Polizeigewalt bei „Ende Gelände“: Aktivisten erheben schwere Vorwürfe
Drei Tage lang blockieren Umweltaktivisten Anlagen des Kohlekonzerns RWE. Nun wirft das Bündnis „Ende Gelände“ der Polizei unverhältnismäßige Gewalt vor.
dpa | Nach den dreitägigen Klimaprotesten im rheinischen Braunkohlerevier hat die Initiative „Ende Gelände“ schwere Vorwürfe gegen Einsatzkräfte der Polizei erhoben. Sie hätte unverhältnismäßig hart eingegriffen, teilte das Bündnis am Montag mit. Die Aachener Polizei will die Anschuldigungen nun prüfen. Bei den Einsätzen wurden auch aber Polizisten verletzt, und die Beamten warfen Demonstranten ebenfalls Gewalt vor. RWE als Betreiber des Tagebaus Garzweiler kündigte rechtliche Schritte gegen alle an, die sich an einer Besetzung des Tagebaus Garzweiler beteiligten.
Obwohl die Aktionen von „Ende Gelände“ am Sonntag offiziell beendet waren, besetzten andere Aktivistinnen am frühen Montagmorgen einen Bagger im Tagebau Hambach. Die Aktion sei nicht von „Ende Gelände“ organisiert worden, sagte eine Sprecherin. Nach Angaben der Aachener Polizei holten Einsatzkräfte die sieben Aktivistinnen am Mittag von dem Bagger und nahmen sie in Gewahrsam.
Nach Angaben der Initiative „Ende Gelände“ waren von Freitag bis Sonntag rund 6.000 Menschen an den Blockaden des Tagebaus Garzweiler und von Bahnlinien zu zwei Braunkohlekraftwerken beteiligt. Am Freitag hatte die Bewegung Fridays for Future eine friedliche Demonstration mit laut eigenen Angaben 40.000 Teilnehmern in Aachen organisiert. Am Samstag waren bei einer weiteren Demonstration nach Angaben der Initiatoren 8.000 Menschen dabei. Die Aachener Polizei äußerte sich nicht zu Teilnehmerzahlen.
Von Freitag an waren die Beamten 48 Stunden lang im Einsatz. Hitzig wurde es vor allem, als mehrere hundert Aktivisten am Samstag die Abbaugrube Garzweiler stürmten. Als die Polizei eingriff, sollen die Einsatzkräfte nach Angaben von „Ende Gelände“ Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt haben. Kathrin Henneberger, Sprecherin der Initiative, kritisierte dieses Vorgehen am Montag als unverhältnismäßig. Mehrere Aktivisten hätten in Krankenhäusern behandelt werden müssen, sagte Henneberger.
Unter anderem war auf einem bei Twitter kursierenden Video zu sehen, wie ein Polizist einem Demonstranten ins Gesicht schlägt. Ein Sprecher der Aachener Polizei sagte am Montag, man nehme die Vorwürfe ernst und prüfe sie eingehend. Sollten sie sich erhärten, würde eine andere Polizeidienststelle die Ermittlungen übernehmen.
Auch Landwirte verärgert
Vorwürfe, Polizeibeamte hätten den Demonstranten während der mehrstündigen Aktionen Wasser und Nahrung verwehrt, wies der Sprecher zurück. Bei der Gleisblockade habe die Polizei selbst die Aktivisten versorgt, in die Abbaugrube habe man zumindest Mitstreiter der Protestierenden mit Getränken durchgelassen.
Laut Polizei wurden indes mindestens ein Dutzend Beamte bei den Einsätzen am Wochenende verletzt. Derzeit ermittle die Polizei unter anderem wegen Hausfriedensbruchs, Gefangenenbefreiung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Wie viele Anzeigen RWE erstatten würde, konnte eine Konzernsprecherin am Montag noch nicht sagen. „Wir werden rechtliche Schritte gegen jeden einleiten, der unser Betriebsgelände unerlaubt betreten oder sich an Sabotageakten beteiligt hat“, sagte sie. Der finanzielle Schaden für RWE durch die dreitägigen Proteste werde noch ermittelt.
Doch nicht nur der Energiekonzern, auch ortsansässige Landwirte sind verärgert: Die Polizei bestätigte, dass sich bereits einige Bauern an sie gewandt hätten, weil ihre Felder wohl von Demonstranten zertrampelt worden seien. „Ende Gelände“ schrieb am Sonntag bei Twitter, dass man mögliche Ernteausfälle erstatten würde.
Nach dem Ende der Gleisblockade räumten acht „Ende-Gelände“-Aktivisten am Sonntagnachmittag zumindest dort den hinterlassenen Müll weg, wie die Sprecherin der Initiative sagte.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert