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Neubau der Strecke Hamburg-HannoverDie Bahn will an die Autobahn

Der Konzern hat bekanntgegeben, dass er eine neue Strecke entlang der Autobahn A7 bauen will. Bislang galten andere Vereinbarungen.

Es ist wie bei Hase und Igel: Egal, wo die Bahn bauen will, der Protest ist immer schon da Foto: Jonas Walzberg/dpa

Göttingen taz | Die Deutsche Bahn hat am Freitag ihre Vorzugsvariante für den Ausbau der stark überlasteten Verbindung Hamburg-Hannover vorgestellt. Sie sieht neben der Sanierung der bestehenden Trasse im Jahr 2029 die Planungen für eine Neubaustrecke parallel zur Autobahn 7 vor. Ein Neubau erfülle die Kriterien für den Deutschland-Takt und das Ziel, mehr Platz auf den Gleisen für mehr Züge im Nah-, Fern- und Güterverkehr zu schaffen, hieß es zur Begründung. Dagegen habe sich der reine Streckenausbau trotz intensiver Prüfung als „deutlich unterdimensioniert“ herausgestellt.

Außerdem bringt der Neubau laut Bahn zusätzliche Potenziale für neue Nahverkehrshalte wie zum Beispiel im Heidekreis. Auf der bestehenden Trasse zwischen Hannover und Hamburg werde so Platz für ein besseres und zuverlässigeres Nahverkehrsangebot geschaffen.

Etwa 240 Personen- und Güterzüge sind an jedem Tag zwischen Hamburg und Hannover unterwegs. Das heißt: Alle sechs Minuten passiert ein Zug die 130 Kilometer lange Strecke. Die Auslastung liegt nach Angaben eines Bahnsprechers bei 147 Prozent. Die Überlastung zeigt sich auch in der Pünktlichkeit, die bundesweit im Juli 2024 bei 62 Prozent lag. Auf der Strecke Hannover–Hamburg fällt der Wert noch schlechter aus: Nur 56 Prozent aller Züge waren pünktlich.

Sollte der Neubau realisiert werden, hätte sich das Schienenverkehrsprojekt Alpha-E erledigt. Es sah den Ausbau verschiedener Bahnstrecken in Niedersachsen vor. 2015 war das Projekt im Dialogforum Schiene Nord als Alternative zur damals geplanten Y-Trasse mit großer Mehrheit der Beteiligten beschlossen worden.

Beirat: Bahn will Fakten schaffen

Der noch bestehende unabhängige Projektbeirat Alpha-E verweist auf die damals erzielte Einigung. Wohl um Fakten zu schaffen, starte die Bahn jetzt eine Ausschreibung für die Raumverträglichkeitsprüfung einer Neubaustrecke, bemängelt der Beirat. Damit drohe der Ausbau „direkt an die Wand“ gefahren zu werden: „Wir fragen uns, auf welcher politischen Beschlusslage diese Ausschreibung beruht. Bisher wurde keine Entscheidung für eine Neubaustrecke getroffen.“

Hinzu kommt dem Beirat zufolge, dass aktuell die finanziellen Mittel an allen Ecken fehlten. Viele Projekte der dringend notwendigen Generalsanierung seien finanziell nicht abgesichert: „In dieser Situation weitere Ressourcen in eine Neubauplanung zu stecken, obwohl klar ist, dass keine finanziellen Mittel zur Realisierung vorhanden sind, ist unverantwortlich.“ „Bei Stuttgart 21 war schließlich so viel Geld investiert, dass sich niemand mehr traute, das Projekt noch abzubrechen“, sagt Beiratssprecher Peter Dörsam. Vielleicht gebe es bei der DB Entscheidungsträger, „die auf etwas Ähnliches spekulieren.“

Auch Offizielle im Kreis Harburg sind über die Ankündigung der Bahn wenig amused. „Dieser Vorstoß der Bahn ist eine klare Missachtung aller bisherigen Vereinbarungen“, erklärt Landrat Rainer Rempe (CDU) und sieht sich dabei im Einvernehmen mit örtlichen Bundes- und Landtagsabgeordneten. „Bei einem Neubau würden Naturräume und Siedlungsgebiete brutal durchschnitten und einige Orte inselartig zwischen Autobahn und Bahn eingeschlossen“, greift Rempe auch Bedenken von Umweltschützern auf. Betroffene fürchteten die Belastung durch Schnellzüge vor ihrer Haustür, die Zersiedlung von Landschaften und jahrzehntelange Baustellen. „Die Weiterverfolgung der Neubaustrecke würde immense Nachteile für die Region bedeuten“, so Rempe.

Zustimmung aus der SPD

In Harburgs Nachbarkreis Lüneburg kann die Bahn dagegen auf Verbündete zählen. Die SPD-Abgeordneten Jakob Blankenburg (MdB) und Philipp Meyn (MdL) begrüßen das Neubauvorhaben und sprechen von einem „Befreiungsschlag für den norddeutschen Bahnverkehr“. „Die Entscheidung der Bahn bringt endlich Klarheit und ermöglicht echte Fortschritte“, sagt Blankenburg. Mit der Sanierung der Bestandsstrecke werde die bestehende Infrastruktur fit gemacht. Gleichzeitig schaffe die Neubautrasse entlang der A7 dringend benötigte zusätzliche Kapazitäten. Nur diese Variante könne die prognostizierten Verkehrsbedarfe abdecken.

Zustimmung für die neuen Pläne kommt auch von Adis Ahmetović, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Hannover: „Die heutige Entscheidung der Bahn ist ein klares Bekenntnis zur wirtschaftlichen Zukunft unseres Landes“, sagt er. „Wer Mobilität, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zusammen denken will, muss genau solche Projekte jetzt entschlossen voranbringen.“

Die Landtagsgrünen mahnen für die Planungen Transparenz und Mitsprache an. Sie treten dafür ein, dass Details der Umsetzung zügig in einem Beteiligungsverfahren geklärt werden. Hierfür eigne sich ein Bür­ge­r:in­nen­rat mit Ver­tre­te­r:in­nen aus den direkt und indirekt betroffenen Regionen.

Auch die Bahn kündigt Bürgerbeteiligung an. Das Projektteam will im Herbst eine Tour durch die Region starten, um den Landkreisen und Kommunen detaillierte Karten und Inhalte etwa zum Lärmschutz) vorzustellen und die Meinungen der Menschen in der Region aufzunehmen. Der nächste große Schritt im Planungsprozess solle noch in diesem Jahr die parlamentarische Befassung des Bundestages sein.

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4 Kommentare

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  • Dass es historisch bedingt große Skepsis gegenüber Hochgeschwindigkeitsprojekten in diesem Land gibt ist völlig nachvollziehbar, schließlich bedeutete dies in der Vergangenheit völlige Ignoranz der Belange vor Ort und ggf. auch eine Ausdünnung des vorhandenen Angebots.

    Bei späteren Projekten hat die Bahn jedoch gezeigt, wie durch Neubaustrecken auch bessere Regionalanbindungen durch ganz neue Haltepunkte möglich werden.

    In diesem Fall hier könnte der Regionalverkehr gerade durch den Neubau massiv profitieren, weil nur so die entsprechenden Kapazitäten dafür entstehen. Es wäre damit wirklich an der Zeit, seit Jahrzehnten festgefahrene Positionen neu zu bewerten und sich ehrlich zu machen, wovon die Menschen in der Region wirklich am meisten profitieren!

  • Fangt endlich an flächendeckenden Lärmschutz notfalls mit Einhausung für Bahn und Autobahn einzuplanen und gleich vorrüsten für Stromtrasse.



    Dieses kleinliche bürokratische Auslegen vom Lärmschutz muss aufhören.

  • Die Alpha-E Variante ist die favorisierte Lösung für alle Stadt- und Landesfürsten, weil kein Halt entfällt. Die Kapazität der Strecke lässt sich damit nicht steigern, denn jede Untervariante hat ihre Tücken. Derzeitige Auslastung: knapp 150%. Und die nötige Wirtschaftlichkeit erreicht sie ebenfalls nicht. Ich empfehle dazu den Youtube Kanal von Gustav Richard.

    Dass nun auch die Bürgervereine aus ihren Löchern gekrochen kommen, ist ein weiteres Beispiel von "Not in my Backyard". Die Autobahn stört natürlich nicht, die war ja schon vorher da. Aber dass ein Neubau parallel zur Autobahn die Landschaft durchschneiden würde, ist argumentativ absolut hanebüchen.

    Die Sanierung der Altstrecke und der Neubau entlang der A7 schaffen die notwendige Kapazität und garantieren einen verlässlichen Deutschlandtakt. Leider müssen dann Einwohner der Millionenmetropole Uelzen mit dem Nahverkehr bis nach Hamburg oder Hannover fahren. Für jede Belange 100% erreichen zu wollen, geht nicht.

  • Daß eine für ICEs geeignete Neubau- und Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hamburg und Hannover gebaut wird ist absolut überfällig.







    Und da es in diesem Land ja offenbar überall möglich ist Autobahnen zu verbreitern, sollte man diesen Weg auch hier beschreiten. Sprich die neue Bahntrasse direkt neben (ggf auch über) die Autobahn bauen. Das sollte im Sinne des Planungsprozesses und der betroffenen Anwohner, die mit Abstand schnellste, günstigste und verträglichste Lösung sein.



    Und das auch noch mit Modellcharakter für das ganze Land..