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Nach dem GazakriegWaffenstillstand. Und jetzt?

Dank der Vermittlung durch Ägypten haben Israel und die Hamas ihren Krieg beendet. Doch die Palästinenserfrage ist damit nicht gelöst.

Am Freitag im Gazastreifen – das Haus wurde durch einen israelischen Luftschlag zerstört Foto: Suhaib Salem/reuters

Kairo taz | Die Waffen schweigen wieder. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Keines der Probleme, die zum Gazakrieg geführt haben, ist gelöst. Nach ägyptischer Vermittlung hatten das israelische Sicherheitskabinett und die Hamas-Führung einer Waffenruhe zugestimmt, die in der Nacht auf Freitag in Kraft trat.

In dem 11-tägigen Waffengang sind auf israelischer Seite 12 Menschen und im Gazastreifen, laut Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums, 243 Menschen getötet worden, darunter über 100 Frauen und Kinder.

Israel behauptet, 225 Mitglieder militanter Gruppierungen im Gazastreifen getötet zu haben. Die Hamas macht keinerlei Angaben zu Verlusten in ihren eigenen Reihen. Das Elend, das der Krieg über viele Familien im Gazastreifen gebracht hat, wird erst in den nächsten Tagen deutlich werden, wenn wieder Journalisten in das Gebiet gelassen ­werden.

Beide Seiten beanspruchen nun für sich, der Sieger zu sein. Das israelische Militär sagt, es habe Hunderte Mitglieder von Hamas und dem „Islamischen Dschihad“ getötet und deren Waffensysteme und Raketen zerstört. Die Hamas nimmt für sich in Anspruch, dass die israelische Armee mit all ihrer Feuerkraft nicht verhindern konnte, dass von Gaza aus Raketen auf Israel abgeschossen wurden.

Ungemütliche Fragen für Netanjahu

Gleichzeitig ist nichts dessen, was dem Konflikt zugrunde liegt, gelöst: die Abriegelung des Gazastreifens von der Außenwelt, die israelische Besatzung des Westjordanlands und die drohenden Zwangsräumungen in Ostjerusalem. Das sind alte Konfliktlinien zwischen Palästinensern und Israelis.

Dazu ist jetzt noch eine neue gekommen: die blutigen Auseinandersetzungen der letzten Tage zwischen arabischen und jüdischen Bürgern innerhalb des israelischen Staatsgebiets. Die werden mit dem Ende des Krieges wahrscheinlich zwar nachlassen. Was aber bleibt, ist zerbrochenes Glas und der Unmut der Palästinenser, in einem – wie sie es nun immer mehr nennen – „Apartheidsystem“ als Bürger zweiter Klasse in einem jüdischen Staat.

Wie sich der Krieg auf die innerisraelische und innerpalästinensische Dynamik auswirkt, wird in den nächsten Tagen deutlich werden. Nachdem die Waffen jetzt schweigen, wird sich der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu ungemütliche Fragen stellen lassen müssen über seine persönlichen Motive für die Eskalation, die zu diesem Krieg geführt hat – allen voran die Frage, warum er die Siedler in Ostjerusalem von der Leine gelassen hat, die dortigen Zwangsräumungen voranzutreiben.

Dazu kamen Einsätze der israelischen Polizei im Ramadan in der Altstadt Ostjerusalems sowie in der Al-Aksa-Moschee, deren Verhältnismäßigkeit auch innerhalb der israelischen Gesellschaft mit dem Waffenstillstand thematisiert werden dürfte. Im Kern steht dabei die Frage, ob Netanjahu von seinen Schwierigkeiten, sich als Regierungschef an der Macht zu halten, und von einem Gerichtsverfahren gegen ihn wegen Korruptionsverdachts ablenken wollte.

Die Hamas ist zurück

Die innerpalästinensische Dynamik ist schwerer zu greifen. Am deutlichsten ist, dass die letzten Tage die palästinensische Selbstverwaltung und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geschwächt und die Rolle der Hamas gestärkt haben. Aus palästinensischer Sicht waren die israelischen Polizeieinsätze in Ostjerusalem der Auslöser des jüngsten Konfliktes.

Und während Abbas dabei nicht viel mehr als ein Zuschauer auf der Seitenlinie blieb, erkannte die Hamas ihre Chance, stellte der israelischen Polizei ein Ultimatum, sich aus der Al-Aksa-Moschee zurückzuziehen sowie von den Zwangsräumungen im Ostjerusalemer Viertel Sheikh Jarrah abzusehen. Wenige Minuten nach Ablauf des Ultimatums flogen die ersten Raketen auf Israel.

Die Hamas, frustriert über ihre Rolle als zunehmend unpopulärer Machthaber im palästinensischen Armenhaus Gazastreifen, hat sich mit ihren Raketen wieder in die gesamtpalästinensische Politik geschossen. Ob die Hamas-Rechnung allerdings wirklich aufgeht, bleibt abzuwarten.

Zum einen werden die Palästinenser den hohen Preis kalkulieren, den die Zivilbevölkerung im Gazastreifen bezahlt hat, dessen Infrastruktur nun wieder Jahre zurückgebombt wurde. Auf der anderen Seite hat sich gerade bei den Auseinandersetzungen in Ostjerusalem und auch in den Tagen des Krieges eine neue palästinensische Generation zu Wort gemeldet, die ihr Vertrauen in die alte palästinensische Führung verloren hat – egal, ob sie Abbas oder Hamas heißt.

International haben die letzten Tage aber vor allem eins gezeigt: Die Palästinenserfrage wird sich nicht in Luft auflösen. Der Status quo in Nahost ist nicht nachhaltig. Daran ändert auch der neue Waffenstillstand nichts.

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21 Kommentare

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  • Diese Faktenlage macht verzweifelt. Und tiefe Verzweiflung und Ohnmacht sind die Ursachen von Terror. Wen wundert es also, wenn Unterdrückung Hass gebiert, der sich dann entlädt.

  • Die humanitäre Situation in Gaza, sprich die Lebensbedingungen sind unerträglich geworden - nicht erst seit dem letzten Bombardement.



    Omar Shakir von Human Rights Watch meint, dass Israels Abriegelung Gaza zu einem »Freiluft-Gefängnis« macht. Die Ein- und Ausreise aus dem Gazastreifen ist für Palästinenserinnen und Palästinensern nur unter strengen Ausnahmeregelungen möglich. Angesichts der Ausmaße der israelischen Blockade spricht Shakir von »kollektiver Bestrafung« der Bevölkerung. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk meint er: »Hier geht es nicht um Israels Sicherheit. Es ist eine politische Strategie, mit der Druck ausgeübt werden soll, um Hamas zu stürzen. Aber diese Strategie wirkt nicht, sie ist illegal und sie ist zutiefst unmoralisch.«



    Schon jetzt können die Menschen mit 98 Prozent des Grundwassers nicht einmal mehr Wäsche waschen. Strom gibt es nur vier bis sechs Stunden täglich. Die Gesundheitsversorgung, das Bildungssystem und die öffentlichen Dienstleistungen liegen am Boden. Die Arbeitslosenrate liegt bei knapp 50 Prozent, bei den unter 30-Jährigen haben über 60 Prozent keine Arbeit.



    Mittlerweile ist die Lage so schlecht, dass die Hälfte der Jugendlichen keinen Willen zum Leben mehr hat. »Das Ausmaß psychosozialer Leiden ist außergewöhnlich. Ärzte erzählen, eins von drei Kindern hat psychosoziale Probleme. Die Leute begehen Selbstmord, jungen Menschen sind verzweifelt, unglücklich«, erläutert Jamie McGoldrick, UN Koordinator für Humanitäre Hilfe in den besetzten Palästinensischen Gebieten. »Die Leute können unter diesen Bedingungen kein normales Leben führen. Ohne Zukunftsaussichten, ohne Aussicht auf Ausbildung, Abschluss, Job. Heiraten, aus dem Haus der Eltern ausziehen, ein eigenes Leben aufbauen – diese einfachen Dinge, die Menschen in anderen Teilen der Welt anstreben: In Gaza gibt es sie einfach nicht«, so McGoldrick. Dass es einmal ein anderes Leben gab haben nur die Älteren erlebt. Die jungen Menschen kennen nur Krieg, Schmutz, Mangel.

  • Was unsere lage in Deutschland angeht, hier ein schöner Text:



    Zitat: "Zurück zu den Antisemiten. Die gibt es hierzulande nicht."



    Zitat Ende



    www.hagalil.com/20...es-antisemitismus/

  • Der Autor dieses Artikels kann ja mal Voestellungen entwickeln wie die Weltgemeinschaft mit Gaza umgehen sollte. Eine kleine Enklave die von Terrosten okupiert wurde und vom Iran und Katar aufgegerüstet wurde und wird. Als die Israelis die Besatzung beendeten war eine Chance für einen demokratischen Staat. Man hat den Weg des Terrors gewählt und Anschläge in Israel verübt. Darauf hin erfolgte die Abriegelung und Grenzsicherung durch Israel.



    Wie also weiter. Eine geografische Verbindung zum Westjordanland wird es nie geben.

    • @Klempner Karl:

      Leider viel zu simpel "analysiert". Eine Chance zu einem funktionierende palästinensischen Staat hat es nie gegeben. Totale Versorgungsabhangugkeit in Sachen Wasser und Energie von Israel. Kontrolle jeglicher individueller und kollektiver Entwicklungsmöglichkeiten durch Israel. Physische Zerstückelung des Landes, Landraub, Zerstörung landwirtschaftlicher Produktionsgebiete und ein langes etc.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Klempner Karl:

      Eine halbwegs befriedigende Lösung wird es nicht geben - sagte vor Jahrzehnten bereits Henry Kissinger.

      Ein schönes Beispiel, was religiöse Fanatiker alles anrichten können.

  • Was soll sich ändern? Israel macht mit seiner Besatzungs- /Apartheids- /Besiedlungspolitik ungestraft weiter und wir warten auf die nächste Intifada.

  • Die meisten Kommentaren bleibt ein entscheidender Akteur unerwähnt. Und das ist Iran! Hamas in Gaza und Hisbollah im Libanon sind der verlängerte Arm des Iran. Das Land hat aber ein Interesse daran, die wirtschaftliche und politische Isolation zu überwinden, die aus der Sanktionspolitik des Westens folgt. Der Westen führt derzeit Gespräche über die Wiederbelebung des Nukleardeal mit Iran. Die USA sitzen indirekt mit am Tisch. Daraus könnte sich folgender politischer Kompromiss ergeben: Iran erkennt endlich das Existenzrecht (!) Israels an, verzichtet glaubhaft auf Kernwaffen und hält Hamas von weiteren Angriffen ab. Dafür hebt der Westen die Sanktionen gegen den Iran auf und akzeptiert das Land als gleichberechtigte Regionalmacht. Israel verzichtet auf weitere Cyber Attacken gegen iranische Nuklearanlagen. Außerdem verpflichtet sich Tel Aviv mit Blick auf Ost-Jerusalem und das Westjordanland usw. usf. Wenn alle Seiten ihr INTERESSE an einer solchen Entwicklung erkennen würden, wäre Frieden möglich. Und die drangsalierten Palästinenser*innen bekämen endlich eine Perspektive!



    www.nzz.ch/meinung...aufruhr-ld.1626077

  • Die Frege, was nach dem Waffenstillstand kommt. lässt sich klar beantworten - leider: International wird die Politik des ewigen Vertröstens der Palästinenser fortgesetzt. National setzt Israel die Politik des staatliche Landraubs und des Siedlungsebaus fort, begleitet von höflichen Ermahnungen auf internationaler Ebene.

    Man kann sich ja einmal ganz praktische vorstellen, was alles passieren müsste, damit es eine politische Perspektive gäbe:



    Zunächst müsste US-Präsident Biden selber bereit sein, sich druckvoll einzumischen (was er nicht ist). Dann müsste er die innenpolitische Auseinandersetzung mit AIPAC und gegen proisraelscihe Mehrheiten in beiden Kammern im Kongress riskieren und auch gewinnen, begleitet von orchestrierten Antisemitismusvorwürfen der Evangelikalen und rechter Medien (an dieser Stelle hatte Obama aufgegeben). Dann müsste er die israelische Regierung zwingen, den Palästinensern ein Territorium für einen eigenen Staat zu überlassen oder ihnen in einem Großisrael die israelische Staatsangehörigkeit zu geben - bei einer Knesseth, die zu 85% aus sehr nationalistischen bis extrem nationalistischen Abgeordneten besteht, die jeden Ausgleich mit den Palästinensern ablehnen. Zu guter Letzt müsste er auch noch die Hamas eibeziehen, was sich die US-Regierung durch die Einstufung als "Terrororganisation" eigentlich selber verboten hat.

    Das ist wohl zu oft "müsste".

    Das wahrscheinlichere Szenario für die Zukunft ist daher die Deportation der Palästinenser aus der Westbank nach Jordanien im Rahmen einer größeren Auseinandersetzung oder einer größeren Intifada. Die Evangelikalen Christen in den USA und die Nationalreligiösen in Israel haben da ja gemeinsam recht klare geographische Vorstellungen.

    Der letzte US-Präsident, der eine politische Perspektive durchsetze, war Bush Senior, als er Itzhak Shamir Anfang der neunziger Jahre zu Verhandlungen zwang, die dann unter dem Nachfolger Rabin zu den osloer Verträgen führten.

    Aber das ist lange her.

    • @Lenning Köstler:

      Hinsichtlich der US-Evangelikalen sprechen Sie einen Punkt an, der sich tatsächlich als beträchtlicher innenpolitischer Bremsklotz für Bidens Bemühungen erweisen könnte, in Nahost wieder den “Fuß in die Tür” zu bekommen, um langfristig eine Friedenslösung im israelisch-palästinensischen Konflikt zu erreichen.



      Die Antisemitismus-Karte wird dabei vor allem von denjenigen gespielt, die meinen, Israel solle und könne den Konflikt einseitig mittels militärischer Stärke lösen … die Palästinenser haben sich also der israelischen Herrschaft unterzuordnen oder aber sie können ihre Sachen packen und haben von der Bildfläche zu verschwinden.



      Ein derartiger “Frieden” auf Basis einer Ein-Staaten-Lösung blendet den Aspekt der Gerechtigkeit für die palästinensische Seite allerdings komplett aus, ohne die eine tatsächliche Beruhigung des Konflikts nicht möglich erscheint.



      Darum geht es auf der sachlichen Ebene … das ekzessive Schwingen der Antisemitismuskeule ist in diesem Kontext daher vollkommen deplatziert noch irgendwie zielführend.



      Wem der grassierende Antisemitismus wirklich Sorgen bereitet, sollte sein Augenmerk besser auf gewisse gesellschaftspolitische Tendenzen hierzulande richten … vor allem auf die ideologisch motivierte Instrumentalisierung und Umdeutung des Antisemitismusbegriffs der vermeintlichen “Israelfreunde” aus dem politisch rechten Spektrum.



      Rassisten und Islamophoben sollte hier nicht die Deutungshoheit überlassen werden … weder hierzulande noch in den USA.

  • "Dazu kamen Einsätze der israelischen Polizei im Ramadan in der Altstadt Ostjerusalems sowie in der Al-Aksa-Moschee,"

    Ich war als Jude über den Einsatz zutiefst schockiert. Auch besteht meinerseits keinerlei Sympathie für religiöse Spinner in Judäa und Samaria oder Ostjerusalem.

    Ich sehe leider weder in Israel, es gibt aktuell keine Regierung und die innenpolitischen Proteste, ich bin schockiert über die innerisraelischen Ausschreitungen und ich meine da beiden Seiten.

    Innerhalb der Palaraber, das ist nur, was ich als Externer wahrnehme, gibt es nicht einmal eine Führung.

    Ich möchte einen kurzen Appell für beide Seiten formulieren.

    Wir waren und sind nicht immun davor, andere Menschen schlecht zu behandeln und ihnen ihr Menschsein abzusprechen.

    Die Unmenschlichkeit, die einem anderen Menschen angetan wird, zerstört die Menschlichkeit in mir.

    Schalom

    • @Sven Günther:

      Danke für diesen empathischen Kommentar!!!

    • @Sven Günther:

      Ihr Appell faßt die Situation treffend zusammen!



      Ich schließe mich gerne als Nichtjude, Nichtaraber, Nichtpalästinenser, überzeugter Atheist, alter weißer deutscher Mann in Frankreich und unverbesserlicher Optimist an.

    • @Sven Günther:

      Ich freue mich, dass es noch Menschen wie Sie gibt, manchmal hat man das Gefühl, dass es bei Araber und Juden es nur um Rache und Hass geht, ich hoffe es wird Zeiten geben in denen Araber und Juden mit weiß gefärbten Hände wie seine Zeit in Katalonien gegen Terror demonstrieren und diese idiotie nicht durch gehen lassen.

  • Was will man da lösen? Jeder hat sein Land. Nur, dass die Araber in Israel normal leben können, sogar eine einflussreiche Partei stellen. Andersrum ist da meist nur ... Hass.

    • @Wonneproppen:

      Informieren Sie sich mal über die Rechte der arabischen Bevölkerung in Israel.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Es gibt keine Lösung für das Gaza Problem.

  • Wie lange hat die Hamas gebraucht, um diesen Massenbeschuss vorzubereiten?

  • Der Begriff "Palästinenserfrage" erinnert an "Endlösung der Judenfrage". Bitte umformulieren!

    • @VanessaH:

      Ganz genau so war es gemeint. Nicht.

      Ich würde sagen, wir überlassen den Rechten weder Sprache noch Flagge.

    • @VanessaH:

      Wenn Sie das 'rein projezieren wollen...