Nachruf auf Sänger Willi Resetarits: Kein Oaschloch zu sein
Dialekt-Blueser, Politaktivist und Menschenfreund: Willi Resetarits alias „Ostbahn-Kurti“ ist gestorben.
Selten hat in Österreich ein Künstlertod so viel Betroffenheit ausgelöst. Willi Resetarits hatte zu Lebzeiten schon viele Freunde, jetzt hat er nur mehr Freunde. Der Burgenlandkroate, der als Kind im Wiener Proletenbezirk Favoriten als „Krowod“ gemobbt wurde, war ein Menschenfreund und nebenbei ein großartiger Musiker. Zum Entsetzen seines Vaters, der sich vom Maurer zum Baumeister hochgearbeitet hatte und von seinen drei Söhnen bürgerliche Karrieren erwartete, brach er sein Anglistikstudium ab, um sich der Musik zu widmen.
Er brachte Rhythm & Blues mit wienerischen Texten auf die Bühne, gründete mit politisch Gleichgesinnten die Folk-Band Die Schmetterlinge, die durch ihre Proletenpassion unsterblich geworden ist, ein politisches Oratorium über die Geschichte der Unterdrückten und deren Aufbegehren. Sie waren bei allen Demos dabei und setzten sich für die Revolution ein. Für das Eurovisionssongcontest in Rumänien war diese Art Musik eher nichts.
Die Schmetterlinge wurden 1977 vorletzte. Während sein älterer Bruder Lukas als Kabarettist Karriere machte und der kleine Bruder Peter im Fernsehen aufsteigen konnte, blieb Willis Schaffen längere Zeit im Schatten.
Ostbahn-Kurti ward geboren
Er blieb aber ruhelos, experimentierte mit verschiedenen Stilrichtungen und schlüpfte in den 1980ern in die Rolle des Ostbahn-Kurti. Den hatten Freunde erfunden, die Gerüchte streuten, ein gewisser Dr. Kurt Ostbahn habe schon zwei Alben aufgenommen, die aber nirgends zu haben waren, und gebe ausverkaufte Konzerte.
Weil er immer schon vorlaut war, meldete sich Resetarits, um diese Kunstfigur mit Leben zu erfüllen. Er stand plötzlich mit einer Band als Ostbahn-Kurti und die Chefpartie auf der Bühne und begeisterte mit einer wienerischen Inkarnation von Bruce Springsteen das Publikum. Obwohl der Ostbahn-Kurti 2006 in Pension geschickt wurde, waren die reale Person und der „Kurti“ bis zuletzt nicht zu trennen.
Resetarits war sein Leben lang das, was man eine Rampensau nennt. Alkoholkonsum und Depressionen ließ er sich nicht anmerken. Er vertonte Gedichte des Mundartpoeten H. C. Artmann, tat sich mit kurdischen Musikern zusammen und gründete das Integrationshaus, das bis heute eine wichtige Anlaufstation für Zugewanderte und Geflüchtete aus allen Ländern ist.
Zu seinem Engagement sagte er einmal dem Falter, er finde es „wahnsinnig angenehm, wenn man kein Oaschloch ist“. Resetarits starb am Sonntag 73-jährig bei einem Haushaltsunfall.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein