Poschardt liebt Anarchokapitalist: Extremistische Weltsicht
Der argentinische Ultrakapitalist Javier Milei bezeichnet Staaten als kriminell. „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt schickt ihm dafür Liebesgrüße.
I n Argentinien möchte der Anarchokapitalist Javier Milei im kommenden Jahr bei der Präsidentschaftswahl antreten. Laut einer aktuellen Umfrage könnte er es mit seinen rechtspopulistischen, an Donald Trump und Jair Bolsonaro erinnernden Positionen in die Stichwahl schaffen. Milei, der den Klimawandel bezweifelt, die gerade erst in Argentinien legalisierte Abtreibung wieder verbieten will und allen Bürgern ein Recht auf Bewaffnung zusteht, damit sie sich gegen Übergriffe des Staates wehren können, sagt Sätze wie diesen: „Der Staat ist im Kern eine kriminelle Organisation, die von einer Zwangseinnahmequelle lebt, die sich Steuern nennt.“ Das sei schädlicher als jeder Mob und mache Politiker zu Dieben. Nachlesen kann man das in einem Interview in der Welt.
So weit, so schlecht. Man möchte den Argentinier:innen eine kluge Wahlentscheidung wünschen und sich ansonsten daran erfreuen, dass solch gefährlicher Unsinn hierzulande keine Fürsprecher hat. Doch dann kommt Ulf Poschardt, Chefredakteur von Welt und N24, twittert genau die oben zitierte Passage des Interviews und schreibt dazu: „I love Javier Milei“. Wobei er natürlich nicht „love“ schreibt, sondern ein rotes Herzchen setzt. Lovely.
Man könnte dies als eine weitere Eskapade des Twitter-Provokateurs Poschardt abtun, der ja auch Christmetten zu links findet und ein Tempolimit für Freiheitsberaubung durch kulturell Impotente hält. Doch das hier ist bei bestem Willen kein Spaß mehr.
Milei will alle Staatsformen links eines Kapitalismus in Reinform bekämpfen, weil sie angeblich zum Sozialismus tendieren, den er wiederum mit Mord gleichsetzt. Wer solch eine radikal-liberalistische, gefährlich extremistische Weltsicht propagiert, muss sich fragen lassen, ob er noch auf dem Boden der Verfassung steht, die eine soziale Bundesrepublik garantiert.
Poschardt hat seinen ursprünglichen Tweet mittlerweile gelöscht. Stattdessen macht er sich lustig über diejenigen, die ihn dafür kritisiert haben. Es wäre schön, wenn das nur lächerlich wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“