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Poschardt liebt AnarchokapitalistExtremistische Weltsicht

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Der argentinische Ultrakapitalist Javier Milei bezeichnet Staaten als kriminell. „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt schickt ihm dafür Liebesgrüße.

Lässt sich feiern: Javier Milei bei einer Buchvorstellung im Mai in Buenos Aires Foto: Agustin Marcarian/reuters

I n Argentinien möchte der Anarchokapitalist Javier Milei im kommenden Jahr bei der Präsidentschaftswahl antreten. Laut einer aktuellen Umfrage könnte er es mit seinen rechtspopulistischen, an Donald Trump und Jair Bolsonaro erinnernden Positionen in die Stichwahl schaffen. Milei, der den Klimawandel bezweifelt, die gerade erst in Argentinien legalisierte Abtreibung wieder verbieten will und allen Bürgern ein Recht auf Bewaffnung zusteht, damit sie sich gegen Übergriffe des Staates wehren können, sagt Sätze wie diesen: „Der Staat ist im Kern eine kriminelle Organisation, die von einer Zwangseinnahmequelle lebt, die sich Steuern nennt.“ Das sei schädlicher als jeder Mob und mache Politiker zu Dieben. Nachlesen kann man das in einem Interview in der Welt.

So weit, so schlecht. Man möchte den Ar­gen­ti­nie­r:in­nen eine kluge Wahlentscheidung wünschen und sich ansonsten daran erfreuen, dass solch gefährlicher Unsinn hierzulande keine Fürsprecher hat. Doch dann kommt Ulf Poschardt, Chefredakteur von Welt und N24, twittert genau die oben zitierte Passage des Interviews und schreibt dazu: „I love Javier Milei“. Wobei er natürlich nicht „love“ schreibt, sondern ein rotes Herzchen setzt. Lovely.

Man könnte dies als eine weitere Eskapade des Twitter-Provokateurs Poschardt abtun, der ja auch Christmetten zu links findet und ein Tempolimit für Freiheitsberaubung durch kulturell Impotente hält. Doch das hier ist bei bestem Willen kein Spaß mehr.

Milei will alle Staatsformen links eines Kapitalismus in Reinform bekämpfen, weil sie angeblich zum Sozialismus tendieren, den er wiederum mit Mord gleichsetzt. Wer solch eine radikal-liberalistische, gefährlich extremistische Weltsicht propagiert, muss sich fragen lassen, ob er noch auf dem Boden der Verfassung steht, die eine soziale Bundesrepublik garantiert.

Poschardt hat seinen ursprünglichen Tweet mittlerweile gelöscht. Stattdessen macht er sich lustig über diejenigen, die ihn dafür kritisiert haben. Es wäre schön, wenn das nur lächerlich wäre.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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17 Kommentare

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  • Beide Männer sind Vollpfosten.

  • Der Begriff "Anarchokapitalist" ist irreführend. Ich würde den Begriff nicht verwenden. Zum einen ist Anarchismus historisch gesehen Teil der Arbeiter*innenbewegung. Wenn mensch will, und die parlamentarische Einordnung außer Acht lässt, kann mensch Anarchismus auch der antiautoritären radikalen Linken zuordnen. So gibt auch der Artikel Hinweise darauf, dass "Anarchokapitalismus" so gar nichts mit der Linken zu tun hat, sondern offenbar mit rechten Ideologien gut zusammengeht. Prägend für den Anarchismus waren bspw. P. Proudhon (Anhänger auch Proudhonist*innen genannt), M. Bakunin (kollektivistischer Anarchismus, ein Mitbegründer der Antiautoritären Internationalen, Abspaltung von der stark durch Marx geprägten IAA), P. Kropotkin (Anarcho-Kommunismus), R. Rocker (Anarcho-Syndikalismus), G. Landauer (kommunitärer Anarchismus) usw.. Im Zusammenhang mit "Anarchokapitalismus" lässt sich sagen, dass bloß den Staat abzulehnen, es eine*n noch nicht zu*r Anarchist*in macht. Der zentrale Unterschied zwischen "Anarchokapitalismus" und Anarchismus ist, dass ersterer quasi Ausbeutung und Unterdrückung durch den Kapitalismus verneint, wohingegen Anarchismus Lohnausbeutung u.a. in seine Analyse aufgenommen hat.



    Wer es genauer/ausführlicher wissen will:



    theanarchistlibrar...-amuse-label-secf0

    • @Uranus:

      Kann man den nicht exkommunizieren und aus der Kirche der Heiligen der letzten Tage ausschließen? 🤪

  • @JIM HAWKINS

    ...und ein Peter Thiel. Und...

    Es wimmelt in der Welt von solchen ultrareichen @*#$%ern.

    Und solcher Loser wie Poschi, die gern so was wären. Aber leider nur "Bild" machen.

  • Staaten sind kriminell.??

    Aber klar...wer braucht schon Polizei, Justiz, Bildungs- und Gesundheitswesen.??

    Bewaffnen wir uns halt alle..dann herrscht endlich das Recht des Stärkeren..

    Ballern wir uns alle gegenseitig weg..

    ...das löst dann auch alle Mensch gemachten Probleme..

    Toll Hr. Poschardt...wer "Freunde" hat wie Sie, der braucht dann auch keine Feinde mehr..

  • Also mindestens einen Fürsprecher haben die guten Ansichten dieses Herren hierzulande, mich. Und ich denke, ich bin nicht alleine.

  • Fehlt nur noch Elon Musk.

    • @Jim Hawkins:

      Und die musikalische Untermalung mit "Keine Macht für Niemand" 🤪

  • Javier Milei? Ein Dieb, der auf gestohlenem Land lebt. Wo war das "Nichtaggressionsprinzip" bei der Kolonisierung Südamerikas?

  • Das ist Satiere in maximaler Konzentration!



    Er bewirbt sich also darum, zum Chef einer von ihm scharf verurteilten Organisation zu werden?



    Hahaha...



    Außerdem:



    Nur eine Gemeinschaft kann etwas zum Verbrechen erklären. Staat ist lediglich die Organisation der Gemeinschaft...



    Ohne Staat gibt es also kein Verbrechen.

  • Demokratiefeindliche und rechtsextremistische Grundüberzeugungen bei einem Chefredakteur? Wie sonst käme ein überzeugter Demokrat und verfassungstreuer Bürger auf die Idee, einen solchen tweet abzusetzen?



    War wohl nur ein "Witzchen", um "Sozialisten" zu ärgern. Die Werbekunden von Welt und N24 wirds freuen!

  • Dass Porscheposchi einen Anarchokapitalisten gut findet, wundert nicht - schließlich ist er bei einer der dümmsten Ideologien, die die Menschheit hervorgebracht hat, gut zu Hause.

  • Poschardts Tweet ist dümmlich, das sollte aber aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er selber dumm ist. Falls er selber glaubt, was er sagt. Denn selbstverständlich ist der Neoliberalismus dumm und selber verbrecherisch indem er sich gegen Schwächere, gegen Demokratie und gegen den Schutz natürlicher Ressourcen richtet.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Porsche-Ulf schreibt über oder irgenwas von Kultur?



    Niddmöööchlich!



    Nun - ich bin dem Link nicht gefolgt, weil selbst ein Zeitgenosse wie ich, zwar mit kulturellen Defiziten geschlagen aber doch mit rudimentärer Selbstachtung gesegnet, nie (niemals!) ein Springer-Elaborat lesen würde.



    (Dass der Autor dieses Kommentars sowas tut, sei ihm ob seiner professionellen Pflichten nachgesehen.)



    Aber Ulf und Kultur?



    Seine Kompetenz auf diesem Sektor reicht doch allenfalls bis zur A-Säule seines (bzw. eines seiner) Porsche.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Sie kennen den Text nicht, haben aber eine Meinung dazu? Herzlichen Glückwunsch zum Leben mit Vorurteilen.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Ist das, was der Großweltmann da macht, nicht einfach wieder nur Angeberei? Das wird das Grundproblem hinter dieser Einstellung sein. Wie leider schon so und zu oft gehabt.

  • Staaten tendieren in der Tat zu Verbrechen, nur ist es ihr Verbrechen nicht, dass sie zum Sozialismus tendieren würden. Staaten definieren Grenzen und erklären, dass für die Betretung der Welt eine Genehmigung erforderlich sei. Damit konservieren sie gleichzeitig Ungleichheit und reduzieren die Motivation, die Menschheitsprobleme zu lösen, da sich die Privilegierten abschotten können.