Neue Zahlen zu Korruption in Deutschland: Sie nehmen, was sie kriegen können
Deutschland verschlechtert sich im globalen Korruptionsindex. Warum das nicht überraschend ist.
A utoritäre Herrscher sind korrupt. Ob der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der türkische Machthaber Recep Tayyip Erdoğan oder, natürlich, Donald Trump: Sie alle vereint nicht nur die Ablehnung der freiheitlichen Demokratie, sondern auch das instrumentelle Verhältnis zum Staat.
Korruption ist dabei nicht Begleiterscheinung des Autoritarismus, sondern zentrales Strukturmerkmal. Dass mit dem weiteren Erstarken der Rechten in Deutschland auch die Korruption zunimmt, ist deswegen kein Wunder.
Neue Zahlen der Nichtregierungsorganisation Transparency International belegen das: Von Platz 12 rutscht Deutschland auf Platz 15 im Korruptionsindex. Rechte machen sich den Staat zur Beute, um ihn für die privaten Interessen kleiner Gruppen zu nutzen.
AfD bleibt historischem Vorbild treu
Treiber dieser Entwicklung ist offenkundig die AfD, die ein maximal strategisches Verhältnis zum Recht pflegt. Ob illegale Parteispenden, dubiose Zahlungen aus Russland oder die Beschäftigung von Spionen im Parlament – AfD-Funktionäre nehmen, was sie kriegen können. Damit bleibt die AfD in diesem Feld dem historischen Vorbild treu: Schließlich war auch die NSDAP bis in den letzten Gau durchsetzt von Korruption.
Aber auch die Union und die Parteien der Ampel stachen in den vergangenen Jahren nicht gerade als Vorkämpfer für Korruptionsprävention hervor. Um Machtmissbrauch erfolgreich zu bekämpfen, braucht es vor allem öffentliche Kontrolle und starke Richtlinien. Und die wurden unter Bundeskanzler Olaf Scholz nicht gestärkt.
Sei es die unzureichende Kontrolle von Parteispenden oder auch das erst vollmundig angekündigte, aber dann im SPD-geführten Innenministerium versauerte Bundestransparenzgesetz – kaum war die Ampelkoalition in ihren Ämtern angekommen, verstummten die Forderungen nach Transparenz, die die Parteien in der Opposition noch lauthals verkündet hatten.
Dicke Fische kommen davon
Im Gegenteil: Das Kanzleramt agierte unter Scholz noch intransparenter als unter Merkel, Innen-, Finanz- und Wirtschaftsministerium vergruben sich hinter angeblichen Sicherheitsinteressen, die mittlerweile zu einem Joker der Transparenzverweigerung geworden sind: Sorry, diesen Beratervertrag darf die Öffentlichkeit nicht einsehen, die Sicherheit des Abendlandes ist in Gefahr.
Dass unter Bundeskanzler Friedrich Merz die Gefahr für steigende Korruption noch deutlich zunehmen wird, lässt sich allein schon an den derzeitigen Kampagnen des rechten Lagers gegen NGOs zeigen. Die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier treibt im EU-Parlament eine Diffamierungskampagne gegen die staatliche Finanzierung von Umweltorganisationen voran. Und Merz’ CDU skandalisiert gemeinsam mit der Springer-Presse die Zahlung von 18.000 Euro Steuergeldern für Bildungsarbeit an die „Omas gegen Rechts“.
Damit verschiebt die politische Rechte wie auch im Bereich der Sozialpolitik den Fokus von den dicken Fischen auf ein paar dünne Sardinen. Wir reden nicht über 100 Milliarden Euro Steuerhinterziehung pro Jahr, sondern über ein paar Millionen Euro, die Bürgergeld-Empfänger*innen zusätzlich weggenommen werden sollen.
Freier Weg für Machtmissbrauch
Und wir reden nicht über milliardenschwere klimaschädliche Subventionen, mit denen sich ein paar wenige Superreiche weiter vollstopfen, sondern über ein paar Euro für sowieso größtenteils ehrenamtlich arbeitende Demokratie-Initiativen, die den Zusammenhalt im Land organisieren.
Dabei kommt der Union zugute, dass die Unterschiede zwischen Millionen und Milliarden für Menschen einfach nicht vorstellbar sind. Ein Beispiel: Eine Million Sekunden entsprechen 11 Tagen. Eine Milliarde Sekunden entsprechen 31,7 Jahren. Noch ein Beispiel gefällig? Eine Million Meter sind 1.000 Kilometer, also etwa die Entfernung von Hamburg nach Wien. Eine Milliarde Meter sind eine Million Kilometer, also etwa dreimal die Entfernung von Hamburg zum Mond.
Ein entgrenzter öffentlicher Diskurs, in dem nicht die Mächtigen kritisiert werden, sondern vor allem die Machtlosen angegangen werden, öffnet Machtmissbrauch Tor und Tür – und zwar millionen- und milliardenschwer.
Arne Semsrott ist Journalist und Aktivist und leitet das Projekt FragDenStaat, das für Informationsfreiheit kämpft. Er hat zudem den Freiheitsfonds gegründet.
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