Personalnotstand in Krankenhäusern: Sie dringen nicht durch

Schon wieder beklagen Krankenhäuser Personalnotstand, die Lage ist kritisch. Es ist nicht das erste Mal, dass ihre Mahnungen verhallen.

Ein leeres Bett im Krankhaus mit Gerätsmedizin

2.000 Betten weniger stehen zur Verfügung, Personal fällt wegen Corona aus Foto: Jonas Güttler/dpa

Abgesagte Operationen und ein eingeschränkter Betrieb auf den Intensivstationen. Die Nachricht haben Sie sicher schon mal gehört. Vor ein paar Monaten oder im Winter 2020. Der Personalstand in den Krankenhäusern hat sich seitdem aber nicht verbessert. Im Gegenteil: Dieses Jahr stehen 2.000 weniger Intensivbetten zur Verfügung, reihenweise Personal fällt wegen Corona aus. Die Situation in den deutschen Krankenhäusern ist derzeit kritisch. Schon wieder.

Und das alles vor dem „schwierigen Herbst“, den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seit Wochen auf jeder nur möglichen Plattform vorhersagt. „Die Pandemie wird leider nicht in die Sommerpause gehen“, sagte Lauterbach noch vergangenen Donnerstag im Bundestag.

Auf seinem Twitter-Account kündigte er an, dass er während der parlamentarischen Sommerpause auf seinen Urlaub verzichten werde, um unter anderem am neuen Infektionsschutzgesetz zu arbeiten. Der Gesundheitsminister muss sich momentan gegen den Vorwurf verteidigen, dass dieser Tage eine „Durchseuchung durch die Hintertür“ stattfindet.

Weil die Coronatests seit Anfang Juli nicht mehr für alle kostenlos sind, würden viele Infizierte ihrer Erkrankung gar nicht auf den Grund gehen, so die Kritik. Auch eine strengere Maskenpflicht steht nicht auf der kurzfristigen Agenda – obwohl der Bericht der Sachverständigen­kom­mis­si­on zu den bisherigen Maßnahmen in der Pandemie feststellt, dass sie effektiv schützen.

Wir hinken hinterher

Lauterbach bleibt bei seiner Kommunikationsstrategie, oft und gerne zu wiederholen, dass Deutschland schon auf den Herbst vorbereitet sein werde. Anschließend listet er die sieben Punkte seines Schutzmaßnahmenplans auf. Twitter-Nutzer*innen, die den SPD-Gesundheitsexperten einst begeistert anhimmelten, reagieren inzwischen vermehrt mit Häme und Kritik. „Zu spät“ liest man immer wieder. „Alles viel zu spät.“ Lauterbach mag heldenhaft auf seinen Urlaub verzichten. Einige Mit­ar­bei­te­r*in­nen von Krankenhäusern sind nun aber in ihrem verdienten Sommerurlaub. Viele andere müssen sich aufgrund einer Coronainfektion isolieren.

Der Präsident des Intensivmediziner-Verbands DIVI, Gernot Marx, spricht von 736 Intensivstationen in Deutschland, die derzeit wegen Personalmangels im eingeschränkten Betrieb arbeiten. Diese müssten gerade etwa doppelt so viele Covid-Patient*innen wie zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr intensivmedizinisch behandeln – mit sehr viel weniger Betten. Die Situation sei, so Marx, gerade ähnlich wie sonst im Herbst oder Winter.

Das mag man kurz zur Kenntnis nehmen, aber Nachrichten zur Pandemie rangieren bei vielen Menschen gerade weit unter den Aufregerschlagzeilen zur Traumhochzeit Christian Lindners. Täglich grüßt das Murmeltier, Pandemie ist zum Alltag geworden. Überlastungen in den Krankenhäusern? Ja, andauernd, schlimm.

Linken-Chef Martin Schirdewan fordert Luftfilter für Schulen? Immer noch? Im Juli 2022? Wie absurd. Es verfängt das Gefühl, dass es wieder so ist wie immer: Wir hinken hinterher. Währenddessen ist die Pandemie im Supermarkt, bei Konzerten und teilweise selbst in ärztlichen Praxen augenscheinlich vorbei. Oder zumindest aufgrund fehlender Masken und keinerlei Abstandsregeln nicht mehr sichtbar. Voll okay, die Regeln sind Geschichte. Schön auch, dass man sich beim Anstoßen wieder anlächeln kann. Du willst einen Schluck von meinem Bier? Klar doch.

Die Pandemie ist nicht vorbei

Dass die Pandemie noch lange nicht zu Ende ist – beispielsweise für all die Menschen, die an Long Covid erkrankt sind oder solche, die sich wegen Vorerkrankungen weiterhin isolieren müssen – wollen viele Menschen schlichtweg nicht mehr wissen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach dringt mit den immer gleichen Warnungen schon längst nicht mehr durch. Doch hinter den Zahlen aus den Kliniken, die nicht mehr im Normalbetrieb arbeiten können, stecken vor Ort erschreckende Zustände, die nicht nur eine Mehrbelastung für das ohnehin schon überarbeitete Personal bedeuten.

Noch schlechtere Arbeitsbedingungen werden langfristig zu einem noch größeren Fachkräftemangel führen. Schon jetzt fehlen nach Einschätzung von Ex­per­t*in­nen etwa 80.000 Pfle­ge­r*in­nen. Das bedeutet eine schlechtere Gesundheitsversorgung insgesamt. All das steht hinter dieser erneuten Mahnung aus den Kliniken. Die Politik sollte sie nicht ein weiteres Mal verhallen lassen.

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