faschistin eine Bühne zu geben.