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Praxisversuch zur ViertagewocheMehr Lohn wäre besser

Kommentar von Björn Hartmann

Die Vier-Tage-Woche ist eine schöne Idee, aber nicht für alle – und nicht in Zeiten des grassierenden Fachkräftemangels.

Arbeit in der Altenpflege, schlecht automatisierbar und nicht so gut bezahlt Foto: photothek/imago

W eniger arbeiten bei gleichem Verdienst – wer wollte das nicht. Nur vier statt fünf Tage acht Stunden ins Büro oder zur Schicht mit vollem Lohnausgleich – für die Beschäftigten scheint sich das zu lohnen. Bei den Unternehmen liegen die Vorteile nicht so klar auf der Hand. Deshalb sucht die Berliner Personalberatung Intraprenör jetzt in Deutschland Firmen, die an einem Versuch über sechs Monate teilnehmen. Die IG Metall, bei solchen Themen oft vorneweg, wollte in den Tarifverhandlungen für die Stahlindustrie die Viertagewoche fordern. Dort mag sie funktionieren, eine Lösung für alle ist sie aber sicher nicht.

Historisch gesehen ist der Trend klar: 1871 arbeiteten die Deutschen im Schnitt 72 Stunden pro Woche. Inzwischen sind es 40 Stunden für Vollzeitkräfte. Das rechnet sich für alle, weil die Firmen produktiver werden. Vereinfacht heißt das: Dieselbe Zahl an Menschen schafft in derselben Zeit mehr. Zuletzt legte die Produktivität in Deutschland nur um 0,5 Prozent zu – da gibt es eher wenig zu verteilen. Anders gesagt: Vielen Firmen fehlt das Geld für den vollen Lohnausgleich bei geringerer Arbeitszeit.

In manchen Branchen lässt sich Arbeit gut rationalisieren – meist da, wo viel Technik eingesetzt wird. In Branchen, in denen viel Personal nötig ist, wie der Pflege oder an Schulen, wird es schwierig.

Dann ist fraglich, ob die Viertagewoche in Zeiten von Arbeitskräftemangel in fast allen Branchen überhaupt zeitgemäß ist. Schon jetzt können viele Unternehmen freie Stellen nicht besetzen, Aufträge nur schwer abarbeiten. Diese Lage würde sich verschärfen. Die IG Metall jedenfalls hat angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage die Forderung nach einer Viertagewoche in die Schublade gelegt.

Wichtiger als Vorgaben für die Zahl der Arbeitstage ist für viele Arbeitnehmer Flexibilität. Hier gibt es bereits mit Arbeitszeitkonten gute Modelle. Und sollten sich tatsächlich große Produktivitätsfortschritte einstellen, könnten ja auch die Löhne kräftig steigen, bei gleicher Arbeitszeit. Wem das zu viel ist: Viertageteilzeit wäre dann auch besser bezahlt.

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11 Kommentare

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  • taz: "Die Vier-Tage-Woche ist eine schöne Idee, aber nicht für alle – und nicht in Zeiten des grassierenden Fachkräftemangels."

    Nur noch eine 4-Tage-Woche? Meine Güte, dann arbeitet der Deutsche wohl bald gar nicht mehr. Und was noch schlimmer ist, bei soviel Freizeit fängt der Deutsche vielleicht sogar noch an zu denken. Und dann denkt er vielleicht noch 'das Falsche' und macht sich über den Klimawandel und soziale Ungerechtigkeiten Gedanken. Das geht nun aber gar nicht, denn der kleine Bürger soll nicht denken, deshalb hat man ihn damals ja auch an sechs Tagen die Woche arbeiten lassen. Nur am siebten Tag hatte er frei und durfte dann brav in die Kirche gehen und dort dafür danken, dass die Reichen und Mächtigen (denen ja die Welt gehört) ihm Brot und ein Obdach geben.

    Hat sich daran heute etwas geändert? Nein, aber man hat heutzutage schlauere Geschichten für die einfältigen Bürger im schicken Aktenkoffer. Heute erzählt man, dass 'ohne Wirtschaftswachstum alles zusammenbricht und die Bürger dann in Armut und Elend verkommen werden' oder das 'Märchen vom Fachkräftemangel', das man schon seit Jahren erzählt und über das sich sogar schon das Manager-Magazin und die Springer-'Welt' (beide Zeitungen sind sicherlich nicht 'links') lustig gemacht haben.

    "Mit Arbeit versaut man sich nur den ganzen Tag", das wussten die reichen Ausbeuter schon vor Hunderten von Jahren und das wissen sie auch noch heute. Es sei denn man lässt arbeiten und verdient sich als Manager oder als Aktionär eine goldene Nase auf Kosten der kleinen Arbeitnehmer, die auch im 21. Jahrhundert immer noch ausgebeutet werden.

    Eine klimaschonende 4-Tage-Woche? Nein, bloß nicht. Lasst uns lieber den Irrsinn des Ressource 'fressenden' und klimaschädlichen Wirtschaftswachstum weitermachen und weiter die Welt ausplündern, das Klima zerstören und Milliarden arme Menschen weltweit ausbeuten. Bloß nicht Neues ausprobieren, sonst könnte sich ja möglicherweise sogar etwas für die kleinen Leute verbessern.

    • @Ricky-13:

      ...ich habe da so meine Zweifel, ob die Welt besser wäre - wären die " einfachen Leutz " alle reich & mächtig und würden dann sicher in der Mehrheit auch alle noch reicher & noch mächtiger werden wollen - friedlicher wäre datt sicher auch nicht - und gerechter ? Wohl eher ein voll Chaos...

      • @Alex_der_Wunderer:

        Es geht nicht darum, dass alle "reich & mächtig" sein sollen; es geht um soziale Gerechtigkeit und dass das Leben der Menschen nicht daraus bestehen sollte, dass man für ein paar Reiche und Mächtige täglich schuften geht - und man damit auch noch den Planeten Erde für die eigenen Kinder und Kindeskinder zerstört. Und das wir den Planeten immer mehr zerstören, das kann man ja schon überall sehen. Unser Planet gleicht immer mehr einer Müllhalde, die Meere sind voller Plastikmüll, wir haben immer mehr abgeholzte oder verbrannte Wälder und ein Klimawandel der stetig anwächst.

        Ausbeutung des Planeten + Ausbeutung der kleinen Arbeiter = Maximale Gewinne der Wirtschaft

        • @Ricky-13:

          ...meinen Sie ernsthaft, das dass Leben der meusten Menschen so ausschaut - schuften für ein paar Reiche ? Wie traurig wäre so eine Realität...



          Ich meine, viele Menschen - also jetzt in Deutschland - gehen ihrer Berufung nach - bedeutet sie haben jede Menge Freude und Erfüllung in dem was sie beruflich ausüben. Noch wählt hier jeder seine Ausbildung / sein Studium selber aus...



          Das Gehalt welches man verdient, verdient man für sich und seine Familie und der Beruf gibt vielen Zufriedenheit - nicht immer alles so ganz schwarz malen...in Deutschland leben nicht nur unqualifizierte Menschen ohne Motivation & ohne Interessen.



          Zudem sollte nicht immer alles in Geld bemessen werden - wer so denkt hat noch nicht viel vom Lebensglück verstanden - ob reich oder weniger vermögend...

  • Die Studie ist noch nicht angelaufen, da gehen die Reflexe schon mit einem durch.



    Es ist eine Machbarkeitsstudie, die genau die Fragen, die hier so in den Raum geworfen werden, eindeutig und objektiv beantworten soll.



    In der Theorie der Befürworter bewirkt der zusätzliche freie Tag für mehr Zufriedenheit, mehr Gesundheit und mehr Spaß an der Arbeit, wodurch die Wochenproduktivität bei 4 Tagen Arbeit die gleiche bleibt wie bei 5 Tagen.



    Wenn sich diese Theorie als korrekt erweist, wäre es ein Hohn für die Mitarbeiter, wenn sie für die Teilzeit weniger Gehalt bekämen. Die gleichbleibende Produktivität stecken die Unternehmen sich dann in die Tasche.

    Übrigens könnte die Rechnung durchaus für alle Firmen aufgehen.



    In anderen Studien zeigte sich, dass bei einem Arbeitstag weniger pro Woche, die jährlichen Krankmeldungen um 65 % zurückgingen.

    Also, erst mal prüfen, dann über die Ergebnisse debatieren.



    Meckern kann man immer noch, wenn die Umsetzung nicht zu den Ergebnissen passt.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Die Vier-Tage-Woche ist eine schöne Idee.."



    Natürlich. Die Menschen brauchen Zeit zum konsumieren.



    Und dann brauchen sie - mensch ahnt es schon,



    natürlich auch mehr Lohn.



    Beißt sich die Katze in den Schwanz,



    beginnt ein Eiertanz.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      ...es kommt eben immer darauf an, wo Menschen ihre Prioritäten setzen...



      Arbeitszeiten sind doch schon lange Verhandlungssache - kein Mensch ist gezwungen seine schönste, jugendliche, gesunde Lebenszeit zu " verkaufen " oder nennen wir es " der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen " und das 40 Stunden in der Woche....



      Anders bei kreativen Berufungen - da ist man ja auch durchaus mal je 60 Stunden - in zwei folgenden Wochen tätig - dann mal ein paar Tage ausspannen...



      Es gibt nicht nur Tätigkeiten im Krankenhaus oder am Fließband - aber auch hier könnten die " Schichten " flexibler gestaltet werden können...

  • Wie war, wie war.....

  • Oh,der Fachkräfte Mangel. Klar ist,das ein Heer an Bequemlichkeits Jobs billig zu haben sind. Auch gehen pro Jahr 50.000 junge Leute ohne Abschluss von der Schule ab. Die Wirtschaft ist an denen nicht interessiert,sonst gäbe es mehr Engagement.Und permanent wird versucht die Leute bei der Stange zu halten. Teilzeit und Reduzierung von Arbeitszeit verteufelt. Als Schneeflocken bezeichnet wie von Glöckner.Niemand ist unersetzbar, auch jetzt ist die Arbeitszeit willkürlich gewählt. Eine Veränderung nach unten machbar.Das auch hier die Angst grassiert eventuell weniger Gewinn zu machen,nervt. Wie wäre es darüber zu diskutieren wie vorhandene Schätze an Arbeitskräften gehoben werden können? Ich sehe da sehr viel Potential im Niedriglohnsektor, bei den Leiharbeitenden,den ungelernten. Ach ich vergaß,es liegt wohl an der Spätrömischen Dekadenz,die leistungslos Fähigkeiten umsonst zur Verfügung gestellt bekommen will. Vielleicht muss sich die Wirtschaft auch Mal Gedanken darüber machen,das nicht nur in Produktionsmittel,sondern auch in Köpfe investiert werden muss. Dann hört auch das Heulen über die eigene angeblich prekäre Lage auf. Es nervt, die Misere denen in die Schuhe zu stecken,die nicht an den Schaltstellen sitzen.

  • Bravo

  • Es gibt Jobs, gerade bei Dienstleistungen, da ist auch Flexibilität nicht beliebig möglich, weil z.B. zu den Öffnungszeiten immer jemand da sein muss, um sich um Kunden zu kümmern, das Telefon zu bedienen etc. Das ist sicherlich in Krankenhäusern und Arztpraxen so, aber auch viele Behörden haben inzwischen ihre Erreichbarkeit unter die Grenze des Zumutbaren geschraubt, indem sie für andere Vollzeit-Arbeitnehmer nur noch im Urlaub oder mit einem freien Tag erreichbar sind.