Politiker und die EM: Von Blendern und Profiteuren
Zur EM zeigen sich Politiker plötzlich gerne im Nationaltrikot auf der Tribüne. Mit echter Volksnähe hat das wenig zu tun. Es ist purer Populismus.
E in von mir durchaus verehrter österreichischer Schriftsteller hat einmal gesagt, dem Sport sei zu allen Zeiten und vor allem von allen Regierungen aus gutem Grund immer die größte Bedeutung beigemessen worden, „er unterhält und benebelt und verdummt die Massen, und vor allem die Diktaturen wissen, warum sie immer und in jedem Fall für den Sport sind.“
Bei dieser EM, und da hatte Thomas Bernhard nur teilweise recht, waren nicht nur die Diktatoren für den Ballsport und reisten etwa von Ankara nach Berlin, um sich Finger- und Fußballspiele anzuschauen, nein, auch der Normalo-Politiker westlicher Prägung wanzte sich an das Ballspiel ran wie nichts Gutes.
Er oder sie zieht dann diese ekeligen Nylon-Trikots an und schnappschießt sich durch das Turnier, was bei einem gewissen Selfie-Minister dieser Bundesregierung kaum mehr zu ertragen war; aber was ist bei dem Herrn schon erträglich?
Der Fußball, so viel ist sicher, ist für Populisten da. Und da Politiker jeglicher Couleur anfällig sind für Populismus, eine klassische Berufskrankheit von Mandatsträgern, ist so eine Fußball-EM für sie ein gefundenes Fressen. Sie stopfen sich voll mit den Vibes und Brosamen, die ein erfolgreiches Team überlässt. Der Populist, so Wikipedia, bevorzuge einfache, emotional ansprechende Botschaften, um komplexe Probleme zu erklären.
Für den Tribünenpolitiker heißt das: Schaut her, liebe Wählerinnen und Wähler, ich trage das Nationalmannschafts-Leibchen, ich bin einer von denen da unten, die gerade so geil aufspielen. Bin ich nicht auch irgendwie geil?
Ist unsere Politik nicht irgendwie geil? Haben wir durch unser Fördergeld das alles nicht möglich gemacht? Leise rieselt der Sternenstaub aus fußballesker Produktion auf uns hernieder und schafft eine ganz wunderbare Patina, die auf Instagram oder Tiktok besonders gut rüberkommt.
Kontraproduktive Auftritte
Der Populist, obgleich mannigfaltig privilegiert, erprobt sich in der Rolle des kleinen Mannes, der kleinen Frau. Er will in der Masse aufgehen, um selbige zu manipulieren, nur klappt das nur bedingt, wenn die kritische Presse ihre Arbeit macht und herausfindet, dass zum Beispiel diese eine vorgeblich volksnahe Politikerin für ein paar Dutzend Kilometer das Flugzeug nimmt und mit dem Großjet in die Nacht hinaus braust, was eigentlich verboten ist für den Plebs.
Es ist halt schwer, kostenlos auf einem Ledersessel mit bester Sicht auf das Spielfeld sitzend so zu tun, als habe man den Spießrutenlauf der beschwerlichen Fan-Anreise gehabt, samt Zugverspätung, Anstehwahnsinn und Beutelschneiderei. Im Grunde wirken die Auftritte von Politikern und Politikerinnen heute kontraproduktiv, weil sie nicht mehr naiv konsumiert werden, sondern zynisch.
Die Absicht von Politfex A wird durchschaut: Er ist ein Blender, will im Stadionlicht noch greller erscheinen. Die Attitüde von Politstarlett B ist noch offensichtlicher: Sie möchte profitieren vom Superevent, sich dranhängen wie der Putzerfisch an den Hammerhai. So ist es schon immer gewesen, so wird es immer sein. Naturgemäß, würde Thomas Bernhard sagen.
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