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Olaf Scholz als SPD-KanzlerkandidatVorwärts nach gestern

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Es läuft auf Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der SPD hinaus. Und schon wieder gibt es in der Partei jene Selbstzufriedenheit, auf die der nächste Absturz folgt.

...und läuft und läuft: Olaf Scholz im Finanzministerium Foto: Hannibal Hanschke/reuters

V or ein paar Wochen meldet ein Magazin, dass die SPD-Führung den Fraktionschef Rolf Mützenich zum Kanzlerkandidaten machen wird. Das gehörte eher in die Rubrik Klatsch als zum Nachrichtenjournalismus.

In Wahrheit spricht ziemlich viel für Finanzminister Olaf Scholz, dessen Akzeptanz in der Partei mit der Pandemie und Krisenmanagement in neue Höhen geschnellt ist. Das Konjunkturpaket, die zentrale Weichenstellung der Regierung, hat eine sozialdemokratische Tönung. Auch die Basis der Bürgermeister-Partei SPD weiß zu schätzen, dass die SPD in Berlin zu Recht an die Kommunen gedacht hat. In der Not sind die ideologischen Unterschiede zwischen der eher linken Parteispitze Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken und dem Pragmatiker Scholz geschwunden: Wir sind alle Keyensianer.

Das allerdings löst die Frage, wer die Kosten der Neuverschuldung trägt, keineswegs. Esken will Reiche besteuern, Scholz vor allem Schulden zurückzahlen. Nun hat Scholz die Lektion des SPD-Basisvotums zur Kenntnis nehmen müssen: Bloß weiter so geht nicht mehr. Mit Arroganzgesten kann man keine Partei führen – erst recht keiner in einer so fundamentalen Krise wie die SPD.

Ob Scholz allerdings die Niederlage wirklich als Schock begriffen hat, der echte Umkehr nötig macht, und nicht bloß als unverdienten Dämpfer verbucht hat, ist offen. Also Scholz? Das bedeutet, dass sich Walter-Borjans und Esken, die formal das Vorschlagrecht haben, selbst zu einer Episode und einem Irrtum erklären. Denn in dem Moment, in dem sie Scholz küren, haben sie machtpolitisch nichts mehr zu melden.

Bedenklich stimmt auch, dass viele in der SPD die Groko derzeit über den grünen Klee loben. Es stimmt, dass die Groko in der Krise gut funktioniert. Aber auch das ist nur eine Momentaufnahme – und kein Grund, alle Schwüre, dies sei hundertprozentig die letzte Groko, zu vergessen, die bis vor drei Monaten auch SPD-Rechte von sich gaben.

All das ist nicht neu. Die SPD war auch in der Krise 2009 der Motor in der Groko, genutzt hat es ihr nichts. Es gibt schon wieder zu viel Sehnsucht nach Altem in der SPD – und jene mehltauhafte Selbstzufriedenheit, auf die immer der nächste Absturz folgt.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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22 Kommentare

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  • Es wird leider so sein, dass viele WählerInnen Scholz besser einschätzen und nicht, wie ich, ihn als Antisozialdemokraten sehen, der kräftig daran beteiligt war und ist, um die 15 Prozentmarke zu dümpeln.

    Die Basis hat mit Walter Borjans und Esken die richtigen Vorsitzenden gewählt. Ein Akt der Wiederbelebung sozialdemokratischer Programmatik.



    Diese Vorsitzenden wurden allerdings durch viele Mitglieder Im Kabinett und in der Fraktion extrem ausgebremst. Und Walter Borjans sowie Esken haben dicht die Kraft gehabt, sich durchzusetzen und damit zu zeigen, dass sie aus der SPD eine neue und moderne sozialdemokratische Partei machen können.

  • RS
    Ria Sauter

    Scholz wird Kanzlerkandidat ß



    Ich dachte der 1. April wäre vorbei.



    Das sollte mal jemand der Partei sagen, unbedingt.

  • Es können nur noch Eskens, Mr. B, Links-- und Rechtspopulisten RRG verhindern. Hoffentlich verbasslelt es die RRG-Linke nicht schon.

  • Die wollen halt einfach nicht gewählt werden. Koalitionspartner der CDU/CSU scheint das Ziel zu sein. Ein kleiner Teil Sozialdemokraten, Sozialisten und Linke überhaupt werden Scholz wählen und Rechte und Konservative treffen auch eine andere Auswahl. Die parlamentarische Sozialdemokratie scheint tot zu sein.

  • Die traurige Wahrheit: Es gibt keine SPD mehr. Es gibt eine kleine Machtelite, die skrupeltos alles tut, um sich Dienstwagen und Ministerbüros zu sichern. Und eine große Basis, die wie eine Schafherde dem Leithammel hinterher rennt, der am lautesten blökt.



    Bohrjans und Esken sind nicht vom Himmel gefallen: Die Basis hat entschieden, dass sie eine SPD möchte, die Schröder endlich hinter sich läßt und wieder Politik für die Menschen macht. Diese Idee - zusammen mit den beiden Parteivorsitzenden, die sie vertreten, wurde von Scholz & Co professionell weggemobbt. Sie werden sich irgendwann verabschieden, mit mehr Messern im Rücken als Stacheln bei einem Igel.



    Scholz wird Kanzlerkandidat, und die SPD tritt ab von der Bühne.

  • Wofür braucht die SPD einen Kanzlerkandidaten? Die können froh sein wenn sie über 10% kommen. Zusammen mit den Grünen viell. leicht an 20% kratzen.



    Weit entfernt von der Mehrheit die ein Kanzler braucht.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    niemand will eine bundesverscholzung.



    walter-borjans und esken sind der erste lichtblick der sozialdemokratie seit willy brandt.



    aber: in "erfolgreicher" und "bewährter" spd-manier der letzten jahre wird wohl trotzdem scholz der nächste kanzlerkandidat.



    die staatstragenden ereignisse rund um g20 in hamburg sollten wohl die meisten potentiellen scholz-wähler noch vor augen haben...



    was solls, ab dafür in den abgrund, zusammen mit der fdp.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @90118 (Profil gelöscht):

      Seit Schröder rückt die SPD nach links und seit Schröder verliert sie an Stimmen, wenn es links der Mitte-SPD was zu gewinnen gäbe hätte die Linkspartei was davon mitbekommen.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Mit Schröder, Clemens und Müntefering und der Agenda 2010 ist die parlamentarische Sozialdemokratie in Deutschland gestorben, nicht danach.

  • Irgendwann werden auch die letzten Wähler gestorben sein, die immer noch glauben, dass in der SPD Sozialdemokraten sind.

  • Also normalerweise muss es doch eine/r Vorsitzende/r machen. Warum nimmt die SPD also nicht Walter-Borjans oder Esken. Da hätte ich gute Hoffnung für einen positiven Wahlausgang.

    • @Günter:

      Weil die beiden bisher weder hinreichend Kompetenz noch Charisma vorweisen konnten. Im linken Spektrum mögen die beiden ankommen, da sie nicht Scholz sind und politisch linker sind. Für alle anderen sind sie Schnarchnasen, die man sich besser in der Bibliothek als im Kanzleramt vorstellen kann.

      • @Devil's Advocate:

        Irony is Fate's most common figure of speech ;-)

  • Eine 15%-Partei braucht dringend einen Kanzlerkandidaten, logisch. Da Scholz einen wesentlichen Anteil an den 15% hat, ist er der ideale Wahl.

  • Ich glaube, Olaf Scholz wird Kanzler. Aber es wird ein Alptraum für ihn werden, weil er sich Allianzen bauen muss, die implizieren, dass er nur eine Episode in der Geschichte sein wird.

    Scholz ist seine eigene Treppe und sein eigener Totengräber zugleich. Irgendwo hinkt seine Karriere, an irgendeinem Punkt schlägt das Schwert der Demokratie gegen ihn aus und bringt ihn wieder runter.

    Er kann jetzt auch nicht mehr nach Altona als einfacher Abgeordneter zurückkehren oder in Hamburg irgendeinen Job machen, er muss Kanzler werden. Die SPD liebt ihn schon jetzt nicht, sie brauch ihn, aber auch nur jetzt, schon morgen, schon in ein paar Jahren könnte er eine Belastung sein.

    Er ist vielleicht zu sehr seinem eigenen Trend aufgesessen, aber der SPD fehlt es an Substanz. Sie hat zu viele Federn zu schnell gelassen. 2003 ging es los, seither ist diese Partei arg gebeutelt und droht gerade in Bundestagswahlkämpfen abzusacken ohne jeden Auslöser.

    Die SPD hat Deutschland zu einem armen Ausbeuterstaat gemacht - zu einer Gesellschaft, die nur noch auf Spaltung und Ausgrenzung basiert, es ist genau die Gesellschaft, die Johannes Rau 1983 für immer beseitigen wollte, eine Zwei-Drittel-Gesellschaft, in der kline Machtzirkel sich ungehindert durchsetzen können.



    Selbst wenn die Wirtschaft wächst und die Arbeitslosigkeit sinkt, ist Armut überall obzön zu sehen.

    Durch die internationale Kapital-Dynamik drückt die EU ganze Länder nach Unten. Die SPD bietet eigentlich kein einziges echte Konzept mehr an. Sie bietet Stückwerk und Minikonzepte an, die schon nichts wert sind, wenn sie erdacht werden. Renten als Sondersozialrenten, die nur 0,04 Prozent der RentnerInnen betreffen, Verbesserungen für 0,21 Prozent der Arbeitnehmer. Es ist absurd, das noch auflisten zu wollen, wie gering die Wirkung von SPD-Politik momentan ist.



    Deswegen darf Olaf Scholz Kanzler werden, er bedroht niemanden, er nützt niemanden und er wird extrem wirkungslos bleiben.

  • Naja, es gibt eben nur ein gewisses linkes Potential das sich auf Linke, Grüne und SPD aufteilt.

    Wer ein solches Bündnis möchte sollte einsehen das eine linke SPD dem im Wege steht.

    • @lord lord:

      Die SPD ist keine linke Partei, sie ist neoliberal.

      • @Tom T.:

        Sie ist weder noch.



        Das ist ja das Dilemma der SPD.



        Von daher sind 15% Zustimmung der Wähler schon das Maximum an Erfolg.

        Braucht es da einen eigenen Kanzlerkandidaten?

  • Tja, was soll die SPD auch machen? Bohrjans und Esken sind bisher nur als ahnungslose Schnarchnasen in Erscheinung getreten und der Basis scheint das langsam auch aufzugehen. Scholz ist nicht minder blass, scheint aber zumindest in seinem Resort orientiert zu sein... Mehr hat die SPD nicht mehr. Man könnte jetzt noch einen Kevin Kühnert aufzählen, aber der kommt bei der alten Arbeiter-Wählerschaft in etwa so gut an wie eine Bierpreiserhöhung.

    • @Samvim:

      Herr Reinecke, Sie halten also Esken, Walter-Borjans oder Mützenich für die besseren Kanzlerkandidaten ? Man sollte mal die Menschen auf der Straße fragen, wie viele diese drei SPD-Leute überhaupt kennen. Dann würde sich wohl schnell wieder Ernüchterung breit machen.

    • @Samvim:

      Woche Arbeiter-Wählerschaft meinen Sie denn ? Falls es eine solche noch geben sollte, ist diese doch längst zu den Linken oder der AfD abgewandert.

  • Das Gute ist, dass die SPD zwar einen Kanzelkandidaten aufstellen kann, der aber nicht Kanzler werden wird.