Neuer Klimaprotest in Großbritannien: Schleichen statt Kleben
Die Klimagruppe Just-Stop-Oil probiert in London eine neue Protestform aus. Autofahrer:innen bringen sie damit immer noch auf die Palme.
Bisher brachten die Klimaproteste Fahrzeuge auf Autobahnen zum Stillstand, störten die Ölversorgung, klebten sich an die Rennbahn eines Formel-1-Rennens oder an Gemälde in Londons Nationalgalerie.
Eben Lazarus, ein 22-jähriger Musiker, ist aufgrund solcher Einsätze vorbestraft. Seine heutige Aktion soll anders ablaufen, nämlich so, dass die Polizei den Protest ohne Konsequenzen durchgehen lassen könnte.
Einige der Just-Stop-Oil-Aktionen hatten zu Kritik geführt. Entsprechend hart ging die Polizei vor. All das führte zum Überdenken. „Heute werden wir nur langsam auf der Straße marschieren“, verrät Lazarus – weder Sekundenkleber noch eine Besetzung. Ein Marsch sei nach britischem Recht erlaubt. Trotzdem wurden am Montag bei einem ähnlichen Marsch zwei Aktivist:innen festgenommen.
Im Schneckentempo gegen die Klimakrise
In der Nähe des Londoner Stadtmuseums zieht die Gruppe also an diesem Dienstag mit Bannern auf die Straße. Gleich am Anfang fährt der Fahrer eines Kleinlasters wütend in die Gruppe und rammt Lazarus von hinten, bis sein Wagen durchkommt. „Nicht so schlimm wie beim letzten Mal, als ich fast überfahren wurde“, erzählt der 22-Jährige.
„No Oil, No Gas, No Coal“, skandiert die Gruppe nun. Und: „Ich gehe lieber in den Knast, als zu sterben.“ Ganze fünf Minuten dauert es, bis die Polizei mit Blaulicht anrückt. Ein Beamter unterhält sich sofort mit Sean Irish, der die Aktivist:innen anführt. Der Polizist will wissen, worum und wohin es gehe. Irish antwortet, es gehe um die Klimakrise und es ende, wenn die Ziele, Öl und Gas zu stoppen, erreicht seien.
Etwas später hat Irish den örtlichen Polizeichef Rob Ranstead neben sich. „Ich bin bereit, diese Demo durchgehen zu lassen, solange ihr weitermarschiert“, verkündet er nach verschiedenen Fragen, die Irish nicht richtig beantwortet.
Die zehn Aktivisten werden bald von bis zu 30 Beamt:innen mit speziellen Kameras verfolgt. Währenddessen lässt die Gruppe mehrmals Linienbusse und einen Krankenwagen passieren. So geht es mitten durch das Londoner Finanzviertel. Kurz vor der St.-Pauls-Kathedrale, nach einer guten Stunde, erklärt Sean den Marsch für beendet.
Polizeichef Ranstead, der immer noch dabei ist, erklärt Irish, dass er gerne wissen würde, wo dieser jetzt weiter hingehe. „Zu seiner Sicherheit“ würden ihm Beamte folgen. Was Ranstead nicht weiß, aber wahrscheinlich ahnt, ist, dass ein weiterer Protest im nördlichen Stadtteil Islington geplant ist.
Innenministerin will mehr verbieten
Festgenommen wurde niemand. Just Stop Oil hat an diesem Tag innerhalb der rechtlichen Grenzen protestiert.
Larch Maxey, der sich später dem Protest anschloss, erklärt der taz, dass das Problem die Ungewissheit sei, wie das Recht angewandt werde. Er schätzt, dass die Polizei die neue Proteststrategie – immer in Bewegung bleiben – erst mal tolerieren würde, bis sie sich darauf eingestellt hätte und härter eingreifen werde. So sei es auch gewesen, als er und andere im Namen von Extinction Rebellion Knotenpunkte Londons besetzten, und bei Aktionen gegen den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke HS2. Da hatte sich Maxey in einem Tunnel verbarrikadiert.
Unter Premierminister Boris Johnson hatte das Parlament auf Betreiben der damaligen Innenministerin Priti Patel neue Gesetze verabschiedet, welche polizeilichen Einsatzkräften mehr Rechte verleihen, um Proteste einzuschränken. Bei „schwerwiegenden Unruhen“, Sachbeschädigungen oder „Störung des Lebens der Gemeinschaft“ ist es der Polizei nun explizit gestattet, das Demonstrationsrecht zu beschränken.
Der neuen Innenministerin Suella Braverman reicht das nicht. In einer neuen Gesetzesvorlage will sie weiter gehen. Laut der britischen Zivilrechtsgruppe Liberty sollen das „Aneinanderfestmachen“, Eintunneln, die Störung der „essenziellen nationalen Infrastruktur“ und noch viel mehr verboten werden.
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