Grüne diskutieren Klimaschutz: Parteitag lehnt härtere Linie ab

Der Kampf gegen die Erderwärmung ist ein grünes Herzensthema. Mehrere Vorstöße für eine Verschärfungen des Programms lehnen die Delegierten jedoch ab.

Anton Hofreiter von Bündnis 90/Die Grünen, spricht bei der Bundesdelegiertenkonferenz seiner Partei zu den Mitgliedern

Ambitionierte Klimaziele dürften niemanden überfordern, erklärte Hofreiter bei seiner Rede Foto: John MacDougall/reuters

BERLIN dpa | Der Grünen-Parteitag hat mehrere Vorstöße für teils weitreichende Verschärfungen des Klimaschutzprogramms mit deutlichen Mehrheiten abgelehnt. So votierten die Delegierten gegen ein Tempolimit von 70 Stundenkilometern auf Landstraßen und ein Aus für neue Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor schon 2025. Im Vorfeld waren insbesondere im Klimabereich heftige Diskussionen erwartet worden – der erste Tag der dreitägigen Online-Delegiertenkonferenz endete sogar früher als geplant. Das lag aber auch daran, dass es wenig technische Probleme gab.

Mit großer Mehrheit lehnte der Parteitag den Ruf nach einem Tempolimit auf Landstraßen ab. Dem Gegenantrag zufolge sollte außerhalb geschlossener Ortschaften ein generelles Tempolimit von 70 Kilometern pro Stunde greifen. Stattdessen votierten die Delegierten für die vom Bundesvorstand vorgeschlagene Obergrenze von 130 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, ohne neue Vorgaben für Landstraßen. Auch eine Initiative, ab 2025 keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen, scheiterte klar. Eine Mehrheit gab es für den Vorschlag des Vorstands, die Zulassung von Verbrennern ab 2030 zu verbieten.

Auch ein Vorschlag zu einem noch höheren CO2-Preis wurde deutlich abgeschmettert: Die Delegierten votierten am Freitagabend mit 473 Stimmen gegen einen Antrag, der vorsah, den CO2-Preis auf Öl und Gas bereits im kommenden Jahr auf 80 Euro zu erhöhen und danach jährlich um 15 Euro steigen zu lassen. Der CO2-Preis soll den Verbrauch von fossilen Brennstoffen verteuern – damit steigen auch die Preise für Sprit und zum Beispiel Heizöl.

Zuspruch gab es für den Vorschlag des Bundesvorstands, den CO2-Preis ab 2023 auf 60 Euro zu erhöhen. Derzeit beträgt der CO2-Preis auf Öl und Gas, der seit 1. Januar fällig ist, 25 Euro pro Tonne. Nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung soll er im Jahr 2025 55 Euro betragen.

Die Mehrheit, die man brauche

Parteichef Robert Habeck hatte die Delegierten zuvor gewarnt, die Preisschraube beim CO2-Preis zu sehr anzuziehen. „Wenn wir zu steil einsteigen, dann verlieren wir das Projekt Energiewende und die Mehrheit, die wir dafür brauchen“, sagte Habeck.

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter beschwor den sozialen Zusammenhalt. Ambitionierte Klimaziele dürften niemanden überfordern, erklärte Hofreiter bei seiner Rede. Die Menschen hätten „berechtigte Sorgen“, das gelte für Beschäftigte in der Automobilindustrie, aber auch für andere Teile der Gesellschaft, etwa Mieterinnen und Mieter, sagte Hofreiter. Es sei die Aufgabe seiner Partei, aufzuzeigen, „wer welche Lasten“ trage. „Wir wollen ein sozial gerechteres Land“, erklärte Hofreiter.

Zugleich bekannte er sich zum Ziel seiner Partei, „in 20 Jahren klimaneutral werden“ zu wollen – und damit vier bis fünf Jahre früher, als es die Bundesregierung vorhat. Das sei eine enorme Herausforderung, weil das Land beim Klimaschutz „wahnsinnig viel Zeit verloren“ habe, betonte der Fraktionschef.

Hofreiter erklärte, dass seine Partei den Menschen mit einem sogenannten Energiegeld die Kosten für den CO2-Preis zurückgeben wolle. Außerdem solle es Klimazuschüsse geben, damit sich die Menschen ein sauberes Auto leisten könnten und eine Entlastung von Mietern beim CO2-Preis.

Noch bis Sonntag stimmen die Delegierten wegen der Corona-Pandemie digital ab. Vor Ort in Berlin sind nur Bundesvorstand und Präsidium sowie die Sitzungsleitung und einzelne Redner. Zu den Reden von Habeck und zu Baerbocks Rede am Samstag wurden zudem je hundert Neumitglieder aus Berlin eingeladen. Die Abstimmung über den Titel des Wahlprogramms wurde gleich zu Beginn auf Sonntag vertagt. Der Vorstand hatte „Deutschland. Alles ist drin“ vorgeschlagen – manche Delegierte wollen das Wort „Deutschland“ streichen.

Seit Mitte Mai belasten negative Schlagzeilen die Grünen: Zuerst wurde bekannt, dass Baerbock Sonderzahlungen an den Bundestag nachmeldete. Dann gab es Kritik, weil sie und ihre Partei mehrmals irreführende Angaben im Lebenslauf von Barbock gerade rücken mussten. „Seit drei Wochen stehen wir im Gegenwind“, sagte Habeck, der gemeinsam mit Baerbock das Spitzenduo für den Wahlkampf bildet. Er versprach: „Wir werden die Fehler abstellen.“ Ihr Motto sei: „Mit Gelassenheit und Stärke – durch dick und dünn.“

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