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Probleme der „Tagesschau“Flaggschiff in Schieflage

Das Vertrauen der Deutschen in Medien sinkt. Die „Tagesschau“ ist Teil des Problems, will es aber nicht wahrhaben. Unser Autor hat dort gearbeitet.

Ein Bild, wie es viele kennen: Die „Tagesschau“, hier mit Susanne Daubner Foto: Hendrik Lüders/ndr

Berlin taz | Die „Tagesschau“ bleibt das Flaggschiff des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Auch 2024 schauten im Schnitt um 20 Uhr über 9,5 Millionen Menschen zu – das sind über 40 Prozent Marktanteil. Auf Youtube, Tiktok oder X steigerte die „Tagesschau“ ihre Followerzahlen bis zu 17 Prozent. Der Instagram-Kanal ist mit durchschnittlich fast 28 Millionen Interaktionen pro Monat der meistfrequentierte. Und so jubelt „Tagesschau“-Chefredakteur Marcus Bornheim: „Wir freuen uns, dass wir für alle Menschen in Deutschland die Nachrichtenmarke Nummer 1 sind.“

Aber bedeutet Interesse automatisch Zustimmung? Unzweifelhaft bestimmt die „Tagesschau“ den politischen Diskurs in Deutschland mit. Als politisch Interessierter kommt man nur schwer an ihr vorbei. NDR-Intendant Joachim Knuth hält das für einen „schönen Vertrauensbeweis“ der Zuschauer und lobt die „gleichbleibend hohe journalistische Qualität“ der „Tagesschau“.

Allerdings sinkt das Vertrauen der Deutschen in Medien. Zunehmend sind Menschen nachrichtenmüde oder meiden Nachrichten. Studien wie der „Reuters News Report“ belegen das. Die führende Nachrichtenquelle ist Teil des Pro­blems. Aus vielen Gesprächen weiß ich: Die Unzufriedenheit ist groß.

Genauso geht es etlichen Redakteuren der „Tagesschau“. Sie sehen die eigenen Produkte kritisch, hadern mit Arbeitsbedingungen und Strukturen. Nur sagen sie das nicht öffentlich. Sie wollen ihre gut bezahlten und sicheren Jobs nicht gefährden. Und haben Angst vor dem Beifall von der falschen Seite. Denn immer mehr Menschen wollen ARD & Co. nicht reformieren, sondern abschaffen. Das führt zu einer Wagenburgmentalität innerhalb des Systems. Und behindert notwendige Diskussionen.

Woher ich das weiß? Ich habe 21 Jahre für die ARD gearbeitet. Zuletzt sechs Jahre bei der „Tagesschau“. Hier einige Punkte, die mir dabei aufgefallen sind:

Terminjournalismus

Parteitage, Wahlen, Pressekonferenzen, Gipfeltreffen oder Bundestagssitzungen sind Klassiker der „Tagesschau“. Themen ohne Einladung finden dagegen oft nicht statt. So entgehen den Zuschauern wichtige gesellschaftliche Debatten. Glauben Sie nicht? Dann suchen Sie mal den Beitrag „Laschet lacht“ im Archiv. Den Wendepunkt im Kampf um die Kanzlerschaft 2021 hat die Redaktion leider verpennt. Auch einen „Tagesschau“-Beitrag über die Wahlkampfpannen der Grünen-Kandidatin Baerbock werden Sie nicht finden.

Gleiche Herkunft

Redakteure der „Tagesschau“ haben fast alle studiert und sind westdeutsch sozialisiert. Frauen sind nicht gleichberechtigt in den Leitungspositionen vertreten. Migranten, Ostdeutsche, Menschen mit Behinderung oder Kinder ärmerer Elternhäuser sind unterrepräsentiert. Dies wirkt sich auf die Auswahl der Themen aus. Genauso auf die Art, wie die Nachrichten erzählt werden.

Unbekannte Chefs

Die Chefredaktion hat nur einen begrenzten Einfluss auf das Programm. Das wird in erster Linie durch die Chefs vom Dienst bestimmt. Dieser Kreis von etwa zehn Redakteuren wird nach einem undurchsichtigen Verfahren bestimmt. Man kann sich nicht darauf bewerben. Während jeder Chefredakteur einer kleinen Regionalzeitung mit Gesicht und Namen für sein Produkt steht, bleiben die Entscheider der „Tagesschau“ ihren Zuschauern unbekannt und müssen sich nie öffentlich verantworten.

Regierungsnah

Vertreter der Regierung kommen in der „Tagesschau“ überproportional oft zu Wort. Nur ausnahmsweise werden ihre Aussagen eingeordnet. Sprecher der Opposition kommen selten zu Wort. Das belegen sowohl eine Studie der Uni Mainz als auch meine eigenen Auswertungen. So entsteht das Bild einer Sendung auf Regierungslinie. Dies hat auch mit dem Einfluss des ARD-Hauptstadtstudios zu tun. Manchmal bestücken dessen Redakteure ganze Sendungen. Sie pflegen enge Beziehungen zu Akteuren im politischen Berlin. Ihnen fehlt häufig die kritische Distanz.

Wetter statt Klima

Die Erderwärmung halten die „Tagesschau“-Macher für ausreichend berichtet. Man wolle nicht langweilen. Dafür werden gern Naturkatastrophen gesendet: Tornados, Lawinen, Blitzeis und Stürme schaffen es oft in die Sendung. Denn sie liefern beeindruckende Bilder. Doch sind die Ereignisse meist austauschbar. Was dagegen fehlt, sind Einordnungen: Brennt es derzeit häufiger, und gibt es mehr Überflutungen? Wie können sich Städte vor Hitze schützen, und was hilft gegen Waldbrände?

Kurzatmigkeit

Der Nachrichtentakt schlägt immer schneller. Leider produziert die „Tagesschau“ dabei auch Falschmeldungen, weil den Redakteuren keine Zeit mehr zur Faktenprüfung gegeben wird. So fiel sie auf das Satiremagazin Titanic herein und vermeldete das Ende der Koalitionsgemeinschaft von CDU und CSU. Die „Tagesthemen“ widmeten sich 23 Minuten lang dem Rücktritt von CSU-Chef Seehofer – der aber gar nicht zurückgetreten war. Stundenlang berichtete „Tagesschau 24“ über einen Amoklauf an einer Hamburger Schule, der sich als Drohung mit einer Spielzeugpistole von Dreizehnjährigen entpuppte.

Boulevardisierung

Der Sport ist auf dem Vormarsch. Selbst eine U21-WM, Freundschaftsspiele oder ein Bobweltcup sind der „Tagesschau“ Beiträge wert. Männer-Bundesligaspiele sind Pflicht – sogar Kiel gegen Bochum. Dazu gibt es die Tabelle, auch wenn sie an Spieltag zwei keine Aussagekraft hat. Politisch relevante Nachrichten fallen dafür unter den Tisch. Auch zugunsten der Royals. Hochzeiten, Todesfälle und Geburten nehmen breiten Raum ein. Sogar Krankheiten der Frau des Thronfolgers oder das Buch eines Ex-Prinzen erscheinen berichtenswert. Und wozu? Die Quote ist selbst bei der „Tagesschau“ inzwischen heilig – jeden Morgen werden in der Konferenz als Erstes die Zahlen verlesen.

Expertenunwesen

In vielen Beiträgen und Gesprächen tauchen Experten auf. Doch ihre Auswahl beruht weniger auf ihrer Expertise als auf Erreichbarkeit, Prominenz oder Einfluss. Die Organisationen, bei denen sie angestellt sind, werden selten eingeordnet. So ist die Stiftung Wissenschaft und Politik ein Dauergast. Dass ihre Akteure oft gleichzeitig die Bundesregierung beraten, bleibt meist unerwähnt. Zudem werden Experten, die Meinungen vertreten, die den Ansichten der Redakteure widersprechen, nicht mehr eingeladen.

Wording und Framing

Die Sprache der „Tagesschau“ ist nicht neutral. Bolsonaro, der Ex-Präsident Brasiliens, wurde oft als „rechtsextrem“ bezeichnet, sein Nachfolger Lula da Silva als „links“, was sehr unkonkret ist. Venezuelas linksextremer Präsident Maduro dagegen ist ein „Machthaber“. Bei Italiens Regierungschefin Meloni wird auf den Zusatz postfaschistisch verzichtet. Die FPÖ bekommt dagegen oft ein „rechtspopulistisch“ umgehängt, und ihr Chef Kickl ein „rechtsnational“, manchmal muss es auch ein „rechts“ tun, oder die FPÖ wird als „in Teilen rechtsextrem“ bezeichnet wie sonst die AfD. Besser wäre, solche unpräzisen Bezeichnungen in den Nachrichten ganz wegzulassen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein „Angriffskrieg“, gern auch „brutal“ oder „verbrecherisch“. Sind Kriege das nicht immer? Weniger wäre mehr. Eine sachliche Sprache angemessener. Die Mehrheit der Staaten wird undemokratisch regiert. Manchen Präsidenten als Machthaber oder Diktator zu bezeichnen, andern dagegen nicht, wirkt willkürlich.

Seichtes Social

Nicht überall, wo „Tagesschau“ draufsteht, sind noch nüchterne politische Informationen drin. Auf Tiktok, Facebook und Whatsapp kapern seichte Unterhaltung und bunte Bildchen die Marke. Hier Beispiele des Instagram-Kanals: Männershorts mit Spitze in Japan, ein Eisfestival in China, 45 Tannen für Elefanten im Zoo Berlin, ein Kreisliga-Team, in dem fast alle Spieler Kurtanovic heißen, ein Marathon in der Antarktis und: Wie schnell muss der Weihnachtsmann sein?

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20 Kommentare

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  • Das "Flaggschiff" muss den Spagat schaffen, die Qualität einer (guten) Zeitung mit der Reaktionsgeschwindigkeit des modernen Nachrichtenzyklus zu kombinieren (also eher Minuten als halbe Tage) und daraus dann auf 15 Minuten ein audiovisuelles Paket zu schnüren, das Sinn ergibt. Da ist es sicher gut, darüber zu reflektieren, welche Fehler dadurch geschehen. DASS sie geschehen, ist wohl unvermeidlich. Die eigentliche Frage ist, was man daraus jeweils lernt, und dazu verliert Herr Teske nicht sehr viele Worte.

    Die Abhängigkeit von "offiziellen" Nachrichtenlieferungen - hier "Terminjournalismus" genannt - wäre da schon eher ein grundsätzliches Problem, weil man sich damit sehr stark zum verlängerten Arm der jeweiligen Quellen und ihrer Narrative macht. Nur sind die Beispiele mit Laschets Lacher oder Baerbocks Malheurchen wirklich schlecht gewählt: "Newsworthy" waren nämlich nie diese selbst - das waren Lappalien - sondern die explosive öffentliche Reaktion darauf, die vor allem Social Media und das Boulevard auslösten (über die dann die Tagesschau auch wieder berichtete). Dass die Tagesschau selbst an vorderster Front die Bild emuliert, sollte genau NICHT der Anspruch an sie sein.

  • Sag ja nur ich schon lange: Die ÖR gehören reformiert. Was nach dem 2.Weltkrieg richtig war, weil es keine privates Fernsehen und Radio gab, läuft über 70 Jahre später aus dem Ruder. Die ÖR machen Geschäfte, die sich jeder demokratischen Kontrolle entziehen, mit einem Mix aus bunter Unterhaltung. Es bräuchte:



    • einen neuen Programmauftrag mit Fokus auf Nachrichten, Bildung un Meinungsvielfalt



    • eine Begrenzung der Anzahl der Kanäle



    • absolutes Werbeverbot



    • eine Entflechtung der ÖR-Konzerne mit Rückbau von Unternehmensgründung und Beteiligung



    • freie BürgerInnen-Rundfunkräte, statt Auswahl von Interessenvertreter einiger Partien, Religionsgemeinschaften und Verbänden.



    • ein unabhängiges Monitoringsystem, das die Einhaltung der o.g. Vorgaben überwacht

    • @Stoersender:

      Und wer überwacht die Überwacher?

      Mal davon abgesehen, dass es allmählich ermüdend wirkt, mit welcher Unvermeidlichkeit nach dem "Bürgerrat" gerufen wird, wenn Expertengremien oder demokratische Mandatsträger nicht tun, was man selbst gerne hätte: Die politische Interessenlage in einer öffentlichen Einrichtung, die gebühren- oder steuerfinanziert sichere Jobs vergibt, ist immer eine ziemlich komplexe Geschichte. Da hilft der grobe Klotz (alles einfacher gestalten und von "normalen Leuten" steuern lassen) nicht weiter. Wer wäre denn die "unabhängige" letzte Monitoring-Instanz, die Ihnen da vorschwebt? Der Oberste Sowjet?

      Und noch was: Wenn Sie wirklich die inhaltlichen Vorgaben von normalen Menschen machen lassen wollen, wie wollen Sie dann diesen neuen Programmauftrag, den ich jetzt mal spitzzüngig "Verlangweiligung zum reinen staatlichen Erziehungsfernsehen" nenne, durchsetzen? Vielen Leuten SIND Sportschau, Tatort oder Fernsehgarten eben wichtigere Inhalte als Belehrungen und Propaganda - so vielfältig die auch sein mag.

  • Die Weltkarte der Tagesschau ist relativ klein.

    Während sie dem Kampf des NRW-Innenministers gegen die „Clan-Kriminalität“ viel Raum geben, bleiben internationale Themen aus Afrika, Asien oder Lateinamerika oft im Hintergrund.



    Außerdem könnte man die Spannweite auf das Morgenmagazin ausdehnen.



    Die WDR-Moderatorinnen auf dem Sofa verbreiten fünf Tage lang, alle zwei Wochen, ihre Lieblingsthemen, wie die lustigsten TikTok-Bilder des Tages, Gartenpflanzen, Hunde-Wettbewerbe, schlechte Witze und natürlich hin und wieder den Wettermann, live von der Spargel- oder Kartoffelernte.



    Manchmal machen sie sogar Live-Interviews mit Passanten auf der Straße. Dafür fahren sie mit dem Aufzug nach unten und sind dann direkt auf dem Fußgängerweg in der Stadtmitte.

  • Natürlich kann man über den früheren Arbeitgeber herziehen.



    Es steht hier übrigens Nichts über Faktenchecks und die Zusammenarbeit der ARD mit derartigen Unternehmen/ Gruppierungen.



    Natürlich ist Berichterstattung schwierig und manchmal wird etwas berichtet, was sich später als falsch herausstellt.



    Davon kann sich Niemand frei sprechen.



    Die öffentlich rechtlichen sind allerdings eine gute Einrichtung im Bezug auf Unabhängigkeit.



    Wir erleben gerade, wie ein Einzelner , Elon Musk, Lügen lanciert und welche Verbreitung und Macht er hat.



    DAS ist die aktuelle Gefahr.



    Dagegen nehmen sich kleine Irrtümer im Nachrichtengeschäft gering aus.



    Von Menschen wie Trump und Musk wird gerade an den Grundfesten wahrheitsgemäßer Berichterstattung gerüttelt.



    Nun stellt dieser Beitrag die staatlich geschützte Unabhängigkeit der öffentlich rechtlichen Infrage.



    Ja, das ist vor Allem eins: Wasser auf die Mühlen rechter Verschwörungstheoretiker.



    Danke für Nichts!

  • Spannende Einblicke. Es wäre für die Transparenz schön gewesen zu erfahren, dass Herr Teske dazu gerade ein Buch publiziert hat, wofür ihn rechte Medien (zB bei NIUS) abfeiern! Seine Fans kann mensch sich nicht aussuchen, aber wenn die taz hier für Transparenz argumentiert, wirkt das Verschweigen doch sonderbar

  • Mal ehrlich: Was für eine Sammelsurium von Kritikpunkten! Ja, manche treffen zu, sind wichtig und bedenkenswerts, aber manche...na ja. Also bitte den ganzen Beitrag noch einmal kritisch überarbeiten, straffen oder vielleicht auch ganz weglassen (?). Jedenfalls daran denken: Die Welt ist groß, an einem Tag passiert eine Menge, das Publikum hat sehr diverse Interessen und für so eine Nachrichtensendung stehen nur knappe 15 min zu Verfügung!



    Eigentlich ist das doch wie beim Zeitungsmachen. Die gib‘s auch nur ein paar Seiten, auf denen viel untergebracht werden muss.



    Wer will denn schon eine Nachrichtensendung die 4+ Std. dauert? Und selbst dann: 100 % Passgenauigkeit geht nicht. Das ist das Dilemma, das man ertragen muss.

  • Bestätigt meinen Eindruck, muss aber zugeben dass ich schon vor Jahren aus dem TV ausgestiegen bin. Ein paar Dinge haben sich trotzdem besonders in mein Gedächtnis gebrannt. Die Einordnung der Afd, die im Prinzip von Anfang an dem Wissensstand hinterherhinkend verharmlosend war, bei gleichzeitigem Hyperfokus auf die Partei, deren Funktionäre, "Themen" und sonstige Stöckchen ebenso wie die Offenheit für die Partei was Plätze in Talkshows angeht. Daneben die unzähligen Lobbyisten, die oft nur als Experten bezeichnet werden ohne einen Hinweis darauf zu geben, dass es sich um Interessenvertreter handelt. Besonders kurios fand ich früher die hohe Präsenz des Bunds der Vertriebenen in der Tagesschau. Keine Ahnung warum die als so relevant eingestuft wurden.

  • Gut, dass mal jemand aus dem Nähkästchen plaudert. Den Eindruck habe ich schon sehr lange, dass zutrifft, was hier beschrieben wird. Natürlich gilt das auch für die meisten anderen klassischen Medien, da sie alle wegen Internet / Social Media unter Druck und Zugzwang stehen.

    Was könnte den Unterschied machen? Genau, ordentliche journalistische Arbeit. Konzeptionell so einfach und so schwierig umzusetzen unter den heutigen Bedingungen. Keine Meinungsmache und Manipulation, keine faulen Tricks, keine Kompromisse wegen Quote.

    Einfach die noch wichtiger gewordene Aufgabe erfüllen, Menschen korrekt zu informieren. Sich nicht gemein machen mit irgendeiner Seite. Stand doch in irgendeinem oldschool Kodex, oder?

    Redet mal mit eurem "Management".

  • Vorab: wir brauchen einen recherchestarken, faktencheckenden, unabhängigen, pluralistischen und auskömmlich finanzierten ÖRR mit Haltung und Anstand. Beispiele dafür gibt es auch immer wieder.



    Jetzt das Aber: alles, was im Beitrag kritisiert wird, stört mich schon seit Jahrzehnten: Falsche Gewichtung, fehlende Einordnung, Oberflächlichkeit und sprachliche Schwurbelei.

  • Als Zuschauer kann ich einige der Kritikpunkte bestätigen.



    Im Wesentlichen sind das drei:



    - In der Tagesschau dürfen bei wichtigen Ereignissen Politiker aller Bundestagsparteien einen Siebensekundensatz in die Kamera sprechen und der wird unkommentiert gesendet, selbst wenn es der größte Blödsinn ist und oder sonstwie komplett anstandsfrei ist.



    - Es gibt mittlerweile wirklich viel irrelevanten Boulevard in der Tagesschau.



    - Viele Berichte sind in der Sprache tendenziös. Das stört mich mittlerweile sogar, wenn die vertretene Meinung meiner eigenen entspricht.



    Wirklich auffallend finde ich das seit der Corona-Zeit, wo die Tagesschau sehr vehement (genauer: kritiklos) die Regierungslinie verfolgt hat.

    Ich schaue mittlerweile lieber die "Heute" Sendung im ZDF, weil ich mich da sachlicher informiert fühle.

    Für ungefragte Themen abseits des Mainstreams gibt es ja die taz. (Danke :-))

  • Was mich auch stört, ist dass selbst bei erwiesenen Fakten der Konjunktiv verwendet wird, als wären dass nur einfache Aussagen. Beispiel Georgien: Hier wird fast immer nur gesagt, die Regierungspartei sei autoritär, nicht aber dass sie es auch wirklich ist. Genau das ist aber der Fall, die Regierungspartei hat einen autoritären Staat unter ihrer Führung als Ziel.

  • Mehrheitlich dabei, und Selbstkritik ist das beste Instrument für ein langes, glückliches Leben, auch als Sendung.

    Ein Aber: Laschet lacht war objektiv wirklich eine Null-Nachricht und wurde lächerlich hochgejazzt von der Bild, die da soeben von Union auf FDP umgeschwenkt war. Das Gleiche galt für Baerbocks angebliche Patzer (welche eigentlich?).



    Der Bild schreibt man nicht nach! Nicht als tazzer, nicht bei der Tagesschau.

  • Mir ist bei der Tagesschau (im Internet, ich sehe nicht fern) seit langem vor allem aufgefallen, dass bei allen Themen, bei denen ich mir zufällig auskenne, das Niveau der Berichterstattung sich ungefähr auf der Ebene einer Schülerzeitung bewegt. Unzählige faktische Fehler, völliges Fehlen irgendeiner Ahnung zum Thema, stattdessen narrative Vervollständigung von Wissenslücken (exakt das, was man bei KI "Halluzination" nennt) und eine unglaublich naive Herangehensweise.

    Und das bei dem Flaggschiff des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, für den ich irgendwie mehr als 20 Euro im Monat zahlen soll (wieviel es genau ist, weiß ich nicht, ich zahle aus Prinzip immer erst wenn die Vollstreckung ins Haus steht. Sorry, aber die paar Euro mehr ist es mir wert). Ich bin echt kein "Reichsbürger" oder so, aber das, was die mir bieten, ist das Geld einfach nicht wert.

    Im Prinzip stehe ich hinter der Idee, aber die Praxis zeigt mir, dass ich auf dem Markt für das Geld mehr und besseres bekäme. Traurig, aber so ist nunmal leider. Ich kriege gerade bei der Tagesschau regelmäßig die Krätze. Peinlich.

  • Nach dem Kapitel "Wording und Framing" war ich etwas irritiert, sowas in der TAZ?



    Allerdings gibt es einen sehr grossen Unterschied:



    Die TAZ kann framen wie sie will, es muss ja keiner lesen. Das ist Pressefreiheit.



    Die Tagesschau kann das nicht, sie hat ausgewogen zu berichten. Man kann sich streiten was ausgewogen genau heisst, aber Framing gehoert sicher nicht dazu. Ohne Ausgewogenheit entfaellt die Grundlage fuer die derzeitige Finanzierung ueber Zwangsbeitraege.

  • Danke Alexander Teske für den ARD Tagesschau Schieflage Inside Bericht.

    Verwundert bin ich u. a., dass anders als früher, seit Jahren ein Wording Übergang inszeniert stattfindet u.a. von Talkrunden zum Tagesthemen Format, dabei werden laufende Debatten wie selbstredend weg gezappt, mit gleichbleibend lapidarer Redewendung, was macht ihr heute zur Tagesthemen Moderator*n, ohne Ironie im Ton, so als ob die Tagesthemen zur Zuschauerbindung nicht mehr ganz dicht nach allen Seiten offen (Kurt Tucholsky adaptiert) ihre Nachrichten selber backen zu schmackhaft gefällig angesagten Brezzeln.



    Vertrauen in Nachrichten ohne Nüchternheit ist in seltenen Fällen möglich,in Wirklichkeit aber sind Nachrichten ohne Nüchternheit sinnlos.



    Loriot alias Victor von Bülow(1923-201) bringt es auf den Punkt:

    „Ein Leben ohne Mopps ist möglich, aber sinnlos“.

    Was für den Mopps- gilt, gilt auch für den/die Nachrichten Halter*n

  • Dann braucht öffentlich-rechtliches Agenda Setting eine unabhängige Kontrollinstanz.

    • @Thorsten Sippel:

      Journalistisches Berufsethos, offene achtsame Wahrnehmung plus Aufsichtsgremien, die sich bei allem Pluralismus universalen Qualitätskriterien verpflichtet fühlen, das reicht schon.



      Wer sich fürs Thema interessiert, kann bei Noam Chomsky Kritik an US-amerikanischen Medien anlesen.

  • Teils unsachlich, viel belangloser Sport und tendenziöse Berichterstattung sind mir auch schon aufgefallen(im Sinne der "gesellschaftlichen Mitte" vielleicht, wer auch immer das sein soll). Nur gibt es leider keine 'bessere' Alternative im Fernsehen, abgesehen von einzelnen sogenannten Satiresendungen, die teils schon statt tatsächlich Satirischem lieber scharfzüngige Kommentare zur Politik bieten. Dabei fehlt allerdings natürlich - weil es keine Priorität von Satiresendungen ist und auch nicht sein muß - die umfassende Übersicht über aktuelle Geschehnisse.

    Fehlen jetzt Lösungen... lohnen würde sich ein Blick Richtung UK. Schwächen haben die sicher auch, aber die Medien dort haben auch eine starke Tradition, Sachliches und Kommentare spürbar zu trennen.