piwik no script img

Neues FachkräfteeinwanderungsgesetzÜberfälliger Spurwechsel

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Das neue Gesetz der Ampel bringt überfällige Verbesserung für Menschen aus dem Ausland, die hier arbeiten wollen - darunter auch Geflüchtete.

Abdoulle Bojang aus Gambia arbeitet als Fachkraft in Sachsen Foto: Jan Woitas/dpa

D ie Ampel kriegt doch noch was hin. Das ist die Botschaft, die Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Montag vermitteln will, als er zur Einigung der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz spricht. Er drückt es nur etwas anders aus. „Wir haben bewiesen, dass die Koalition nicht nur zu Krisenmanagement fähig ist.“ Und da ist wirklich was dran. Anders als etwa beim Gebäudeenergiegesetz haben die drei Ampelfraktionen mit dem Fachkräftegesetz vergleichsweise geräuschlos und effektiv das erarbeitet, was Deutschland jetzt braucht.

Der neue Entwurf, der wohl schon in dieser Woche vom Bundestag beschlossen wird, enthält viele sinnvolle, teils überfällige Verbesserungen: So sollen etwa die bürokratischen Hürden abgesenkt werden, die viele ausländische Fachkräfte bisher von Deutschland fernhalten. Ihnen wird außerdem mehr Flexibilität eingeräumt, wenn es darum geht, sich auch in Branchen umzuschauen, für die sie ihr Berufsabschluss nicht direkt prä­des­tiniert.

Genauso begrüßenswert ist, dass künftig auch kommen darf, wer keinen hier anerkannten Berufsabschluss hat, sofern er oder sie Berufserfahrung vorweisen kann. Und auch das geplante Punktesystem ist eine gute Idee. Es soll künftig auch denjenigen die Einwanderung ermöglichen, die hier noch keinen Job haben, aber gute Chancen haben, einen zu finden. All das hat die deutsche Wirtschaft bitter nötig, rund 400.000 Ar­beitnehme­r*in­nen müssen jährlich kommen, um den Fachkräftemangel auszugleichen.

Dass die Ampel Spurwechsel plant, ist erstaunlich

Mit der Möglichkeit eines einmaligen Spurwechsels bricht die Ampel außerdem das „Gute Ausländer, schlechte Ausländer“-Schema auf, das Gesetze zur Fachkräfteanwerbung sonst oft prägt. Zumindest Geflüchtete, deren Antrag zum Stichtag Ende März noch bearbeitet wurde, sollen trotz Ablehnung bleiben können, wenn sie einen Job finden. Endlich sieht die deutsche Politik ein, was doch schon lange klar zu erkennen ist: Migration nützt Deutschland auch dann, wenn Menschen kommen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Noch besser wäre es, die Regelung würde für alle Asyl­be­wer­be­r*in­nen gelten.

Dennoch: Dass die Ampel den Spurwechsel überhaupt plant, ist erstaunlich. Umso mehr, wenn man sich das gegenwärtige gesellschaftliche Klima anschaut. Die AfD ist im Umfragehoch, während die Union sich den Rechten zumindest rhetorisch annähert. Vor diesem Hintergrund unterstützte die Bundesregierung die Verschärfung des EU-Asylsystems. Dass SPD und FDP nun immerhin kleine Verbesserungen für Geflüchtete mittragen, überrascht – und ist umso erfreulicher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
Themenschwerpunkte Migration, Flucht und Antisemitismus
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Bei diesem Maßnahmenpaket kann man eigentlich nur herauslesen : Fachkräfte um jeden Preis. Egal woher, egal mit welcher Vorgeschichte, egal ob Fachwissen nachweisbar ist oder nicht. Ich habe allerdings meine Zweifel ob diese zukünftigen Angebote und das verwässerte Punktesystem auf Dauer das Problem lösen können. Wer wirklich hochqualifiziert ist wird sein Glück nicht in Deutschland suchen, sondern primär in der Schweiz, Österreich und den USA. So wie es aktuell auch in Deutschland passiert. 180 000 Auswanderer, 76% davon sind Akademiker.



    Man sollte sich dementsprechend fragen weshalb die Menschen gehen und das Problem an der Wurzel packen. Was aktuell passiert ist nur eine kurzfristige Lösung, weil das Ziel nicht sein kann von staatlicher Seite anderen Ländern permanent deren Fachkräfte offensiv abzuluchsen. Denn wir dürfen nicht vergessen...die anderen Länder brauchen auch Fachkräfte.



    abzuwerben.

  • Leider fehlen die wirklich wichtigen Informationen. Was passiert beispielsweise, wenn sich jemand nicht dauerhaft in dem Job halten kann und beispielsweise nach 12 oder 24 Monaten arbeitslos wird oder wenn jemand ungeachtet einer guten Punkteprognose keinen passenden Job findet.

  • "Dass SPD und FDP nun immerhin kleine Verbesserungen für Geflüchtete mittragen überrascht..."?



    Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist in Zusammenarbeit des Arbeits- und Innenministeriums entstanden.



    Das sind zwei SPD geführte Ministerien.



    Was haben die Grünen damit zu tun, die hier zwischen den Zeilen zu lesen sind?



    Hinzu kommt, dass Arbeitsminister Heil bereits in der Groko Verbesserungen für die Zuwanderung auf den deutschen Arbeitsmarkt durchsetzte. Nun erfolgt die Erweiterung, die von der CDU/CSU noch blockiert wurde.