Kampf um Arbeitskräfte: Viertagewoche im Rathaus

Die Stadtverwaltung in Wedel bietet den Beschäftigten an, nur 4 Tage die Woche zu arbeiten. Sie ist damit bundesweit die erste.

Das Ernst-Barlach-Museum in Wedel

Wer nur vier Tage arbeitet, kann am fünften Tag ins Museum gehen Foto: Georg Wendt/dpa

WEDEl taz | Jörg Amelung dürfte aktuell der gefragteste Mitarbeiter im Rathaus von Wedel sein: Nicht nur Medien von ARD bis taz rufen ihn an, sondern auch Kol­le­g*in­nen aus anderen Stadtverwaltungen. Denn im Rathaus der 34.000-Personen-Stadt nordwestlich von Hamburg gilt demnächst die Viertagewoche – es ist die bundesweit erste Stadtverwaltung, die diesen Weg beschreitet. „Wir haben da ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Amelung. „So weisen wir darauf hin, dass wir ein moderner und guter Arbeitgeber sind.“

Der Kampf um Beschäftigte habe längst die öffentlichen Verwaltungen erreicht, sagt Amelung, der für das Personalmanagement im Wedeler Rathaus zuständig ist. „Wir haben Mangel in allen Bereichen.“ Besonders Führungskräfte seien schwer zu halten: „Die Fluktuation nimmt zu, gerade unter den Jüngeren.“ Der Kampf um die Köpfe führt bereits dazu, dass sich Verwaltungen gegenseitig Leute abwerben.

Amelung, Jahrgang 1958, hat die Zeiten erlebt, in denen Dutzende Interessierte für sichere Behördenjobs Schlange standen. Das sei lang vorbei: „Im öffentlichen Dienst gehen in den nächsten Jahren 1,3 Millionen Leute in den Ruhestand – bei wachsenden Aufgaben. Inzwischen müssen wir uns bei den potenziellen Beschäftigten bewerben, nicht mehr umgekehrt.“

So setzt die Stadt Wedel schon länger auf Gleitzeit und Homeoffice, bietet Sabbaticalphasen und flexible Angebote für Eltern an. Vor einem halben Jahr entstand die Idee der Viertagewoche. „Der Personalrat war begeistert, der Bürgermeister hat die Vorlage geschrieben, dann haben alle politischen Gremien zugestimmt“, berichtet Amelung.

Besonders über die Unterstützung des Stadtrats – in dem sechs Fraktionen von CDU bis Linke sitzen – freut er sich. Schließlich ist die Viertagewoche eine klassische Gewerkschaftsforderung, die Verdi seit 2015 unter dem Slogan „Kurze Vollzeit für alle“ bewirbt. Die IG Metall bringt eine echte Arbeitszeitverkürzung mit vier Achtstundentagen bei vollem Lohnausgleich ins Spiel.

Wachsende Zufriedenheit

Das stößt unter Ar­beit­ge­be­r*in­nen nicht auf Begeisterung. Doch angesichts des Personalmangels und steigender Fehlzeiten schauen Unternehmen interessiert auf Studien, die Vorteile der kürzeren Wochenarbeitszeit zeigen. Im Februar hat ein Forschungsteam aus Boston, Dublin und Cambridge eine Untersuchung veröffentlicht, an der 2.900 Beschäftigte aus 61 Unternehmen teilnahmen. Bei leicht besseren wirtschaftlichen Ergebnissen wuchs die Zufriedenheit, sanken Fluktuation und Fehlzeiten. 92 Prozent der Unternehmen blieben bei der kurzen Woche.

Wie das Angebot in Wedel angenommen wird, sei schwer einzuschätzen, sagt Amelung. Insgesamt umfasst die Verwaltung 438 Stellen, viele davon sind in Teilzeit besetzt. Gerade für die könne der Frei-Tag attraktiv sein. „Wobei wir natürlich darauf achten, dass nicht alle am Montag oder Freitag fehlen.“

Denn bei aller Rücksicht auf die Beschäftigten, die gewohnten Öffnungszeiten werden beibehalten. Das müsste möglich sein, denn die Wochenarbeitszeit ändert sich nicht: Wer eine volle Stelle hat, arbeitet weiter rund 40 Stunden – die sich nur anders verteilen. Unterm Strich sparen die Beschäftigten Fahrtzeiten, vermutlich fallen auch weniger Überstunden an.

Mit mehr Freizeit lasse sich auch Wedel besser genießen, sagt Amelung: Die Stadt sei „wunderschön, liegt direkt an der Elbe und hat alles, was man braucht“.

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