Nahost-Konflikt und Meinungsfreiheit: Junge Demonstrantin in zweiter Instanz freigesprochen
Ist die Frage „Haben wir nichts aus dem Holocaust gelernt?“ auch erlaubt, wenn es um Gaza geht? Für das Berliner Landgericht ist sie das.
Die junge Berlinerin hatte sich im November 2023 mit zwei großen Schildern vor das Paul-Löbe-Haus in Berlin gestellt. Dort haben viele Bundestagsabgeordnete ihre Büros. Auf dem einen Schild stand „Nein zur Ermordung von 8.500 Zivilisten“. Auf einem anderen Schild stand die Frage, die ihr zum Verhängnis wurde.
Die Polizei nahm ihr die beiden Schilder ab und stellte sie sicher, außerdem stellte sie eine Strafanzeige. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten sah in den Aussagen auf den Schildern eine Verharmlosung des Holocausts und verurteilte die Angeklagte dafür im Juni 2025 zu einer Geldstrafe. Auch die Kosten des Verfahrens sollte sie tragen.
Bei der Berufungsverhandlung blieb die zuständige Staatsanwältin bei ihrer Ansicht, die rhetorische Frage stelle eine Gleichsetzung des Holocausts mit dem Geschehen in Gaza dar und damit eine Bagatellisierung.
Der Israel-Palästina-Konflikt wird vor allem in linken Kreisen kontrovers diskutiert. Auch in der taz existieren dazu teils grundverschiedene Positionen. In diesem Schwerpunkt finden Sie alle Kommentare und Debattenbeiträge zum Thema „Nahost“.
Das Landgericht sah das anders. Erstens handele es sich um eine rhetorische Frage oder einen Appell, der den Holocaust als negative historische Folie nehme. Von einer Leugnung oder Billigung könne daher keine Rede sein, sie habe den deutschen Völkermord auch nicht relativiert. Zweitens stellte es fest: Selbst wenn man darin eine Relativierung sähe, sei die Aussage nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Das aber sei nötig, um einen Eingriff in die Meinungsfreiheit zu rechtfertigen.
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