Prognose zur Zahl der Ladenschließungen: Städte müssen sich verändern

Tausende Geschäfte werden wohl in diesem Jahr schließen. Doch die Innenstädte sterben deswegen nicht, vielmehr können sie sich verändern – zum Guten!

Eine Fussgängerzone

Die Krefelder Innenstadt in Zeiten der Coronakrise Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Ganze 9.000 Ladengeschäfte weniger – das ist die Prognose des Handelsverbandes Deutschland für dieses Jahr. Während der Pandemie waren die Schließungszahlen teilweise fünfstellig, aber der Lobbyverband schlägt dennoch laut Alarm: „Stirbt der Handel, stirbt die Stadt“, so der Verbandspräsident.

Nun: Nein, eine Stadt muss keineswegs sterben, wenn Geschäfte schließen. Vielmehr werden Innenstädte dann unattraktiv, wenn Handel – und auch Politik – hartnäckig ihre Augen vor den aktuellen und zukünftigen Entwicklungen verschließen und lieber daran glauben, dass es immer so weitergehen muss mit dem Konsum. Trotz Klimakrise, trotz Ressourcenknappheit, trotz Inflation, trotz Internet. Dabei ist das ganz klar nicht der Fall.

Man könnte sogar überlegen, ob das Konzept einer zentralen, konsumzentrierten Innenstadt nicht komplett obsolet sein müsste angesichts der Tatsache, dass die Wege dringend drastisch reduziert werden müssen. Die Idee der 15-Minuten-Stadt, bei der alles, was man zum alltäglichen Leben braucht, von Einkaufen über Schule bis zur Arztpraxis, innerhalb von 15 Minuten per Fuß oder Fahrrad erreichbar ist, gewinnt zunehmend an Popularität – von Paris bis Bogotá, von Wien bis Schanghai.

Wer um jeden Preis den Konsum retten will und weniger Bürokratie und eine Gründungsoffensive für den Handel fordert, verpasst damit eine wichtige Weichenstellung. Nämlich die zur Stadt der Zukunft. Wenn wir es ernst meinen mit der Langlebigkeit von Produkten, mit dem Reparieren statt Neukaufen, mit dem Reduzieren des Überkonsums, dann wird es ganz zwangsläufig weniger Läden geben müssen.

Die Fragen müssen daher vielmehr sein: Welche Art von Handel brauchen wir noch? Was können wir uns leisten als Gesellschaft angesichts der planetaren Grenzen? Wie sollte dieser Handel aussehen, welche Bedürfnisse er erfüllen, wo muss er angesiedelt sein, wie schaffen wir den Übergang? Dass in diesem Zusammenhang auch Raum frei wird für Alternativen zum Konsum, ist eher eine Chance. Nicht für den Kapitalismus, klar. Aber für die ­Gesellschaft.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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