NRW verschärft Polizeigesetz: Koalition für mehr Repression
Im NRW-Landtag stimmen CDU, FDP und SPD für ein schärferes Polizeigesetz. KlimaschützerInnen wollen mit zivilem Ungehorsam dagegenhalten.
Zur „Telekommunikationsüberwachung“ (Quellen-TKÜ) dürfen die Beamten künftig Spionage-Trojaner in Computer und Smartphones einschleusen. Die Videoüberwachung wird ausgeweitet. Außerdem sieht das von Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul verantwortete Gesetz Aufenthaltsgebote und Kontaktverbote vor – die Polizei kann also künftig festlegen, welcher bloß Verdächtige wo mit wem reden darf.
Die Grünen stimmten gegen die Verschärfungen. „Dieses Gesetz greift zu tief in die Grundrechte ein“, sagte deren Parlamentarische Geschäftsführerin, Verena Schäffer. SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty hatte die Zustimmung seiner Abgeordneten dagegen schon am Dienstag begründet – mit Änderungen, die die Sozialdemokraten CDU und FDP abgerungen hätten.
Das ursprünglich an der harten bayerischen Linie orientierte Gesetz ähnele jetzt dem liberaleren Entwurf der Großen Koalition in Niedersachsen, sagte Kutschaty – dabei soll das niedersächsische Polizeigesetz nun nicht mehr wie ursprünglich geplant noch in diesem Jahr beschlossen werden: In Hannover hatten zuvor Landtagsjuristen Bedenken gegen die vorgesehene Präventivhaft geltend gemacht.
Proteste in Düsseldorf und Hannover
In Düsseldorf betonte Sozialdemokrat Kutschaty dagegen, auf Druck seiner Fraktion sei nun immerhin sichergestellt, dass Menschen in Polizeigewahrsam anwaltliche Unterstützung bekommen.
„Wenn wir jemanden einsperren, der noch keine Straftat begangen hat, muss gewährleistet sein, dass eine unabhängige Stelle den Rechtsschutz gegen diese richterliche Entscheidung umfassend prüft“, sagte der Ex-Landesjustizminister. Bei der Quellen-TKÜ habe die SPD außerdem durchsetzen können, dass „Berufsgeheimnisträger“, wie eben Anwälte, Ärzte oder Geistliche, nur begrenzt abgehört werden dürfen.
Zu Protesten hatte ein breites Bündnis aufgerufen, dem etwa Parteien wie Grüne und Linke, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschafter und Umwelt- und Klimaschützer angehören. Erst am Wochenende waren in Düsseldorf und Hannover Tausende gegen die verschärften Polizeigesetze auf die Straße gegangen.
Ein ganz spezielles „Lex Ende Gelände“
„Das Gesetz ist eine direkte Antwort auf unsere Klimaproteste rund um den Hambacher Wald“, kritisiert auch Daniel Hofinger, Sprecher der Aktion Ende Gelände, die immer wieder die Braunkohlentagebaue im Rheinischen Revier stürmt. „Dass jetzt Menschen, deren Identität nicht festgestellt werden kann, bis zu sieben Tage in Polizeigewahrsam genommen werden dürfen, ist ein ganz spezielles ‚Lex Ende Gelände‘ “, sagte der Klimaaktivist.
Die CDU und ihr „Dinosaurier-Minister“ Reul verweigere eine politische Lösung für mehr Klimaschutz, setze stattdessen auf „Repression“, sagt Hofinger: „70 Prozent wollen einen schnellen Kohleausstieg.“ Die Klimaschutzbewegung werde deshalb weiter auf „zivilen Ungehorsam“ setzen, verspricht der Klimaaktivist: „Davon kann uns kein Polizeigesetz abhalten. Der Polizeiapparat ist einfach überfordert, wenn Tausende nicht mitspielen.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin