NSU-Terror in Hamburg: Kompromiss macht Grüne unfroh
Mit Verrenkungen vermeiden die Hamburger Grünen einen NSU-Ausschuss. Eine Abgeordnete kann das nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren.
Der Kompromiss sieht eine „wissenschaftliche und interdisziplinäre Aufarbeitung“ des NSU-Komplexes an der Elbe vor, die von einem „interfraktionellen Beirat der Bürgerschaft“ begleitet werden soll. „Diese Studie ist ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung rechter Netzwerke“, sagt die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Block. Sie sei allerdings „kein Ersatz für einen PUA“.
Einen Antrag der Linken zu der Bürgerschaftssitzung am gestrigen Donnerstag, einen Untersuchungsausschuss wegen des NSU-Mordes an Süleyman Taşköprü 2001 einzusetzen, wollte Block daher „aus Gewissensgründen“ nicht ablehnen.
„Die Entscheidung, zu der ich gekommen bin, war kein einfacher Prozess“, sagt Block. Auch deshalb zolle sie denen in ihrer Fraktion, die sich anders entscheiden würden, Respekt. Aus ihrer Sicht wäre jedoch ein PUA das Mittel zur „ernsthaften Aufklärung“ und deswegen notwendig. Und sie weist darauf hin, dass die Landesmitgliederversammlung der Grünen für einen Ausschuss gestimmt habe.
Hoheitliche Werkzeuge gefordert
Auch die Grüne Jugend betont die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses. „Die wissenschaftliche Aufarbeitung rechter Netzwerke und des NSU-Komplexes wird nicht ausreichen“, sagt Berkay Gür, Landessprecher der Grünen Jugend. Ein Untersuchungsausschuss hätte die notwendigen hoheitlichen Mittel, Befugnisse und Beweiserhebungsrechte.
Fehlentwicklungen in den Ermittlungen und Missstände in den Sicherheitsbehörden ließen sich nur durch Akteneinsicht und das Vorladen von Zeugen klären. Die SPD weigere sich jedoch weiterhin, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. „Parteiinteressen müssen jetzt hinten angestellt werden“, findet die Landessprecherin der Grünen Jugend, Nergis Zarifi.
Mit der Ablehnung des Antrags der Linken unterlaufen die Grünen nicht nur ihre Beschlusslage – sie enttäuschen auch die Angehörigen von Taşköprü. 2022 sagte der Neffe des dritten NSU-Opfers, Okan Taşköprü: „Vor allem wünschen wir uns als Familie Taşköprü einen Untersuchungsausschuss in Hamburg. Die Aufklärung ist der einzige Weg, mit den Schmerzen abschließen zu können.“
Die Behauptung des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Sören Schumacher, „bei all diesen Untersuchungsausschüssen ist nichts herausgekommen“, kontert Maximilian Pichl, Vertretungsprofessor für Politische Theorie an der Universität Kassel. „Durch die parlamentarische Aufarbeitung konnten bundesweite Querverbindungen zwischen den rechten Szenen sichtbar gemacht werden. Hamburg fehlt“, twitterte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht