Politisches Versagen und Mietenwahnsinn: Bitte nicht, liebe Konzerne
Politiker glauben an die Verantwortung von renditegetriebenen Wohnungskonzernen. Während sie auf freiwilligen Verzicht hoffen, erhöhen diese die Mieten.
1 ,7 Milliarden Euro Gewinn hat Deutschlands – und auch Berlins – größter Vermieter Vonovia im vergangenen Jahr erzielt. Das freute insbesondere die Aktionäre, die sich über eine Rekorddividende von insgesamt fast 1,3 Milliarden Euro freuen konnten. Umgerechnet auf die 565.000 Wohnungen, die der Konzern besitzt, zahlte jede:r Mieter:in monatlich 190 Euro direkt an die Aktionäre. Quasi zum Dank hat der Konzern nun Mieterhöhungen in Aussicht gestellt.
Begründet hat Vonovia-Chef Rolf Buch das Vorhaben mit der Inflation. Liege diese „dauerhaft bei vier Prozent“ – momentan ist es etwa doppelt so viel – „müssen Mieten dementsprechend ansteigen“, so Buch. Angesichts dessen, dass die derzeit besonders erhöhten und preistreibenden Energiepreise aber direkt an die Mieter:innen weitergereicht werden, genauso wie höhere Wartungskosten oder eventuell steigende Lohnkosten für Hausmeister:innen, also angesichts dessen, dass Vonovia selbst von der Inflation kaum betroffen ist, ist Buchs Aussage schlicht gelogen.
Die Mieten müssen nicht wegen der Inflation steigen, sondern werden angehoben einzig aufgrund des Strebens des Konzerns nach Maximalprofit – wie es einem Börsenunternehmen inhärent ist. Man kann das mit einem Schulterzucken quittieren oder als Beweis dafür sehen, dass wichtige Lebensbereiche nicht dem Kapitalismus überlassen werden dürfen. Aber den Fakt, den sollte man akzeptieren.
Große Teile der Politik tun das nicht – und hängen der Illusion an, man könne Aktienkonzerne durch freundliches Zureden dazu bewegen, freiwillig auf ihre Gewinne zu verzichten: Als sei ein gutes Herz an der Unternehmensspitze wichtiger als die Gewinnerwartungen der Aktionäre.
Der gute CEO
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, in jungen Jahren einmal Freund von Vergesellschaftungen, fabuliert allen Ernstes von der „Verantwortung“ der Unternehmen. Und seine Parteigenossen erzählen in Berlin seit Monaten die Geschichte von Rolf Buch als dem Guten: dem Vermieter-CEO mit Gewissen sozusagen, ganz anders etwa als der eiskalte Michael Zahn, ehemals Chef der von Vonovia geschluckten Deutschen Wohnen.
Buch und Vonovia sind daher auch beliebte Gäste im Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten, mit dem Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) den Wohnungsmarkt befrieden will. Dabei setzt man eben nicht auf Gesetze, nicht auf einklagbare Rechte für Mieter:innen, sondern auf die Gutmütigkeit der Konzerne. Den sozialdemokratischen und grünen Träumereien eines freiwilligen Mietenmoratoriums haben die aber just eine Absage erteilt. Andere handfeste Mieterschutzmaßnahmen sind auch nicht zu erwarten.
Stattdessen hat Giffey die Idee der 30 Prozent aus dem Hut gezaubert: Niemand solle mehr als diesen Anteil seines Einkommens für die Miete zahlen. Dass sich so eine Absichtserklärung der Konzerne möglicherweise in der am 20. Juni erwarteten Abschlusserklärung des Wohnungsbündnisses finden wird, bedeutet vor allem: Es wird die Konzerne kaum etwas kosten, also für Mieter:innen nichts ändern.
Schon bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ist das Modell gescheitert. Nur im Promilleanteil haben Mieter:innen ihre Einkommensverhältnisse offengelegt und darauf hingewirkt, dass ihre Miete nicht weiter steigen oder gar abgesenkt werden dürfe. Dabei haben sie dort das Recht dazu; bei Vonovia und Co. bliebe es eine Bittstellerei.
Ohne Gesetze geht nichts
Der Abzocke der Mieter:innen, denen durch explodierende Nebenkosten das Schlimmste noch bevorsteht, lässt sich nur durch gesetzliche Regelungen beikommen. Ein Mietendeckel könnte helfen, die Vergesellschaftung womöglich auch.
Das Zweckentfremdungsverbot in Berlin, das es verbietet, Wohnungen als Ferienappartements zu missbrauchen, hat den Angriff Berliner Richter diese Woche zum Glück überlebt. Das Bundesverfassungsgericht sah keinen Grund zu der Annahme, dass durch diese Einschränkung privaten Profitstrebens die Verfassung verletzt sei. Immerhin.
Auch wenn es mit der Umsetzung schwierig ist, hat die Stadt seit Bestehen des Gesetzes Tausende Wohnungen wieder für ihre eigentliche Bestimmung zurückgewonnen. Hätte sie nur höflich gefragt, wäre nichts passiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit