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Neuer BundestagFrauenpolitik hat keine Priorität

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Weniger als ein Drittel des nächsten Bundestags wird aus Frauen bestehen. An diese Unterrepräsentation dürfen wir uns nicht gewöhnen.

Merz und Söder auf dem Weg zur konstituierenden Fraktionssitzung: Der geschwundene Frauenanteil ist auch der Union zu verdanken Foto: Florian Gärtner/photothek/imago

W ir sind bereit für einen Politikwechsel. Enge Abstimmung von CDU und CSU“, postete CSU-Chef Markus Söder vor wenigen Tagen auf X. Darunter ein Foto, das bezeichnender nicht sein könnte: sechs Männer an einem Konferenztisch mit Frühstückstellern, Cola und Geschäftsunterlagen. Dass die Union einen Politikstil anstrebt, bei dem tatsächlich nur Männer mitmischen, ist zwar nicht vorstellbar. Aber wahr ist: Im neuen Parlament werden noch weniger Frauen sitzen als im vorigen, dessen Frauenanteil bereits gesunken war.

Im künftigen Bundestag finden sich unter 630 Abgeordneten nur 204 Frauen, damit beträgt ihr Anteil gerade einmal 32 Prozent. Zuletzt waren es noch knapp 35 Prozent. Die Diversitätsstatistik präsentieren Medien meist recht schnell, wenn das Wahlendergebnis vorliegt. Dann gibt es in der Regel einen Aufschrei: Was, nur so wenige Frauen dabei? Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus, sie müssen auch dementsprechend politisch repräsentiert werden! Sätze wie diese kann man wie ein Mantra mitsingen.

In diesem Jahr aber fiel der Aufschrei aus. Kaum ein Medium erregte sich über den weiter schrumpfenden Frauenanteil im Parlament. Es scheint eher, als nehme die Öffentlichkeit diese Entwicklung achselzuckend hin, als gewöhne sie sich an immer weniger Frauen in einem Gremium, das unter anderem mit Gesetzen maßgeblich über das Leben von Frauen entscheidet. Diese Gewöhnung wäre erschreckend – und gleichermaßen ein deutliches Zeichen für eine fortschreitende Retraditionalisierung der Geschlechterrollen auf der institutionellen Ebene als ein Ergebnis des heftigsten Rechtsrucks seit Jahrzehnten.

Interessen von Frauen werden noch weniger eine Rolle spielen als bislang

Das Fatale daran: Interessen von Frauen und Minderheiten werden künftig noch weniger eine Rolle spielen als bislang. Der geschwundene Frauenanteil ist vor allem der Union und der AfD zu verdanken, zwei Parteien mit vornehmlich Männern in ihren Reihen. Mit einem CDU-Kanzler Friedrich Merz verlieren sogar Frauen, die es ins Parlament geschafft haben, eine Chance auf angemessene Präsenz im Kabinett. Bereits vor der Bundestagswahl hatte Merz angekündigt, im Falles eines Sieges nicht unbedingt auf eine Parität im Kabinett zu setzen. Frauen seien laut Merz nicht so selbstbewusst wie Männer, mit hohen Regierungsämtern täte man ihnen keinen Gefallen.

Seit Ende der 1970er Jahre ist der Frauenanteil im Bundestag beständig gewachsen. Die Hoffnung, dass sich die Gleichstellung auf diese Weise verstetigt, verfestigte sich – bis 2017. Damals sank der Frauenanteil um fast 5 Prozentpunkte – die AfD war das erste Mal ins Parlament eingezogen.

Der Bundestag 2025 hat noch Glück im Unglück: FDP und BSW mit ihrem homöopathisch zu nennenden Frauenanteil haben den Sprung über die Fünfprozenthürde nicht geschafft und so den Bundestag vor einer noch größeren Blamage bewahrt. Lediglich Grüne und Linkspartei reißen es ein wenig raus, ihre Reihen zählen mehr Frauen als Männer. Aber beide Parteien sind in der Opposition – und damit einflusslos.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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12 Kommentare

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  • Bundeswahlleiterin.de:

    "Zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 treten insgesamt 4.506 Wahlbewerberinnen und -bewerber, darunter 1.422 Frauen an."



    31% haben sich zur Wahl gestellt, Anteil Mandate: 32%?

    Passt doch?

    Die Listen der CSU, SPD, Grüne, Selbst FDP in Bayern sind auf den ersten 10 Rängen der Liste meist 50/50 besetzt. Bei der AfD ganz überwiegend Männer!

    Wenn ich es richtig erinnere, sind Frauen in der Politk deutlich stärker den Anfeindungen im Internet, aber auch im realen Leben ausgesetzt. Ggf. ein Grund?

    Was wir also zu bekämpfen haben, sind "feige Männer," die Frauen bedrohen und angreifen, anstatt sie als k ö r p e r l i c h stärkere Menschen zu verteidigen!!!

    Wir haben - neben einst Merkel als mächtigste Frau der Welt - Frau von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission! Knapp 40% Frauenanteil! Ebenso einige weibliche und sehr taffe Staatsoberhäupter/Regierungsmitglieder in Europa.

    Es geht also mit den Top-Positionen - auch in der Wirtschaft mit ca. 30% weiblichen Führungskräften.



    50/50 wäre schön, Qualität ist aber mit Sicherheit die bessere Wahl und der Weg zum Ziel!

  • Als Frau fühle ich mich von Frauen und Männern gleichermaßen gut vertreten. Ich mache da keine Unterschiede und wünsche keine Quoten o.ä..

    Was ich dagegen begrüßen würde, wäre ein Förderung des Politikseinstieges für interessierte Menschen - vielleicht wären dann auch mehr Frauen in den Parteien am Start. So könnten auch Menschen in schwierigeren Lebenssituationen (z.B. alleinerziehend) Zugang zur Politik finden.

  • Ich weiß nicht... ich würde auch gerne mehr Frauen in der Politik sehen, jedoch sind zwar 50%+- Menschen in DE Frauen, aber in den Parteien spiegelt sich das nicht wieder.

    Die Union hat (CSU) 21% bzw. (CDU) 26 % soll man jetzt fordern, dass anstelle der 23 % die die Partei einsetztm nun 50% Frauen entsendet?

    Ich verstehe, dass aufgrund von Benachteiligungen von Frauen nie 50% bei solchen Parteien werden, aber zu den Mitgliedern die die Partei hat und entsendet kommen die nahe heran.

    Ich würde die Frage stellen, warum sind nicht mehr Frauen in den Parteien, was hindert sie daran und das bekämpfen.

    Der Bundestag bildet leider nicht die Gesellschaft ab, denn so viele Anwälte oder anderes haben wir leider nicht und wenn jede und jeder egal welchen Job oder was sein Hintergrund ist bei einer Partei mitmachen und was erreichen kann, dann wird auch die Quote für Frauen besser.

  • Wer klagt, darf sich gerne selbst zur Wahl stellen, liebe Autorin!

  • Ich finde Frauenpolitik enorm wichtig. Ehrlich! Aber bei dem, was uns mit dieser Regierung bevorsteht, würde ich es ehrlich nicht als Prio eins ansehen. Die CDU wird mit ihrer Wirtschaftsinkompetenz die Wirtschaft weiter an die Wand fahren, es wird keine sinnvollen Inverstitionen geben, die Bildung wird weiter abgebaut. Von der weiteren Verschärfung der extrem ungleichen Vermögensverteilung, die den Rechtsextremismus anheizt, der Abschaffung von Menschenrechten und Meinungsfreiheit und der kompletten Ignoranz gegenüber der Klimakatastrophe ganz zu schweigen.



    Wir sehen wahrlich schwarz-braunen Zeiten entgegen.

    • @Jalella:

      "Die CDU wird mit ihrer Wirtschaftsinkompetenz die Wirtschaft weiter an die Wand fahren, "

      Das ist doch Spökenkikere. Die schlechtesten Werte gab es unter der Ampel.

  • Die Opposition ist einflusslos? Ein merkwürdiges Verständnis unserer repräsentativen Demokratie. Dass die Opposition deutlich weniger Einfluss hat als die Regierung ist klar, aber damit ist sie doch nicht gänzlich einflusslos.



    Dennoch natürlich eine traurige Entwicklung, aber bei über 50 Prozent für inzwischen zwei reaktionäre Parteien leider nicht anders zu erwarten.

  • Ja, das sind keine guten Ergebnisse für unser Land .



    Aber angesichts der Erfahrung, dass man/frau erst erkennen, was sie hatten, nachdem sie es verloren haben, werden Einige die Ampel im Rückblick neu bewerten.



    Die SPD wird im Artikel nicht erwähnt.



    Sie hat mit knapp 42% Frauenanteil prozentual fast doppelt soviele weibliche Parlamertarierinnen, wie die cdU.



    Auch sollte daran erinnert werden, dass die Besetzung der Regierung annähernd paritätisch gestaltet wurde. Das wird von einer cdU geführten Regierung kaum zu erwarten sein.

  • Die AfD ist die einzige Partei, bei der Frauen im Verhältnis zum Frauenanteil innerhalb der Partei unterrepräsentiert sind. Der Anteil der weiblichen Mitglieder liegt bei ca. 20 %, und in der Bundestagsfraktion sind es lediglich 11,8 %.

    Bei der CDU (26,6 % weibliche Mitglieder, 25,5 % im Bundestag), der CSU (20 % Partei, 25 % Bundestag) und der FDP (20 % sowohl in der Partei als auch im Bundestag, alter Bundestag versteht sich) entspricht der Frauenanteil ziemlich genau dem Anteil der Frauen in den Parteien.

    Bei der SPD (33,1 % in der Partei und 41,7 % im Bundestag), bei den Linken (36,8 % in der Partei, 56,2 % im Bundestag) und den Grünen (45 % in der Partei, 61,2 % im Bundestag) sind Frauen im Verhältnis zu ihrem politischen Engagement massiv ÜBERrepräsentiert.

    Es sieht also so aus, als wäre der Wille von Frauen, sich politisch zu engagieren, das Problem und nicht ein traditionelles Weltbild der Parteien. Demokratie lebt vom Mitmachen, nicht vom Lamentieren.

  • Ein Grund für den geringeren Frauenanteil im Parlament ist auch die durch die schlechten Wahlergenissen geschrumpfte Größe der Fraktionen von SPD und Grünen, die sich zuvor positiver auf die Statistik auswirkten.

  • Ist Masse wirklich das Problem das wir hier haben?

    Ich mache mir mehr Gedanken darüber, dass es an Frauen in der ersten Reihe mangelt. War das nicht auch neulich Thema im Bundestalk?

    Sowohl für die Sichtbarkeit als auch die Durchschlagskraft sind Spitzenreiter viel wichtiger. Und da ist wirklich nicht mehr viel. Esken und Baerbock klammern sich als Wahlverlierer zwar noch oben fest. Und wer kommt dann noch?

  • "Weniger als ein Drittel des nächsten Bundestages wird aus Frauen bestehen. An diese Unterrepräsentation dürfen wir uns nicht gewöhnen. "



    Dass das Parlament das ganze Land repräsentiert - geschenkt.



    Drum sei einfach nur angemerkt: die gewählten Parlamentarier repräsentieren ihre Wähler. Insofern repräsentieren sie eins zu eins die Bevölkerung bzw. deren Wählerwünsche.