Preise für Anwohnerparken: Falsch abgebogen
Gestaffelte Preise für das Anwohnerparken schlägt die Automobillobby vor. Damit verrät sie lediglich, dass es ihr nicht um lebenswerte Städte geht.
Zum Beispiel Stuttgart. Ein Anwohnerparkausweis für ein Jahr kostet dort 30,70 Euro. Das ist, im Vergleich zu anderen Kommunen, schon sehr viel, nämlich die aktuell obere Grenze, um das Auto permanent mehr oder weniger vor der Haustür abzustellen. Zum Vergleich: Berliner:innen zahlen 20,40 Euro. Für zwei Jahre. Aber: Beides ist natürlich viel zu wenig und wahnsinnig niedrig im Vergleich zu den gesellschaftlichen Kosten, die solch ein öffentlicher Platz zum Parken verursacht.
Wenn jetzt also der Verband der Automobilindustrie kommt und sagt: Hey Leute, wir haben ein paar tolle Vorschläge. Lasst uns das Anwohnerparken doch einkommensabhängig staffeln und so gestalten, dass Kommunen für nachgefragte Gegenden insgesamt die Preise erhöhen dürfen – dann kann man im Kontext von Klimawandel, Wohnungsnot und dringend notwendiger Verkehrswende nur sagen: Da kommt ihr ungefähr 20 Jahre zu spät. Wenn die Kosten für einen jährlichen Parkausweis nicht gerade in den vierstelligen Bereich gehen sollen, dann wird das auch Gutverdienende nicht dazu bringen, das eigene Auto abzuschaffen.
Dafür reicht schon ein kurzer Blick auf die anfallenden Kosten, wenn man ein paarmal im Jahr ein Auto mietet, um vielleicht doch mal ein schwereres Möbelstück oder eine nicht mehr so gut zu Fuß unterwegs seiende Person zu chauffieren. Bleiben wir in Stuttgart: In der Zone „City“ kostet eine Stunde Parken 4 Euro. In der Zone „Parkraummanagement – Langzeitparkplätze“ gibt es einen Tag für 8,60 Euro. In beiden Fällen würde es sich glatt lohnen, ein ab und an zu nutzendes Carsharing-Fahrzeug auf den eigenen Namen mit einem Anwohnerparkausweis anzumelden.
Was heißt es also, wenn ein Automobilindustrie-Lobbyverband dafür plädiert, das Parken finanziell neu zu sortieren? Erstens, dass ein Autoverband natürlich möchte, dass Autofahren angenehm ist. Parkplatzsuchen ist unangenehm. Höhere Preise, Spezialparkplätze, digitale Dienste, bei denen Autos Daten über freie Parkplätze austauschen, was der Verband so vorschlägt, könnte das Suchen vereinfachen und Autofahren angenehmer machen.
Was wir brauchen
Die Vorschläge zeigen zweitens, dass die Lobbyisten, die zwar Klimawandel und Wohnungsnot in ihrem Papier erwähnen, trotzdem kurz vor der ganz großen Debatte abbiegen. Der Debatte darüber, was wir als Gesellschaft eigentlich sinnvolleres machen wollen mit den ganzen öffentlichen Flächen, auf denen tagein, tagaus private Autos stehen, von einer Größe, die manchmal die eines Zimmers übersteigt. Denn dass das so nicht weitergehen kann, sollte langsam klar werden. Wir brauchen Kaltluftentstehungsgebiete und Frischluftschneisen, um den zunehmend heißen Sommerperioden in den Städten zu begegnen.
Wir brauchen Wohnungen, damit die steigende Zahl an Stadtmenschen untergebracht werden und das Wohnen trotzdem noch bezahlbar bleiben kann. Und für die Menschen brauchen wir Spielplätze, Skaterampen und Freiflächen. Tümpel zum Entenzählen, Bäume zum Schattenspenden und Gemüsegärten für die Nahversorgung. Sichere Abstellplätze für Fahrräder, Bänke zum In-der-Sonne-Sitzen und wahrscheinlich noch viel, viel mehr. 30,70 Euro im Jahr, das sind gute 2,50 Euro im Monat. 20,40 Euro für zwei Jahre, das sind lächerliche 85 Cent monatlich. Und wir reden hier über mehrere Quadratmeter öffentlichen Raums. Gibt es irgendwo noch Wohnungsmieten für so einen Preis?
Zumal der Verband – und das ist fast schon lustig – im gleichen Positionspapier Sonderparkplätze für Elektroautos vorschlägt. Die ja eher zum teureren Segment gehören, was also Besserverdienenden zugute käme. Und nein, Elektroautos lösen das Problem von zu viel Blech auf zu wenig Raum nicht.
Momentan ist die Welt hierzulande um die Bedürfnisse von Autos und ihren Besitzer:innen drumherum gebaut. Das ist das Grundproblem. Und das muss sich ändern.
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