Parteitag der Grünen: Pragmatisch und einig
Auf ihrem Parteitag zeigen sich die Grünen diszipliniert und pragmatisch: Baerbock erhält volle Unterstützung, beim CO2-Preis wagt man nur wenig.
Z ynisch kann man sagen, dass den Grünen die durchgedrehte Benzinpreisdebatte sogar genutzt hat. Dass CDU, SPD und Bild-Zeitung auf die Ökopartei einprügelten, obwohl die Groko den CO2-Preis-Anstieg selbst beschlossen hatte, dürfte auch dem rebellischsten Basis-Grünen klar gemacht haben, wie brutal dieser Wahlkampf ist.
Brav, diszipliniert und pragmatisch lehnten die Delegierten des Grünen-Parteitags jede Verschärfung des Wahlprogramms ab. Höherer CO2-Preis? Nö. 70 km/h auf Landstraßen? I wo. Früheres Aus für den Verbrenner? Bloß nicht. Wie die Grünen-Spitze antizipiert auch die Basis, dass man den Gegnern nicht ohne Not Angriffsfläche bietet. Das ist klug und nachvollziehbar.
Die Grünen werden in der öffentlichen Debatte ja gerne in ein Bullshit-Bingo gezwungen. Vor der Klimaschutzbewegung müssen sie sich dafür rechtfertigen, nicht radikal genug zu sein – während gleichzeitig Paul Ziemiak vor der grün-sozialistischen Verbotsrepublik warnt.
In diesem Spannungsverhältnis haben sich die Grünen auf ihrem Parteitag gut geschlagen. Das Wahlprogramm enthält ambitionierte Anliegen, die – würden sie Wirklichkeit – einiges verändern würden in der Republik. Ein milliardenschweres Investitionsprogramm, ein klimapolitischer Mix aus Preis- und Ordnungspolitik sowie Anreizen, ein Mindestlohn von 12 Euro, eine sanktionsfreie Grundsicherung für Arbeitslose – diese Pläne würden vielen Menschen helfen, gerade solchen mit wenig Geld.
Beim CO2-Preis nicht ambitioniert
Was davon in einer Koalition mit der Union übrig bleibt, ist eine andere Frage (klimapolitisch einiges, sozialpolitisch wenig). Aber manchmal trauen sich die Grünen zu wenig. So warb der Klimaaktivist Jakob Blasel in einem Antrag dafür, die Preisforderung auf 80 Euro pro Tonne Kohlendioxid zu erhöhen. Die Idee war gut begründet, wissenschaftlich valide – und sie wäre für die Deutschen verkraftbar, wenn es einen sozialen Ausgleich gäbe.
Allein die Grünen zuckten zurück. Nun werden sie beim CO2-Preis, einem zentralen Baustein der Klimawende, mit einer Forderung in den Wahlkampf ziehen, die sich nur in Nuancen von der Groko-Linie unterscheidet. Das kann man machen, aber man sollte es nicht ambitioniert nennen. Das Dilemma solcher Zugeständnisse an die Mehrheitsfähigkeit ist, dass die Klimakrise für die Grünen dann doch nicht so dringend scheint, um wirkliche Risiken einzugehen.
Annalena Baerbock wirkte gebremst, ihr war der enorme Druck anzumerken, der auf ihr lastet. Ihre Rede, mit der sie sich der Republik als mögliche Kanzlerin präsentieren wollte, gelang ihr mäßig gut, auch wenn die grüne Fankurve pflichtbewusst Lobgesänge anstimmte. Und den Grünen ist bewusst, dass nach dem Fehler mit den Nebeneinkünften, nach den Ungereimtheiten im Lebenslauf nicht mehr viel kommen darf.
Aber alle, die bei den Grünen etwas zu sagen haben, stehen geschlossen hinter ihr – und die Basis auch. Das war bei gescheiterten SPD-Kanzlerkandidaten anders. Für die Bundestagswahl heißen Baerbocks Pannen der vergangenen Wochen nichts, alles ist offen. Ob es einen heißen Sommer gibt, wird entscheidender für den Wahlausgang sein als ein paar peinliche Vitakorrekturen.
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