Pressefreiheit in Nahost: Informationskrieg um Gaza
„Embedded“, also vom Militär begleitet, zu berichten, ist im Krieg üblich. Doch die Grenzen dieser Praxis müssen offengelegt werden.
Seit dem 7. Oktober sind Hunderte Medienschaffende aus aller Welt nach Israel geflogen, um über die Auswirkungen des Hamas-Terrorangriffs und den israelischen Krieg in Gaza zu berichten. Nach Gaza hinein kamen aber nur wenige. Erstmals am 4. November gaben Israels Streitkräfte ausgewählten internationalen Journalist:innen die Möglichkeit, sie bei Fahrten in den Gazastreifen zu begleiten.
„Embedded“, also „eingebettet“ und geschützt durch das Militär, unterwegs zu sein, ist gängige Praxis in Kriegsgebieten. Die ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf war unter den ersten deutschen Medienschaffenden, die so nach dem 7. Oktober aus Gaza berichteten. Am Abend kam eine lange erwartete, immer wieder verzögerte Nachricht des israelischen Militärs, am Morgen hatte sie einen Platz im Jeep. Eigendorf selbst hatte bei der Armee nach der Möglichkeit eines „embeds“ gefragt.
„Das ist ganz einfach eine Notwendigkeit, um ein unabhängigeres Bild der Lage im Gazastreifen zu gewinnen“, sagt Eigendorf. „Die ganze Debatte ist ja sehr stark emotional belastet.“ Der unabhängige Blick internationaler Journalist:innen ist eine der wenigen Möglichkeiten, der allgegenwärtigen Desinformation und Propaganda etwas entgegenzusetzen.
Aktuell liegt es allein an den palästinensischen Medienschaffenden, der Welt zu zeigen, wie es in Gaza aussieht. Viele von ihnen haben das mit dem Leben bezahlt: Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen sind seit Kriegsbeginn mehr als 100 Journalist:innen getötet worden, die meisten von ihnen durch israelische Luftangriffe. Viele versuchen zu fliehen, auch weil immer wieder der Vorwurf im Raum steht, Israels Armee würde Journalist:innen gezielt ins Visier nehmen. Das wären Kriegsverbrechen. Aber, so Eigendorf: „Es ist auch ein Informationskrieg, und das Interesse der Hamas ist, möglichst viele schreckliche Bilder von Opfern zu zeigen, um Israel als alleinigen Verantwortlichen an den Entwicklungen darzustellen.“
Eingebettete Journalist:innen als Informationskrieg
Die „embeds“ mit den israelischen Streitkräften sind Teil dieses Informationskriegs. Das weiß auch Eigendorf: „Kriegsberichterstattung ist immer ein sehr limitierter Blick, und wer mit der israelischen Armee unterwegs ist, zeigt vor allem deren Perspektive. Das sollte man den Zuschauern schon klarmachen.“
Auch, dass es weitere Einschränkungen gibt: So ist es üblich, dass die Journalist:innen unterschreiben müssen, keine sensiblen Informationen etwa zu Stellungen der Armee zu zeigen und ihr Material vorzulegen. Sowohl Eigendorf als auch der Bild-Reporter Paul Ronzheimer, der kurz vor ihr im Gazastreifen war, sagen aber: Konkrete Verbote oder Zensur durch das Militär habe es nicht gegeben.
Wie sieht es im Gazastreifen selbst aus? Die palästinensischen ZDF-Mitarbeiter in Gaza könnten derzeit nicht sehr Hamas-kritisch berichten oder – die Idee läge ja nahe – ein Interview mit einer der israelischen Geiseln führen, sagt Eigendorf. „Ich glaube nicht, dass das im Moment irgendjemand wagt.“
Dieser Artikel ist am 3. Mai 2024 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit erschienen. Weitere Infos hier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben