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Sorry, der Backofen fehlt

Warum werden bisher nur so wenige Hotels zu Unterkünften für Schutzsuchende umfunktioniert? Ein Problem sind offenbar hohe behördliche Auflagen zur Ausstattung der Zimmer

Von Frederik Eikmanns und Luisa Kuhn

Deutschland steht still. Und das trifft ganz besonders schutzbedürftige Menschen wie Flüchtlinge, Obdachlose und Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen müssen. Denn Übernachtungsmöglichkeiten sind geschlossen, Wohnheime unter Quarantäne und Frauenhäuser überlastet.

Inzwischen mehren sich deshalb Rufe, die fordern, Hotelzimmer für diese Menschen bereitzustellen, um ihnen Schutz sowie Privatsphäre zu bieten und gleichzeitig die Coronapandemie auszubremsen. Denn an Orten wie den Flüchtlingsunterkünften mit teilweise bis zu 6 Personen pro Zimmer hat das Virus derzeit wohl leichtes Spiel.

Zwar gibt es in Frankfurt, Berlin und auch in anderen Städten mittlerweile erste Hotels, die umfunktioniert werden. Dabei scheint es sich aber um Einzelfälle zu handeln. Warum bleibt es bei solch zaghaften Bemühungen, wo die Hoteliers doch finanziell vermutlich auch profitieren könnten?

Einen genauen Überblick, wo derzeit Bemühungen laufen, Hotels für Hilfsbedürftige umzufunktionieren, hat auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband nicht – dafür entwickelt sich die Lage derzeit zu schnell. „Wir wissen indes, dass sich zahlreiche Hotels bereit erklärt haben, Zimmer für Hilfsbedürftige zur Verfügung zu stellen“, sagt Ingrid Hartges, die Hauptgeschäftsführerin. Es gelte allerdings, die hohen hygiene- und sicherheitsrelevanten Auflagen zu erfüllen. Letztendlich sei das Angebot immer eine unternehmerische Entscheidung.

Eine, die helfen will, ist Brigitte Koch. Sie leitet das Hotel Tiergarten in Berlin-Mitte: 22 Mitarbeiter*innen und 65 Zimmer. In den Zimmern der obersten Etage könnte das Hotel bis zu 40 Geflüchtete einquartieren. Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) stellt sich jedoch quer.

Das Problem: Die Zimmer erfüllen die Auflagen nicht. Nach denen müsste in jedem Zimmer eine Kochmöglichkeit und ein Kühlschrank stehen. „Ich habe dann jeweils fünf Kochplatten und Kühlschränke besorgt“, erzählt Brigitte Koch. Die Anschaffung musste sie selbst bezahlen.

Das Hotel habe bis jetzt aber immer noch keine Erlaubnis bekommen – es fehlen Backöfen. „Wir sind natürlich bereit, auch die noch fehlenden Küchengeräte zu besorgen. Aber dafür bräuchten wir eine sichere Zusage seitens des Lageso“, erzählt Koch. Mit einer solchen Zusage rechne sie inzwischen aber nicht mehr. „Überspitzt gesagt müsste ich also einem minderjährigen Flüchtling, der gerade mehrere tausend Kilometer zu Fuß hinter sich gebracht hat, derzeit mitteilen: Ich kann Sie leider nicht aufnehmen, weil wir keinen Backofen haben.“

Die Verantwortung für diese Situation sieht Koch aber nicht direkt bei der Lageso: „Das Amt muss sich eben an seine Vorlagen halten. Ich würde mir wünschen, dass man in solch einer Situation die Formalia lockert.“ Dieses Signal müsse von Bundesebene kommen, findet die Hotelmanagerin.

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