Mangelnde Diversität in deutschen Medien: Griaß di, allet jut
Lokale Akzente sind bei Moderator*innen im deutschen Fernsehen und Radio immer öfter zu hören, fremdsprachige dagegen kaum.
Samstagmorgen beim BR24, der Nachrichtensendung des Bayerischen Rundfunks: Ein Reporter spricht über Reformen in der Katholischen Kirche. Er wirkt professionell und gut vorbereitet. Dass er mit einem rollenden r und einem bayerischen Akzent spricht, stört nicht. Beim BR, bei SWR und bei anderen regionalen Sendern sind mittlerweile immer öfter lokale Akzente zu hören. Bei fremdsprachigen Akzenten ist das dasgegen anders: man hört sie beim Bäcker oder in der Straßenbahn, im Krankenhaus oder auf dem Spielplatz. Sie sind längst Teil des deutschen Alltags – aber nicht im Radio und Fernsehen.
27 Prozent der Bevölkerung hat eine Migrationsgeschichte, bei Journalist*innen liegt der Anteil schätzungsweise bei lediglich fünf bis zehn Prozent. Die meisten davon sind in Deutschland geboren oder aufgewachsen. Kaum vertreten ist hingegen die erste Generation der Eingewanderten. Fast alle Menschen, die nach der Jugend migrieren, haben einen Akzent. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber wenn man bei DLF, ARD oder RTL nach diesen Reporter*innen sucht, wird man nicht so einfach fündig.
Ja, es gab mal das prominente Beispiel des Niederländers Rudi Carrell, der mit einem starken Akzent sprach. Aber Carrell machte Unterhaltung und nicht Journalismus. Außerdem gibt es unter den Akzenten durchaus eine Hierarchisierung. Ein französischer Akzent wird vielleicht als niedlich empfunden, ein osteuropäischer oder arabischer hingegen nicht – denn auch die Sprache ist ein ethnisches Merkmal.
Keine Chance für Migrant*innen der ersten Generation
„Die Mehrheit der Zuschauer und der Hörer würde einen fremdsprachigen Akzent wahrscheinlich tolerieren, sogar ermutigend finden“, sagt Joachim Trebbe, Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin. Insbesondere diejenigen, die eine Migrationserfahrung in der Familie haben, würden dies begrüßen. Wer Vorbehalte habe, seien die Medienhäuser selbst. „Journalismus ist sehr stark an die Sprache gebunden und bezüglich der Sprache hat man in Deutschland hohe Ansprüche“, sagt er. Deshalb findet er es berechtigt, dass Redaktionen Sprachfehler minimieren wollen.
Es gibt wenige Dinge, die hierzulande so identitätsstiftend sind wie die Sprache: die erhitzte Diskussion um Deutschkenntnisse von geflüchteten Menschen und der Kinder mit Migrationshintergrund, die regelmäßig geführt wird, ist nur ein Beispiel. Es überrascht also nicht, dass Migrant*innen der ersten Generation im deutschen Journalismus kaum Chancen haben. Ihnen wird vorgeworfen, die Sprache nicht perfekt zu beherrschen. Doch was heißt schon, „perfekt“? Und wo sind die Grenzen zwischen einem regionalen und einem fremdsprachigen Akzent?
„Eine feste Regel gibt es nicht“, sagt Trebbe. Die Redaktionen können frei entscheiden, welche Abweichungen von der Standardsprache sie akzeptieren wollen. Im englischsprachigen Raum, zum Beispiel unter den CNN-Korrespondent*innen, sind fremdsprachige Akzente zwar nicht die Regel, aber auch keine Ausnahmen. Und das sei richtig so, findet Ella Schindler. Sie ist mit 16 Jahren aus der Ukraine eingewandert. Heute verantwortet sie die Volontärsausbildung im Verlag Nürnberger Presse und ist Co-Vorsitzende des Vereins Neue Deutsche Medienmacher*innen.
Schindler fordert nicht, dass man Menschen mit geringen Sprachkenntnissen die Moderation einer Sendung anvertraut, wohl aber, dass man differenziert. „Im Moment heißt es: Entweder spricht man als Muttersprachler*in oder man hat kaum Chancen“, sagt sie. Guter Journalismus bestehe aber nicht nur aus Sprache, sondern auch aus Gewissenhaftigkeit, Recherchefähigkeit, Themengespür. Und außerdem erzähle auch ein Akzent eine Geschichte: „Er macht deutlich, dass hier ein Mensch steht, der mehr als eine Kultur und ein Land kennt und viele Hürden nehmen musste, um da zu stehen, wo er heute ist“, sagt sie. Auch das sei eine Kompetenz, obwohl das häufig übersehen wird.
Für Schindler wäre es Zeit, dass die Redaktionen sich den Menschen öffnen, die nicht komplett akzentfrei sind. „Medienhäuser, insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen, haben den Auftrag, die Welt da draußen abzubilden“, sagt sie. Und zur Welt da draußen gehören Menschen dazu, die ursprünglich nicht aus Deutschland kommen. Auch sie sind Medienkonsumenten und wollen sich in Fernsehen und Radio wiederfinden. Das sollte in den Chefetagen nicht vergessen werden.
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