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Neuer Haushalt der AmpelkoalitionUmverteilen in die falsche Richtung

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Der jetzt endlich beschlossene Haushalt der Bundesregierung ist genau das, für was ihn die Kritiker aus allen Reihen halten: ein Armutszeugnis.

Trotz Grübelns ein mieser Haushalt: Spitzen der Bundesregierung, Berlin, 31. 1. 2024 Foto: Kay Nietfeld/dpa

S elten sind sich Ver­tre­te­r:in­nen von Organisationen politisch entgegengesetzter Richtungen so einig: Ob Unternehmensvereinigungen, Sozialverbände, Umweltorganisationen oder Gewerkschaften – sie kritisieren den Haushalt der Ampelregierung massiv. Bei allen Unterschieden verbindet sie eine Einschätzung: Die Ampel investiert nicht genug in die kaputtgesparte Infrastruktur und den klimagerechten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Sie riskiert den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Branchen.

Die Ver­tre­te­r:in­nen der Organisationen liegen völlig richtig. SPD, Grüne und FDP verabschieden einen Sparhaushalt, der ein großes Unvermögen dokumentiert: Sie sorgen weder dafür, dass die Konjunktur stabilisiert wird, noch, dass die Klimaziele erreicht werden. Gleichzeitig treiben sie die Umverteilung von unten nach oben voran.

Bei vielen Kri­ti­ke­r:in­nen der Haushalts­beschlüsse steht die Schuldenbremse im Fokus, weil diese Vorgabe die Geldbeschaffung für Investitionen blockiert. Ja, es wäre besser, die Schuldenbremse würde abgeschafft oder wenigstens reformiert. Aber: Der ständige Ruf danach verstellt den Blick auf das, was trotz Finanzierungsblockade mit ein wenig gutem politischen Willen möglich wäre. Statt Spielräume zu nutzen, entlastet die Ampel systematisch Wohlhabende. Die gewährten Steuererleichterungen überkompensieren bei Gutverdienenden die Belastungen durch diverse steigende Abgaben, Leute mit wenig oder mittleren Einkommen haben unterm Strich weniger. Die Ampel sorgt selbst dafür, dass ihre Spielräume beim Haushalt kleiner werden. Um die Lücken zu schließen, wird der Rotstift angesetzt. Aber nicht da, wo es sinnvoll wäre: In den Ausbau von Autobahnen fließt viel Geld, bei Radwegen und Schiene wird gespart. Die massiv steigenden Militärausgaben werden nicht infrage gestellt. Gleichzeitig wird im Entwicklungshilfeetat drastisch gekürzt – obwohl die Ampel versprochen hatte, dass diese Gelder mit denen für die Bundeswehr steigen sollten. Haushaltslöcher mit Kürzungen bei Bürgergeldbeziehenden zu stopfen, die die Kontrolle über ihr Leben verloren haben und als „Totalverweigerer“ gebrandmarkt werden, ist niederträchtig. Erst recht, wenn umweltschädliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg für Topverdienende nicht angerührt werden.

Viele Bür­ge­r:in­nen lehnen diese Prioritätensetzung ab. Die Ampel regiert gegen eine wachsende Mehrheit. Der Preis dafür ist hoch: eine dramatische Rechtsverschiebung. Die FDP mag das nicht stören. Aber es ist unfassbar, dass Grüne und SPD bereit sind, diesen Preis zu bezahlen.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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27 Kommentare

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  • Was eine glasklare Analyse! Merz Verweigerungspolitk, was eine Reform der Schuldenbremse angeht, hat fast schon Trumpsche Züge.



    Am Ende werden alle Volksparteien gerupft bei den nächsten Wahlen dastehen, die Grünen werden mit zerschlissenen Segeln herumdümpeln, während die FDP schon beim ersten Windhauch über Bord gegangen ist. Die Linke kämpft knapp an der Wasseroberfläche um Luft.

    AFD, Wagenknecht, Maaßen und Konsorten entern das Schiff und machen die BRD unregierbar. Italienische Verhältnisse.



    Die vielen neu gewählten jungen Bundestagsabgeordneten von SPD und den Grünen wurden erstarrt von Deck geweht, zu groß war ihre Angst um ihre Listenplätze.



    Die Leichenfledderer von Bild kreisen über dem Staatsschiff und zerflücken, was über geblieben ist.

  • Bei einem Sozialetat von fast 2 Billionen Euro (ja: Billionen) von einer "Umverteilung von unten nach oben" zu schreiben, lässt mich etwas sprachlos zurück

  • Rotgrün als Erfüllungsgehilfen der Gelben.



    SPD und Grüne für was soll man euch denn wählen ?

  • Die Argumentation warum es deswegen eine 'Rechtsverschiebung' geben wird kann ich nicht nachvollziehen. Bitte nochmal erklären.



    Dass die Regierung und auch die Opposition und auch gestern die Tagesschau etc. keinen guten Job machen ist evident. Zusammanarbeit könne man sich sparen, Mimose und Angsthase sind die Worte die man mitnimmt, frei von Inhalt,.... aber 'kämpferischer Auftritte' , so wünsche man sich den Kanzler. Das wird kolportiert.



    Wundern wir uns wirklich um den Zustand der Welt, wenn das die 'Inhalte' und Botschaften sind?

  • Der Autor irrt. Es findet keine Umverteilung von unten nach oben, sondern eine Umverteilung von der Arbeitenden zur Nicht Arbeitenden Bevölkerung statt. Das ist extrem ungerecht und frustriert die Leistungsträger. Das ist ein Grund für die Demos der Landwirtschaft, Speditionen und Handwerker.

  • Vom SPD und FDP war nichts anderes zu erwarten. Von den Grünen bin ich enttäuscht, was auf eine gewisse Naivität meinerseits schließen lässt.

  • Von Aussen lässt es sich leicht reden. Von "Versagen" zu sprechen kommt uns schnell über die Lippen. Eine Stillstandsperiode nach 16 Jahren CDU, Corona wie Urmel aus dem Ei, Putins selbstgerechter Zarenfeldzug inklusive Energiekrischen und on topp der Wahnsinn in Nahost.



    Aber es ist wie es ist.

    Leider hat in dieser Regierung eine Partei den Schuß nicht gehört. Das kleine, gelbe eitrige Pustelchen mitten in der Vernunft macht weiter frohen Mutes Klientel-Politik.



    Die politische Bedeutungslosigkeit rückt immer näher. Umso mehr schärft man das Profil.



    Getreu dem Motto: "Der Markt wirds schon richten, Hauptsache keine Steuererhöhungen".



    Besserverdiener sind aussen vor. Das Wort Konzernbesteuerung wird aus dem Duden gestrichen. Der ist ja schließlich auch gelb.



    Linders Haushalt wir gerichtlich gekippt und anstatt an das Geld zu gehen spart man bei Familie, Bildung usw.



    Der gelbe Schuldenbremsenfetisch eines Christian Lindner bremst dieses Land noch mehr wie 16 Jahre Merkel und die 16 von Kohl obendrauf. Wobei bei Kohl die Unternehmensbesteuerung noch eine ganz andere war. Ebenso der Höchststeuersatz für Bestverdiener.

    Fazit: Liebe Leute, es gibt auch unter den Kleinstparteien Alternativen.



    Die ehemalige Yuppie Partei mit ihren Immobilienfritzen und Versicherungsvertretern muß raus aus diesem Bundestag.



    Wir brauchen eine Politik die sich einig ist. Gegen rechts, pro Bildung und Familie und ein wenig sozialer Mehrgerechtigkeit.

    Wir vergessen ganz schnell das eine neue Katastrophe schon wieder vor der Tür steht. Das blonde Hamstertupet wird zurückkehren. Donald Trump kreist schon in der Umlaufbahn und der Impact wird weltweit zu hören sein. "Schwarzkopf First". Das wird kein Spass.



    Auch darauf sollten wir uns vorbereiten. Als Deutsche und Europäer.

  • Lindner soll endlich mal die Steuern eintreiben, die auch eingetrieben werden müssten.

    Im grossen Stil.

  • Es ist ja nicht nur, was die Ampel tut. Es ist vor allem, was sie lässt. Wozu ihr Mut und Interesse fehlt. Gestern hat der sogenannte Kanzler mit einer kleinen Schulhofklopperei mal wieder ein bisschen abgelenkt von seinem völligen Versagen, der Alternativkanzler Merz hat gerne dabei mitgespielt, der ist nämlich keinen Deut besser. Dem fehlen auch sowohl zukunftstaugliche Ideen als auch die Bereitschaft darüber zu reden. Gewinnt Merz die Wahl, wird er genauso rumwurschteln, alles Wichtige vor sich herschieben und mittels der einen oder anderen Grausamkeit gegen Schwache Tatkräftigkeit simulieren und sich an die Starken nicht rantrauen. Die Ampel verschenkt Zeit, die Union will die Uhr zurückdrehen.

  • Absolut einverstanden, vielen Dank Anja Krüger!

  • Es ist in der Tat erbärmlich, alles richtig, außer: "Die Ampel" - ich kann es wirklich nicht mehr hören, diesen Akteur gibt es so nicht, es ist eine Hasspuppe zum populistischen Draufdreschen. Jeden Tag für alle erkennbar handeln hier zwei Kräfte gegeneinander: ein rotgrüner Politikversuch und eine 5%-Kraft, die unter der Bedingung in die Koalition eingetreten ist, genau das zu verhindern. Natürlich wäre es möglich, die FDP mehr unter Druck zu setzen, schließlich verliert sie selbst am meisten bei diesem destruktiven Spiel und hat keinerlei Alternative. Doch da ist noch dieser seltsame Kanzlerschlumpf, der in diesem Punkt möglicherweise tatsächlich ein Schlitzohr ist und ist und "wegen der FDP" leider keine zukunftstaugliche Steuer-, Sozial- und Haushaltspolitik machen und auch leider kein Klimakanzler sein kann. Also leider leider ganz er selbst bleiben muss, so wie wir ihn aus Hamburg kennen.

  • Danke! Sehr wichtiger und richtiger Kommentar!

  • Danke für die klaren Worte!



    "...Der Preis dafür ist hoch: eine dramatische Rechtsverschiebung. Die FDP mag das nicht stören. Aber es ist unfassbar, dass Grüne und SPD bereit sind, diesen Preis zu bezahlen..."



    Ja, es ist unfassbar:



    Eine 5%-Partei regiert unser Land zugrunde.

    • @willifit:

      Die anderen Beiden machen aber mit. Das ist auch nicht besser.

      Und die Union? Merz hat klar gemacht, dass er selbst Änderungen an der Schuldenbremse ablehnt.

      Fazit. Alle relevanten Parteien sind sich einig, die Zukunft des Landes zu verspielen.

    • @willifit:

      Es ist so billig, immer einfach nur der FDP die Schuld zu geben, SPD und Grüne könnten ja einfach nein sagen.



      Warum tun sie es denn nicht?



      Schuld ist die gesamte Ampel, SPD, Grüne und FDP - keiner mehr wählbar.

    • @willifit:

      Ich würde statt "regiert" eher "blockiert" sagen.

  • "steht die Schuldenbremse im Fokus, weil diese Vorgabe die Geldbeschaffung für Investitionen blockiert."

    Im Weg steht, dass die 100 Milliarden an Steuern die dem Staat entgehen nicht von Interesse zu seien scheinen. Von einer gerechten Erbschaftssteuer brauch man erst gar nicht anfangen.

    Das die meisten Firmen jetzt auch die Schuldenbremse weg haben wollen ist verständlich... Die Schulden zahlen alle zurück und sind die perfekte Umverteilung von unten nach oben... Ginge es drum das der Staat mehr Geld hat gebe es noch andere Wege, dass wissen auch die Firmen aber die schröpfen sich doch nicht selbst oder wollen sich mehr beteiligen.

    Man könnte zum Beispiel höhere Löhne zahlen um die binnenkonjuktur zu stärken. Das käme nicht nur Rossman entgegen. Aber der Gedanke scheint ja nicht mal irgendjemanden zu kommen.

    Grüne und SPD betreiben bewusst Klientelpolitik für ihre eigene soziale Schicht. Einzig die FDP ist in der Regierung ehrlich, sie hat aber auch nicht den Anspruch bzw erzählt nicht das sie für die unteren Gruppen da sein möchte oder sozial für sich beansprucht.

    SPD und Grüne sitzen demnächst wieder zusammen und können nicht verstehen warum ihre Politik nicht gut ankommt und ihre Lösung die Menschen verstehen es einfach nicht.

    • @Hitchhiker:

      In einem Land, das vom Export lebt, ist die Binnenkonjunktur nicht erste Priorität.

      Aber ein generell anderes Menschenbild und ein System, das FÜR die Menschen gemacht ist, tut Not. Momentan sind wir nur Variablen, die als mögliche Melkkühe für die Wirtschaft gesehen werden (z.B. als "Binnenmarkt) und die man hinmanipulieren muss, damit sie die "richtigen" wählen.

      Es muss das System sein, das für die Menschen gemacht ist, und nicht umgekehrt. Und der Kapitalismus ist es nicht.

    • @Hitchhiker:

      Nein. Schulden werden überhaupt immer mehr und nicht zurückgezahlt. Profiteure sind somit eher die Senioren, denn allein für den staatlichen Rentenzuschuss benötigen wir mehr als 100 Mrd jährlich. Konsum ist das, kein Invest.



      Auch ihr anderer Gedanken ist zu hinterfragen: wo bekommt der Staat seine Steuern her? Eben und auch aus der Unternehmensbesteuerung, und die wird IMMER auf den Gewinn berechnet. Ohne Gewinn keine Steuern. Eine bittere Erkenntnis aber der Preis des Kapitalismus.

  • Ehrlich gesagt hatte ich von der Ampel nichts anderes erwartet. Die SPD hat sich schon lange von den sozial schwachen verabschiedet, die Grünen sind die Partei der Besserverdienenden mit Ökoambitionen und die FDP bedient eh nur ihre Klientel.

    • 4G
      47439 (Profil gelöscht)
      @Gnutellabrot Merz:

      damit ist alles gesagt und dem ist nichts hinzuzufügen :-((

    • @Gnutellabrot Merz:

      "Die SPD hat sich schon lange von den sozial schwachen verabschiedet"

      Na wenn das der Kevin wüsste.

      "die Grünen sind die Partei der Besserverdienenden mit Ökoambitionen"

      Laut der WELT, basierend auf Daten um 2010.

      Schauen Sie mal, wer etwas für die Ärmsten in Deutschland getan hat seit der Wahl.

      Eine Partei. Eine einzige: Die Grünen.



      (Die Linke konnte nicht, sonst hätte sie - falls Wagenknecht nicht dazwischengefunkt hätte.)

      Das "Ökoambitionen" sind auch ein richtig tiefer Griff in die Altenbockum'sche Phrasenkiste. Das nur nebenbei.

      Die fetten 00er Jahre sind vorbei. Zeit, "auf Nimmerwiedersehen" zu sagen.

  • Scheint so, als wäre die Ampel defekt.

    Da blinkt´s nur gelb!!!

    • @Ralf Harbusch:

      Leider stimmt das genau. Unverständlich warum sich rot und grün von der Reichenpartei FDP so rumschubsen lassen. Scheinbar ist rücksichtloser Neoliberalismus jetzt einfach in.

    • @Ralf Harbusch:

      Super ! Was für ein tolles Wortspiel !



      Das ist ja noch toller als das Wortspiel dass sogar wie Wurst jetzt schon grün schimmert ....

    • @Ralf Harbusch:

      "Die gewährten Steuererleichterungen überkompensieren bei Gutverdienenden die Belastungen durch diverse steigende Abgaben, Leute mit wenig oder mittleren Einkommen haben unterm Strich weniger."

      Naja immerhin ist doch das Bürgergeld erhöht worden oder?