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Pläne der EU-KommissionFinger weg vom Klimpergeld

Die EU-Kommission plant, keine 1- und 2-Cent-Münzen mehr zu prägen. In Bayern hört man das gar nicht gern.

Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist Foto: imago/OR Medienvertrieb

Hinterm Weißwurstäquator sind sie mal wieder „wegen Brüssel“ auf der Zinne: Beim CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber „schrillen alle Alarmglocken“. Es dürfe „keinesfalls der Einstieg in den Bargeldausstieg vorbereitet werden“.

Die Bayernpartei verlangte sogar, dass Bargeld „endlich Verfassungsrang erhalten muss“. Die Aufregung ist nur zu verständlich, denn: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen plant laut Süddeutscher Zeitung nichts weniger als sauberere Sofaritzen und das Ende des Münzgefummels an der Supermarktkasse.

Es geht um einen „Vorschlag für einheitliche Rundungsregeln“ – und die Abschaffung von 1- und 2-Cent-Münzen im Euroraum. Laut Bundesbank sind allein 35 Milliarden 1-Cent-Stücke in Europa im Umlauf, zusammen mit den 2- und 5-Cent geht es um fast 70 Prozent aller Euro-Münzen.

Dabei ist das Kleingeld teuer: die Prägung einer 1-Cent-Münze kostet etwa 1,65 Cent. Zudem verbrauchen die Minimünzen viele Ressourcen: In den fast 3 deutschen Milliarden Einern und Zweiern der Jahrgänge 2016 bis 2018 stecken insgesamt gut 7.000 Tonnen Stahl und 415 Tonnen Kupfer – sie sind also etwa so schwer wie 6.000 VW Golf. Viele Läden lehnen Klimpergeld bereits ab, weil Banken Gebühren für das Einzahlen von Münzen fordern.

Letzte Tage des Bargelds

Auf- und Abrunden ist einfach praktischer. Das haben bereits Italien, Irland und Finnland erkannt, die keine 1- und 2-Cent-Münzen mehr prägen. Auch in Belgien wird seit Kurzem in 5-Cent-Schritten gerundet. In Deutschland gibt es jetzt schon auf der Insel Wangerooge nicht mehr viel Kleingeld: Um zu sparen, liefert die zuständige Volksbank Jever seit Ende 2019 keine 1-, 2- und 5-Cent-Stücke mehr auf die Nordseeinsel.

Die Tage des Bargelds sind wohl gezählt: Viele horten es im Sparschwein, aber im stationären Einzelhandel wird bereits seit zwei Jahren mehr Geld per Giro- und Kreditkarte ausgegeben als in bar – Tendenz steigend.

Die Argumente der Münzfans sind dennoch nicht völlig von der Hand zu weisen: Online- oder Kartenzahlungen sind leicht nachzuverfolgen. Der Bayernpartei schwant deshalb das endgültige Ziel des perfiden EU-Plans: „Abschaffung des Bargelds und damit der gläserne und vor allem jederzeit zu enteignende Bürger“. Bereits das Ende des 500-Euro-Scheins „mit fadenscheinigen Argumenten“ erzürnte die bajuvarischen Rechtsaußen – dabei sollte das die Geldwäsche erschweren.

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32 Kommentare

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  • Sollten die Münzen wirklich abgeschafft werden, werde ich genau am ersten Tag der Rundungsgeschichte anfangen, mein Kupfergeld auszugeben, und zwar werde ich immer die letzten 9 Cent, genau passend bar bezahlen, selbst wenn ich alles andere mit Karte zahlen sollte.



    Dann wird noch schön lange Kupfer im Umlauf bleiben, sollten die vernünftigen Menschen alle so machen.



    Am Beispiel Wangerooge oder Kleve sieht man doch, dass das mal wieder Unfug ist

  • Übrigens, gestern bekam ich hier in Italien 1 Cent Wechselgeld zurück, obwohl ich schon aus dem Laden wollte. Ich dachte ja Italien braucht keine Centmünzen mehr....



    Vielleicht prägen sie keine Centmünzen mehr, benutzt werden sie jedenfalls noch.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Hier wird Rotgeld - absichtlich - mit dem gesamten Bargeld gleichgesetzt.

    Wozu? Wer profitiert?

  • Rio Reiser: „Leute, werft mir Geld auf die Bühne - aber ich will nichts klimpern hören.“

  • Nur nach der Abschaffung des Bargelds und des Verbots von individuellem Besitz von Edelmetallen werden sich noch höhere Minuszinsen durchsetzen lassen. Diese wiederum sind für den Erhalt des Euros alternativlos. Scheitert dieser, scheitert die EU und ihre gesamte Machtstruktur. Insofern sind die absehbaren nächsten Züge von Lagarde, von der Leyen etc. nicht schwer zu durchschauen. Das „Green Deal“ Gedöns ist dabei Kulisse für naive Bürger.

    • @Poseidon:

      Ist das in der letzten NWO Präsentation der AfD so erklärt worden?

      Target2-Salden in der Argumentation nie vergessen...

  • Die 1 und 2 Cent Münzen sind doch tatsächlich völlig überflüssig und füllen nur unnötig den Geldbeutel. Ich sortiere die ständig raus, weil die vielen Münzen beim Sitzen am Gesäß mächtig stören.



    Mit der Abschaffung dieser Klimpermünzen wäre nicht das Ende des Bargelds eingeläutet, sondern im Gegenteil würde man damit den Gegnern des Bargelds ihr einziges wirklich gutes Argument nehmen. Also weg damit - und gut iss'.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Vorschlag: mal über alternative Möglichkeiten der Aufbewahrung nachdenken. Ab einem gewissen Alter wird der zur Verfügung stehende Platz an der Vorderfront größer.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Nöö - die Glocken werden da nur länger als das Seil und das Gewicht bleibt vorne und hinten doch gleich.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Rainer B.:

          Als langjähriger Saunagänger sind meine empirischen Erfahrungswerte etwas andere.

          Was das Gewicht angeht, mögen Sie vllt. Recht haben. Das habe ich nicht experimentell überprüft. Beim Volumen hat meine Sehkraft zur Beurteilung ausgereicht.

          Für 'schenkende' Menschen sind zudem die Freuden des Gebens eine nicht zu unterschätzende Größe. Fragen Sie mal Busfahrer.

          Passend zum Thema verweigert mir die Tastatur meines Laptops das 'h': ist das ein Arsch aspiré - im Französischen?

          Mensch, was das Thema alles hergibt. Sa-gen-haft. :-)

          • @76530 (Profil gelöscht):

            In der Tat! Tut mir leid, aber mit französischen Ärschen kenn ich mich nicht so aus. Da muss ich passen.

            btw.: Als ich letztens mal wieder meinen Beutel von den Knickern befreite, glaubte ich zunächst Falschgeld gefunden zu haben. Es handelte sich aber um fünfzig Cent Stücke aus Frankreich, Österreich und Spanien, die ich zuvor noch nie gesehen hatte.

  • Aus der Abschaffung der kleinen Münzen die Abschaffung des Bargelds zu folgern, ist schon ein merkwürdiger Schluss.

    Es geht in wesentlichen um Rationlaisierung. dm hat alle Preise suf 5 Cent endend, Die Rundungen sind im Ausland weit verbreitet, also ließe sich gut und gerne auf die kleine Münzen verzichten.

    Bargeld indes isr wesentlich. Es ist anonym und auch ohne Zahlungsdienstleister verfügbar.

  • bisher wurde noch jede Idee ins Gegenteil verkehrt. Rohstoffbilanz etc. hin oder her, das sind die Verkaufsargumente, was sich daraus entwickelt wird sich erst noch zeigen.



    Es kommt auch immer auf den Standpunkt an, als Mensch mit Geld kommt es nicht aufs Kleingeld an, als Mensch mit Handy braucht man gleich gar kein Bargeld. Es gibt aber immer Menschen die außerhalb stehen.



    Was die praktische Bargeldabschaffung (darum geht es hier ja noch nicht) bewirkt kann man in Schweden sehr gut sehen. Solange du Geld verdienst alles kein Problem, aber wenn du Roma bist und Flaschen sammelst oder obdachlos bist hast du ein Problem. Das "Gute" daran, man sieht sehr schnell wie viele Menschen Ressentiments pflegen, z.B. an der Kasse, wenn da wieder so einer mit lauter Kleingeld ankommt oder Flaschenpfand haben will, das man ihm aber nicht aufs Handy auszahlen kann... aber so weit sind wir noch nicht.

  • taz: Beim CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber „schrillen alle Alarmglocken“. Es dürfe „keinesfalls der Einstieg in den Bargeldausstieg vorbereitet werden“.

    Dass ich tatsächlich mal auf der Seite der CSU bin, hätte ich auch nicht für möglich gehalten. Aber es ist wohl richtig, wenn die CSU hier vermutet, dass das ein nächster Schachzug werden soll, um das Bargeld abzuschaffen. Wer es immer noch nicht kapiert hat, nur Bargeld ist echtes Geld. Alles andere ist nur ein "Versprechen", dass man aus einer 'Zahl' eventuell richtiges Geld machen könnte. Mal davon abgesehen, ist bargeldloses Zahlen auch ein weiterer Schritt in die totale Überwachung durch den Staat. Wo kaufe ich ein? Bestimmt eine interessante Sache für einen Staat, nicht nur zu wissen, was der Bürger mit der "bargeldlosen Maschine" kauft, sondern auch, wo der Bürger sich zu einer bestimmten Uhrzeit aufgehalten hat, als er seinen Kauf getätigt hat. George Orwell steckt jetzt schon in jedem Smartphone, aber mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr wird unser Privatleben dann noch transparenter werden. Schon lustig; sich über die Überwachung in China aufregen, aber sich gleichzeitig freiwillig in einen Überwachungsstaat begeben zu wollen.

    • @Ricky-13:

      "Wer es immer noch nicht kapiert hat, nur Bargeld ist echtes Geld. Alles andere ist nur ein "Versprechen", dass man aus einer 'Zahl' eventuell richtiges Geld machen könnte. "



      Der Wert und die Akzeptanz ihres so verehrten Bargeldes ist auch nur ein Versprechen und ein Vertrauen. s.Hyperinflationen und Währungsreformen. Am Ende sind nur Beton und Kartoffeln echtes "Geld", nur halt kein Geld.

    • @Ricky-13:

      Um deine unbegründetet Panik noch etwas zu steigern: Deine Geldscheine und selbst die Münzen sind auch nur das Versprechen das du dafür morgen noch ein Brot kriegst. Wie wärs wieder mit Tauschhandel?

    • @Ricky-13:

      Dann stimmen Sie nicht nur der CSU zu, sondern auch der AfD (vgl. Europawahlprogramm). Diese Panikmache und Vergleiche mit China sind absolut unangebracht.

      • @Devil's Advocate:

        Aha. Wenn die AfD sagt 2 + 2 = 4, dann muss zwangsläufig 5 richtig sein?

      • @Devil's Advocate:

        Ich bin auch absolut gegen die Bargeldabschaffung.



        Bin ich deshalb ein Nazi?



        Eine sinnvolle politische Forderung wird nicht automatisch schlecht, nur weil die AfD sie auch vertritt.

        • @Stefan L.:

          Habe ich nicht behauptet. Mir ging es darum, dass Ricky so verwundert war, einer Meinung mit der ihm sonst diametral gegenüberstehenden CSU zu sein. Wie groß ist dann der Schock bei Einigkeit mit der AfD?

          Auch wenn das verschwörungstheoretische Denken tatsächlich typisch extremistisch ist. Nur eben nicht konstitutiv.

          • @Devil's Advocate:

            Rechte Parteien, wie z.B. die AfD, hängen gerne ihre Fahne in den Wind, um Stimmen abzugreifen. Wahrscheinlich wird die AfD bei der Klimafrage auch demnächst eine andere Position einnehmen und Greta Thunberg aufs Podest stellen um Wählerstimmern zu bekommen. Wären dann die Argumente der FFF-Bewegung auf einmal Blödsinn, nur weil die AfD dann auch endlich den menschengemachten Klimawandel nicht mehr leugnet? Solchen Parteien geht es nie um den Bürger, der Wahrheit oder der Zukunft eines Landes. Solchen Parteien geht es nur um die Erlangung der Macht und dann ändert man schon mal die eigene Meinung, wenn man sich dafür die Wählerstimmen der Bürger erhofft.

            Nichtsdestotrotz wäre die Abschaffung des Bargelds ein weiterer Schritt in Richtung Überwachungsstaat. Die taz schreibt also richtig: *Die Argumente der Münzfans sind dennoch nicht völlig von der Hand zu weisen: Online- oder Kartenzahlungen sind leicht nachzuverfolgen. Der Bayernpartei schwant deshalb das endgültige Ziel des perfiden EU-Plans: „Abschaffung des Bargelds und damit der gläserne und vor allem jederzeit zu enteignende Bürger“.*

    • @Ricky-13:

      Na ja, so gesehen ist auch Bargeld kein "echtes Geld", sondern nur ein Versprechen... Nein, das entscheidende Argument für Bargeld ist, dass es die bisher einzige etablierte, sichere, anonyme peer-to-peer-Zahlungsmöglichkeit ist. Gäbe es dazu eine Alternative, könnte man auch über die Abschaffung von Bargeld reden.

  • Das ist doch nichts weiter als eine billige Retourkutsche für das Unterliegen des CSU-Mannes gegenüber der CDU-Frau, in meinen Augen beide völlig ungeeignet. Timmermans hätte es werden sollen. Und genau die gleiche Leier wie bei der Einführung des Mindestlohnes, und demnächst der Autobahnhöchstgeschwindigkeit in D wie in allen üblichen Ländern auch, selbst wenn manche meinen, 130 sei Kriechen, wie ich von einem Raserfetischisten schon lesen musste.

  • Ob ein gläserner Bürger nun wirklich schlimmer wäre als ein gläserner Konsument?

  • Schade, dass die Angabe fehlt, wie hoch die Säule sein würde, wenn man sie alle übereinanderstapelt. Der Golfvergleich kommt nicht ganz an die Sinnlosigkeit des Vergleichs heran. Immerhin wurde darauf verzichtet, die Co2 Bilanz auszurechnen.

    Spass beiseite, eine App (Taschenrechner oder Kopfrechnen) wird dann benötigt, um auszurechnen, wieviele 9 cent Artikel man kaufen muss, damit man durch Abrundung keine zusätzlichen cents (wer den Pfennig nicht ehrt.....) verliert.

  • Ich sehe keinen Grund, bei einer Abschaffung der 1- und 2-Cent-Stücke gleich die Abschaffung des Bargelds zu befürchten. In der Schweiz sind die 1- und 2-Rappen-Stücke schon länger ausser Kurs (ein Euro entspricht im Moment 1.07 Franken, die Werte sind also vergleichbar), nämlich seit 1978 (2 Rappen) bzw. 2007 (1 Rappen). Dafür gibt es mit der 1000-Franken-Note eine der "teuersten", wenn nicht die teuerste Banknote der Welt...

  • Das System mit ohne 1 und 2 Cent hatten se auch schon vor über 10 Jahren in Australien eigentlich ne super Sache wenn man sich unter Kontrolle hat: weil im Supermarkt hat man wenn man 2 Schoki, 2 Cola, 2 Tüten Chips,... immer jeweils 1 Cent virtuell gespart (natürlich passt das nur wenn man so rechnet das auch die Gesamtsumme dann entsprechend abgerundet wird, aber soweit haben viele wohl nicht gedacht.)

  • Endlich: Nicht mal mehr die Parkuhr nimmt noch 5ct Münzen an. Außer die Taschen ausbeuelen kann man mit den Kupfermünzen nix mehr anfangen. Oder kennt jemand einen Artikel, den man für 1ct kaufen kann?

    • @ganzjahres Reichweite:

      nee, aber für 9... ;-)

      • @StSx:

        Und welcher Artikel wäre das?! Und wäre das so schlimm, wenn man für diesen Artikel 10 Ct bezahlen muss?