Nach Unfall im Hambacher Forst: NRW-Regierung setzt Räumung aus
Ein Journalist ist am Mittwoch aus großer Höhe abgestürzt und verstorben. Nun wird die Räumung ausgesetzt.
Kurz darauf dann die Meldung von der NRW-Landesregierung: Die Räumungsarbeiten im Hambacher Forst werden „bis auf weiteres“ ausgesetzt. „Wir können jetzt nicht einfach so weitermachen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in Düsseldorf.
„Ein Mann, der das Leben der Baumhausbewohner dokumentiert hat, ist ums Leben gekommen“, sagte Paul Kemen, Sprecher der Polizei Aachen. Er sei durch mehrere Bretter einer Brücke zwischen zwei Baumhäusern gestürzt. Obwohl sofort medizinische Rettungsmaßnahmen eingeleitet wurden und ein Rettungshubschrauber landete, verstarb er noch vor Ort. „Der Vorgang ist sehr tragisch“, sagte Kemen.
Nach seinen Angaben stand der Fall „in keinem Zusammenhang mit polizeilichen Arbeiten zur Räumung der Baumhäuser“. Vielmehr habe die Polizei dabei helfen wollen, eine Speicherkarte des Verunglückten an einen Kollegen am Boden zu übergeben. „Zu diesem Zweck ist ein Kollege von mir mit dem Kollegen in Richtung Baumhaus gegangen“, sagte Kemen. „Man verabredete gerade, wie ein Austausch der SD-Karte erfolgen kann, als der Mann abstürzte.“
Alle Räumungsmaßnahmen im Wald, der für den Braunkohletagebau von RWE gerodet werden soll, wurden vorläufig eingestellt. An der abgeschirmten Unfallstelle herrschten Trauer und Entsetzen – bei AktivistInnen ebenso wie bei Polizeikräften. Der Unfallort wurde für weitere Ermittlungen abgesperrt. „Den Bewohnern der Baumhäuser wird jegliche Hilfe angeboten“, erklärte der Polizeisprecher.
Unfall während Räumung von Beechtown
Vertreter der WaldbesetzerInnen reagierten erschüttert auf den Todesfall. „Ich bin zutiefst erschüttert und fassungslos, dass dieser Mensch, der ein Freund von uns ist und das Leben im Wald dokumentiert hat, heute im Hambacher Forst sein Leben verloren hat“, sagte eine Aktivistin, die sich als Kali vorstellte, unter Tränen auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Als Konsequenz wurde die Forderung erhoben, die Arbeiten im Wald einzustellen. „Ich finde nicht, dass hier weiter eine Räumung stattfinden soll“, sagte Lutz, ein weiterer Aktivist. „Es dürfen keine weiteren Menschenleben gefährdet werden.“
Ähnlich äußerten sich die Bürgerinitiative Buirer für Buir, die die WaldbewohnerInnen unterstützt hat, sowie die Initiativen Ende Gelände und Aktion Unterholz, die zu Protesten im Wald aufgerufen hatten. „Wir sprechen der Familie und Freunden des Verstorbenen Journalisten unser tief empfundenes Beileid aus“, erklärten sie auf Twitter. Kein weiterer Mensch dürfe im Wald zu Schaden kommen. „Wir fordern deshalb die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen auf, die mit massivem Tempo durchgeführte gefährliche Räumung des Hambacher Forstes sofort zu beenden“, so die Initiativen.
Die Waldbesetzer reagierten erschüttert auf den Todesfall. „Wir sprechen der Familie und Freunden des Verstorbenen Journalisten unser tief empfundenes Beileid aus. Wir trauern um den Menschen.“ Weiter forderten sie ein Ende der Arbeiten. „Wir fordern die Polizei und RWE auf, den Wald sofort zu verlassen und diesen gefährlichen Einsatz zu stoppen. Es dürfen keine weiteren Menschenleben gefährdet werden“, schrieben sie. „Was jetzt nötig ist, ist ein Moment der Ruhe.“
Der Unfall ereignete sich während der Räumung des Baumhausdorfes Beechtown. Dort sind die Baumhäuser mit zahlreichen Seilbrücken miteinander verbunden. Hubsteiger, mit denen die AktivistInnen von Polizisten aus den Baumhäusern geholt werden, waren nicht in unmittelbarer Nähe des Unfalls im Einsatz, sondern etwa 20 Meter entfernt.
Die AktivistInnen wollen mit der Waldbesetzung verhindern, dass der Rest des Hambacher Forstes für den Braunkohletagebau Hambach gerodet wird. Über mehrere Jahre hatten sie dafür mehr als 50 Baumhäuser errichtet.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text wurde im Laufe des Abends mehrfach aktualisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge