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Preise für AnwohnerparkenFalsch abgebogen

Gestaffelte Preise für das Anwohnerparken schlägt die Automobillobby vor. Damit verrät sie lediglich, dass es ihr nicht um lebenswerte Städte geht.

Hier könnten Parkbänke stehen Foto: imago-images/Gottfried Czepluch

Zum Beispiel Stuttgart. Ein Anwohnerparkausweis für ein Jahr kostet dort 30,70 Euro. Das ist, im Vergleich zu anderen Kommunen, schon sehr viel, nämlich die aktuell obere Grenze, um das Auto permanent mehr oder weniger vor der Haustür abzustellen. Zum Vergleich: Berliner:innen zahlen 20,40 Euro. Für zwei Jahre. Aber: Beides ist natürlich viel zu wenig und wahnsinnig niedrig im Vergleich zu den gesellschaftlichen Kosten, die solch ein öffentlicher Platz zum Parken verursacht.

Wenn jetzt also der Verband der Automobilindustrie kommt und sagt: Hey Leute, wir haben ein paar tolle Vorschläge. Lasst uns das Anwohnerparken doch einkommensabhängig staffeln und so gestalten, dass Kommunen für nachgefragte Gegenden insgesamt die Preise erhöhen dürfen – dann kann man im Kontext von Klimawandel, Wohnungsnot und dringend notwendiger Verkehrswende nur sagen: Da kommt ihr ungefähr 20 Jahre zu spät. Wenn die Kosten für einen jährlichen Parkausweis nicht gerade in den vierstelligen Bereich gehen sollen, dann wird das auch Gutverdienende nicht dazu bringen, das eigene Auto abzuschaffen.

Dafür reicht schon ein kurzer Blick auf die anfallenden Kosten, wenn man ein paarmal im Jahr ein Auto mietet, um vielleicht doch mal ein schwereres Möbelstück oder eine nicht mehr so gut zu Fuß unterwegs seiende Person zu chauffieren. Bleiben wir in Stuttgart: In der Zone „City“ kostet eine Stunde Parken 4 Euro. In der Zone „Parkraummanagement – Langzeitparkplätze“ gibt es einen Tag für 8,60 Euro. In beiden Fällen würde es sich glatt lohnen, ein ab und an zu nutzendes Carsharing-Fahrzeug auf den eigenen Namen mit einem Anwohnerparkausweis anzumelden.

Was heißt es also, wenn ein Automobilindustrie-Lobbyverband dafür plädiert, das Parken finanziell neu zu sortieren? Erstens, dass ein Autoverband natürlich möchte, dass Autofahren angenehm ist. Parkplatzsuchen ist unangenehm. Höhere Preise, Spezialparkplätze, digitale Dienste, bei denen Autos Daten über freie Parkplätze austauschen, was der Verband so vorschlägt, könnte das Suchen vereinfachen und Autofahren angenehmer machen.

Was wir brauchen

Die Vorschläge zeigen zweitens, dass die Lobbyisten, die zwar Klimawandel und Wohnungsnot in ihrem Papier erwähnen, trotzdem kurz vor der ganz großen Debatte abbiegen. Der Debatte darüber, was wir als Gesellschaft eigentlich sinnvolleres machen wollen mit den ganzen öffentlichen Flächen, auf denen tagein, tagaus private Autos stehen, von einer Größe, die manchmal die eines Zimmers übersteigt. Denn dass das so nicht weitergehen kann, sollte langsam klar werden. Wir brauchen Kaltluftentstehungsgebiete und Frischluftschneisen, um den zunehmend heißen Sommerperioden in den Städten zu begegnen.

Wir brauchen Wohnungen, damit die steigende Zahl an Stadtmenschen untergebracht werden und das Wohnen trotzdem noch bezahlbar bleiben kann. Und für die Menschen brauchen wir Spielplätze, Skaterampen und Freiflächen. Tümpel zum Entenzählen, Bäume zum Schattenspenden und Gemüsegärten für die Nahversorgung. Sichere Abstellplätze für Fahrräder, Bänke zum In-der-Sonne-Sitzen und wahrscheinlich noch viel, viel mehr. 30,70 Euro im Jahr, das sind gute 2,50 Euro im Monat. 20,40 Euro für zwei Jahre, das sind lächerliche 85 Cent monatlich. Und wir reden hier über mehrere Quadratmeter öffentlichen Raums. Gibt es irgendwo noch Wohnungsmieten für so einen Preis?

Zumal der Verband – und das ist fast schon lustig – im gleichen Positionspapier Sonderparkplätze für Elektroautos vorschlägt. Die ja eher zum teureren Segment gehören, was also Besserverdienenden zugute käme. Und nein, Elektroautos lösen das Problem von zu viel Blech auf zu wenig Raum nicht.

Momentan ist die Welt hierzulande um die Bedürfnisse von Autos und ihren Besitzer:innen drumherum gebaut. Das ist das Grundproblem. Und das muss sich ändern.

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18 Kommentare

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  • Die Anwohnerparkpätze müssten auch in dem Volumen limitiert werden. 1-Personen-Haushalte bekommen eine Vignette für 1,40 m Straßenlänge (reicht für ein quer geparkter Minimobil), 2 Personen 2,80 Meter (Smart-Größe) 3 Personen 4,20 Meter und ab 4 Personen kann man auch die größten PKW verbilligt parken. Ein größeres AUto kann nur zum normalen Preis abgestellt werden. Ggf. gibt es auch zwei Stufen von Parkberechtigungen, eine gilt in den Längengrenzen überall, die andere bei Überschretung der Länge nur in einem Teil der Parkplätze, der dann wohl etwas überlaufener sein wird.

  • Kostenloser Nahverkehr bezahlt über drastisch höhere KFZ Steuern für Autos über 1,3 Liter Hubraum das wäre sinnvoller.

  • in den schulferien fährt hier in meinem kaff der bus genau einmal am nachmittag in die nächste stadt, drei stunden später zurück. die fahrt dauert 15 minuten, im nordschwarzwald, mit jeder menge serpentinen. zu laufen für mich unmöglich. (die eine verbindung am frühen morgen, mit 5 umstiegen und fahrzeit von 1,45 std., um sich an die stadt im großen bogen anzupirschen, mal außer acht gelassen.) auch während der schulzeit fährt der bus hier nur alle paar stunden. ich könnte de facto ohne auto nicht arbeiten gehen, oder einkaufen. mit flexibleren nahverkehrskonzepten, wie carsharing, rufbussen, was auch immer, wäre sicherlich etwas geholfen, aber um wirklich zuverlässig jeden morgen um 6 uhr im stationszimmer zu stehen, wäre mir dies zu unsicher. mir ist auch klar, dass hier nicht ständig busse im 15 minutentakt leer durch die gegend fahren können. jedwedes autoalternatives verkehrskonzept nimmt aber natürlich auch jegliche spontanität, die mir das auto problemlos bieten kann.

  • Bleiben wir kurz beim Auto: Jedes Konzept muss hier fehlschlagen - und an dieser Stelle irrt der Autor, was seine Bereitschaft angeht, eine Lösung erkennen zu wollen -, weil es etwa 40 Jahre Gestaltungs- und Entwicklungszeit zu spät kommt.

    Am Ende übernehmen, das ist mE ersichtlich, Politik und Industrie keine Verantwortung für das Vergangene, da angeblich der Konsument immer das Sagen hat(te).

    Durchgreifende Zweifel an der jetzigen Form der Produktion und Ordnung einzelner insbedondere rechtlicher Gegebenheiten, die im durchschnittlichen Brot-und-Spiele-Bachelor-Fernsehen nicht mehr als exotische Kapitalismuskritik belächelt werden können, werden für die Mehrheit mE noch wie ein Tabuthema ausgestaltet.

  • Was mir schwer fällt zu verstehen:

    Parkplatz 2 x 6 Meter x 5 Stockwerke in der Innenstadt = 60qm = Monatsmiete nach Mietpreisspiegel x 12 Monate =

    ERGEBNIS: über 5.000 Euro im Jahr. (Konservativ gerechnet, noch ohne Zuschläge für Flächen-SUFF usw.).

    Fragt sich, warum eine Autolobby glaubt, dass niemand nachrechnet und sie noch mit dem blödesten Zahlen-Müssen-Die-Andern durchkommt?

    Die Autolobby beleidigt den Verstand, aber viele Autofahrer nehmen das in Kauf - solange nicht nur sie selbst, sondern auch alle andern abgezockt werden?!

  • Wir brauchen vor allem eine Trendwende von der Innenstadt weg. Arbeitsquartiere müssen aus den Zentren in die "Randgebiete". Gleichzeitig muss eine Infrastruktur entstehen, die es den Menschen leicht macht zwischen Wohnung und Arbeit in Minuten und nicht Stunden zu pendeln.



    Es muss ein ausgewogener Schnitt von Arbeits- zu Wohnplatz geschaffen werden. Angestellte müssen die Möglichkeit erhalten in die Nähe ihrer Arbeit zu ziehen.



    Angesichts dieser Aufgaben ist das Thema Parkplatz ein absolutes Randthema. Denn hier wird schlicht vergessen, dass die Parkplätze meist nicht für die Anwohner bewirtschaftet werden sondern für die Besucher jener Viertel. Also Kunden, Touristen, Kulturkonsumenten und der gleichen. Die Parkplätze verschwinden nicht mit den Anwohnerfahrzeugen. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht in 10 Jahren.

  • hat jetzt nichts mit den Parkplätzen zu tun und die Aussage ist ja richtig, aber wenn hier steht:



    "für die Menschen brauchen wir Spielplätze, Skaterampen und Freiflächen. Tümpel zum Entenzählen, Bäume zum Schattenspenden und Gemüsegärten für die Nahversorgung. Sichere Abstellplätze für Fahrräder, Bänke zum In-der-Sonne-Sitzen"



    dann wunder ich mich immer, ob wir in Italien wohnen und nicht im 3/4 des Jahres nasskalten D...



    3/4 des Jahres ist es doch recht unwahrscheinlich, das wir in der Sonne zur Arbeit radeln... nur mal so gedankenlos dahingesagt... und Einkäufe im Regen in Papiertüten zu transportieren, ist auch der Moment wo ich wünschte in Italien zu sein...

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      ach gottchen, als könnte man nur in italien rad fahren.



      dagegen die niederlande zum beispiel!

  • 9G
    90618 (Profil gelöscht)

    Meines Wissens kostet Anwohnerparken in Stockholm über 800 Euro im Jahr. Das ist ein interessanter Preis.

    "Elektroautos lösen das Problem von zu viel Blech auf zu wenig Raum nicht."

    Und viele andere auch nicht:



    1. Gefahr für Leib und Leben vor allem von Fußgänger/innen und Radfaher/innen



    2. Mikroplastik in der Umwelt - die größte Versursacher ist das Automobil (nerdpol.ch/posts/1...7adc652540039b762)



    3. Globaler Effekt auf die Umwelt (vielleicht etwas geringer als beim Verbrenner, aber immer noch viel zu hoch)



    4. Gesundheitsschäden durch Bewegungsmangel der Insassen



    5. Zerschneiden von Städten und Landschaften durch Autobahnen usw.



    6. Exklusivität des Fahrzeugs (keine Kinder, keine Blinden, keine Armen)

    Große wie kleine Städte brauchen vor allem den Ausbau der Straßenbahn. Die ist preiswert, schnell, ziemlich umweltfreundlich, barrierefrei und bequem.

    • @90618 (Profil gelöscht):

      für die Stadt stimmt das, aber auf dem Land wird es sich nicht ändern, dort geht es nicht ohne Individualverkehr. Auch die Landschaftszerschneidung wird sich nicht verringern, irgendwie muß man übers Land kommen.



      Eine Welt ohne Individualverkehr ließe sich wohl nur bewerkstelligen, wenn alle Menschen in Ballungsräumen leben würden.



      Am Auto oder einem adequaten Ersatz kommen wir wohl nicht vorbei, aber es muß in Städten möglichst verdrängt werden, da ist z.B. Kopenhagen schon auf gutem Weg.

      • @nutzer:

        Auch auf dem Land stehen die Privatfahrzeuge im Durchschnitt mehr als 22 Stunden am Tag nur rum, sodass sich auch dort die Anzahl der Autos und der Raum, den diese verbrauchen, problemlos reduzieren lassen.



        Auch auf dem Land weren viele Strecken unter 3 km mit dem Privat-PKW zurückgelegt. Wenn die künftig mit dem Rad oder zu Fuß gemacht werden, ist auch schon einiges gewonnen.



        Bei dem mit der Stadt stimme ich natürlich zu.

      • @nutzer:

        Dann sollten wir uns auch darüber Gedanken machen, wie der Ersatz für ein Auto auch für die ländlich wohnende Bevölkerung aussehen kann.



        Ich selber komme auch auf dem Land ohne Auto ganz gut aus. Man darf nicht vergessen, dass auf dem Land eine noch ganz intakte soziale Struktur meistens vorhanden ist, bei der es reicht, wenn man einige Leute mit Auto kennt für die Wege, die per ÖPNV nicht zu machen sind. In den NL gibt es z.B. das Regiotaxi, stark vergünstigt für alle Menschen mit Behinderungen, die einen Haus-zu-Haus-Service in verkehrsschwachen Zeiten (wenn also kaum ÖPNV fährt) oder für komplizierte Verbindungen anbietet.



        Ein Ausbau des Lieferservice wird zwar auch nicht verhindern, dass Straßen gebaut werden müssen, die von Fahrzeugen passierbar sind, aber es wird den Gesamtverkehr eindämmen.



        Ich würde nicht direkt mit dem Verweis auf das Land das eigene Auto unbedingt als alternativlos beschreiben.

  • "Momentan ist die Welt hierzulande um die Bedürfnisse von Autos und ihren Besitzer:innen drumherum gebaut."

    Ich glaube, dass dIn AutorIn nicht versteht, dass es schlicht um Verdrängung unter dem Ökomantel geht.



    Das Hauptproblem der politischen Linken ist die zu große Produktivität und damit einhergehende "Verwalterjobs" als Wählerbasis(Kafka), die aktuell nur moralisch ihre eigene ökonomische Existenz begründen können.



    Weil leider die sozialen Wissenschaften seit ideologischer Herrschaft in den 60ern für nicht direkt an der materialistischen Produktion beteiligte Personen keine Metriken erstellt haben.



    [heißt was die Arbeiter als Produkt herstellen , weil alles Andere anteilig dann nur Räuber sind (man umschreibt es normalerweise nur wie im Video)]



    media.ccc.de/v/36c...the_caring_classes

    Das wird die Linke bei Verschlechterung der ökonomischen Situation spalten und der Finanzelite bei Verschlechterung der ökonomischen Lage einen Ausweg anbieten.



    Übrigens gibt es hierzu erstaunliche Parallelen zu den 20er Jahren.

    PS: Es existieren nur 1.Produkte(sinnvoll oder nicht sinnvoll), 2.Arbeiter und 3.Räuber. Der Rest ist Selbstbetrug. 2 und 3 zu sein schließt sich auch nicht aus.

  • Die Stadt geht kaputt weil tagtäglich 100.000 Pendler in die Stadt einfallen und abends wieder fliehen. Da stören die Bürger nur. Die haben den Krach, den Dreck und sollen gefälligst die Straße räumen, damit die Blechlawine ungebremst einfallen kann. Und dann sollen sie auch noch für diese "grüne" Politik blechen. Kassiert gefälligst bei den einfallenden Horden aus dem Speckgürtel, statt bei uns die wir in der Stadt wohnen und wählen.

    • @Werner S:

      Herr Werner S. :



      Die "Horden" die Sie meinen sind aus der Stadt geflüchtet, und zwar oft genug weil die Mieten gerade für Familien völlig unbezahlbar sind. Ich habe 4 Jahre in Hamburg gelebt. Die Bahn von Hamburg Lübek direkt an unsere Siedlung. Schön wenn die Züge, (Personen und Güter), zum Teil im unter 10 Min vorbeidonnern....



      Die mieten sind viel zu hoch und ich möchte mal wissen was Sie machen wollen ,wenn die Läden in ihrer Stadt zu bleiben,weil die "Horden" nicht zur Arbeit gekommen sind. Übrigens sind wir Menschen und keine "Horden". MFG Ein geflüchteter Stadtbewohner.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Werner S:

      Das entspricht im Prinzip einer Abschaffung der Pendlerpauschale bzw. einer Begrenzung selbiger nach oben.

      Interessanter Vorschlag.

  • Ja klar, wer zu seinem Hipster-Job mit dem Fahrrad fahren kann, als Aktivist gerne auch mit der Straßenbahn fährt oder seine Stütze zu Fuß abholt, kann sich gar nicht vorstellen, warum die doofen Malocher vor Haustür parken wollen.

    • @Zven:

      Genau so ist es. Wer körperlich schwer Arbeitet und/oder viel läuft soll dann am besten noch 10 km nit dem Fahrrad fahren. Prima. Wer zahlt mit dann die verfrühte Arbeitsunfähigkeitsrente,weil die Knochen kaputt sind ??