Parteiprogramme für die Bundestagswahl: Die Groko ist noch nicht gesetzt
Die Grünen bewegen sich auf die Sozialdemokraten zu – und setzen einen Gegenpol zum konservativ-marktgläubigen Lager. Das macht Lust auf Wahlkampf.

D achte jemand, dass der Wahlkampf dröge wird und die Bundestagswahl schon entschieden ist? Jetzt wird's erst richtig spannend. Nun, da fast alle im Bundestag vertretenen Parteien ihre Programme veröffentlicht haben, wird deutlich, dass es einen echten Ideenwettbewerb in der demokratischen Mitte gibt. Das aktuell wichtigste Thema, die schlechte Wirtschaftslage und wie diese verbessert werden kann, ist gleichzeitig das umstrittenste. Hier deutet sich ein interessanter Lagerwahlkampf an.
Was die Grünen fordern, passt perfekt zum Programm der SPD und steht dem, was Union und FDP (und ganz rechts außen die AfD) wollen, zum Teil diametral entgegen. Mehr noch, Grüne und SPD haben viele Überschneidungen, beispielsweise den sogenannten Deutschlandfonds, den entweder der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck oder die SPD-Fraktionsvize Verena Hubertz erfunden haben wollen. In diesem milliardenschweren Fonds soll privates und öffentliches Geld gesammelt werden, um Brücken, Schienen, Schulen zu sanieren.
Beide Parteien sehen zudem die Notwendigkeit, zum Wohle der maroden Infrastruktur die Schuldenbremse zu reformieren. Sie wollen unisono staatliche Investitionsprämien, setzen auf den Ausbau erneuerbarer Energien und fordern gleichlautend einen Mindestlohn von 15 Euro und viel höhere Steuern für Reiche.
Die Union will all das nicht, genauso wenig wie die FDP. Eine Vermögenssteuer lehnen beide Parteien ab, stattdessen sollen Unternehmen und Reiche entlastet und dafür soziale Ausgaben kräftig beschnitten werden. Staatlich gelenkten Klimaschutz lehnt Schwarz-Gelb ab und vertraut lieber auf marktwirtschaftliche Kräfte, vor allem auf den CO2-Preis. Nach dem Motto: Wenn sich die Menschen irgendwann das Benzin nicht mehr leisten können, werden sie ein E-Auto kaufen.
Zwei echte Alternativen
Im Kern wollen die einen den Staat stärken, die anderen den Markt. Zwei Konzepte, die für die Wahlbürger:innen eine echte Auswahl bieten. Der Weg zu einer lagerübergreifenden Koalition, wie sie derzeit am wahrscheinlichsten ist, wäre dagegen weit.
Zudem bergen solche lagerübergreifenden Bündnisse Risiken. Entweder sind sie disruptiv wie die Ampel oder sie stagnieren in entscheidenden Fragen wie die letzte Große Koalition beim Klima. Eine Groko oder ein schwarz-grünes Bündnis sind längst nicht gesetzt. Passender und progressiver wäre ein Bündnis aus SPD und Grünen und möglicherweise sogar plus Linkspartei, die in vielem ähnlich tickt.
Ein unrealistischer Weihnachtswunsch? Mal sehen. Sind ja noch 68 Tage bis zur Bundestagswahl.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme