piwik no script img

„Möritz“-Skandal in Sachsen-AnhaltSchweigen aus der CDU-Zentrale

Die Bundes-Union schweigt im Fall eines rechten CDUlers. Erst kürzlich hatte man beschlossen, Rechtsextremismus zu bekämpfen.

Symbolbild CDU: Bloß nicht aus der Deckung wagen Foto: dpa

Berlin taz | Wäre Robert Möritz Stasi-Spitzel gewesen, wäre die Sache klar. Die Satzung der CDU Sachsen-Anhalt regelt in Paragraf 11, dass aus der Landespartei ausgeschlossen wird, wer für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR gearbeitet hat. Aber Robert Möritz war bis zum Wochenende Mitglied des extremistischer Umtriebe verdächtigen Vereins Uniter. Für seine Parteifreunde offenbar kein Grund, den CDU-Kreispolitiker mit dem Nazi-Tattoo und der braunen Vergangenheit ­auszuschließen.

Aus der Spitze der Bundes-CDU ist zu den Vorgängen in Sachsen-Anhalt exakt null zu vernehmen. Auf eine taz-Anfrage an Generalsekretär Paul Ziemiak zu den Vorgängen in dem ostdeutschen Landesverband gibt es keine Antwort. Und das, obwohl der Bundesvorstand erst vor Kurzem, unter dem Eindruck des antisemitischen Anschlags auf die ­Synagoge von Halle (Saale) erklärt hatte, man werde „Rechtsextremismus und Antisemitismus kraftvoll bekämpfen“.

In dem Beschluss vom 14. Oktober steht, die CDU Deutschlands sei „fest entschlossen, unser offenes, tolerantes und menschliches Zusammenleben gegenüber den Feinden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu verteidigen“. Dieser Kampf müsse „an allen Orten, auf allen Ebenen“ geführt werden.

Die Landesebenen der eigenen Partei scheinen dabei aber nicht mitgemeint gewesen zu sein. Anders ist das Schweigen der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und ihres Generalsekretärs Paul Ziemiak nicht zu verstehen.

Der Einfluss der Bundes-CDU ist begrenzt

Saskia Esken, die neue Vorsitzende des Koalitionspartners SPD, sagt am Montag im Willy-Brandt-Haus, sie fände es „schockierend, dass die CDU Sachsen-Anhalt sich vor klaren Konsequenzen drückt“. Esken fordert: „Die Bundes-CDU und Frau Kramp-Karrenbauer müssen eingreifen und deutlich machen, dass die Flanke nach rechts außen geschlossen werden muss.“

Die Durchgriffsrechte der Bundespartei CDU auf die Landesverbände sind allerdings begrenzt. Laut Parteigerichtsordnung wäre für einen Ausschluss Möritz’ das Kreisparteigericht Anhalt-Bitterfeld zuständig. Der Kreisverband aber hat diesem gerade erst das Vertrauen ausgesprochen.

Anders als die Bundesspitze melden sich andere CDU-Vertreter zu Wort. Ruprecht Polenz, einstiger Generalsekretär der Bundes-CDU, sagt der taz: „Die Partei hat die Möglichkeit, Pflöcke einzuschlagen. Ich verstehe nicht, warum das nicht passiert. Wir haben die Aufgabe, der Gesellschaft zu zeigen, wo es für uns aufhört.“

Robert Möritz sei Uniter-Mitglied gewesen – „wenn man sich anguckt, was die machen, wer da drin ist und wie dürftig deren Camouflage ist, fehlt mir dafür jedes Verständnis“. Wenn eine Partei wie die CDU das durchgehen lasse, dann könne jeder andere sagen: So schlimm wie der bin ich noch lange nicht. „Dass alle wissen, dass er in diesem brandgefährlichen Verein war, ist für mich unbegreiflich.“

Früher war die CDU konsequenter

Dass vormalige Kameraden aus der Neonaziszene versuchen, in der Union Karriere zu machen, ist schon früher vorgekommen. Vor 15 Jahren sorgte ein vergleichbarer Fall im Rheinland für Schlagzeilen. Dabei ging es um den damals 25-jährigen Thomas H., der in der CDU im Rheinisch-­Bergischen Kreis als Talent galt. H. war Kreisvorsitzender der Jungen Union Rhein-Berg, saß im Vorstand der örtlichen CDU und gehörte dem Stadtrat von Rösrath an. Außerdem hatte ihn der RCDS in den AStA der Uni Köln entsandt.

Im Februar 2005 deckte eine linke Studierendengruppe seine Verbindungen ins braune Milieu auf: Auf Fotos von Demonstrationen der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ sowie der „Freien Kameradschaften“ im Jahr 1999 hatten sie Thomas H. im Kreis von vorbestraften Neonazis entdeckt.

Schnell kam heraus, dass er zumindest bis 2001 an etlichen solchen Veranstaltungen teilgenommen hatte. Es habe sich um „jugendliche Politexperimente“ gehandelt, rechtfertigte sich der Jung-Unionist. Inzwischen sei er „entschieden gegen jeglichen Extremismus jeglicher Couleur“.

Bis hierhin gleicht der Fall H. dem von Parteifreund Möritz aus Sachsen-Anhalt. Doch der NRW-CDU reichte das seinerzeit nicht. „Hier darf es keinerlei Kumpanei und ebenso wenig eine Grauzone geben – auch nicht augenzwinkernd“, sagte der aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis stammende Wolfgang Bosbach, damals Vizevorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag.

Es dauerte knapp eine Woche, dann war der Fall erledigt: Um einem drohenden Amtsenthebungs- und Ausschlussverfahren zuvorzukommen, trat H. von all seinen Funktionen zurück, auch sein Stadtratsmandat legte er nieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Liebe Leute, es geht hier nicht um einen Aussteiger!!!



    Wenn nach Bekanntgabe der mutmaßlichen Fakten Robert Möritz von "Zersetzungsmaßnahmen" und „typische Methoden von Diktaturen“ spricht bzw. offenbar in einer Stellungnahme schreibt (vgl. Artikel oben), dann kann ja NICHT die Rede von einem Sinneswandel sein: Das ist die Argumentation von sog. Reichsbürgern und Typen, die ein nicht demokratisches Meinungsbild vertreten!!

  • "Anders ist das Schweigen der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und ihres Generalsekretärs Paul Ziemiak nicht zu verstehen"

    Ist schwer gegen die eigene Überzeugung zu argumentieren...

  • Wer bei der Stasi war, kann jegliche politische Karriere vergessen, obwohl das 30 Jahre her ist und die Person immerhin legal für einen Staat gearbeitet hat. Wer rechtsradikal ist, oder vielleicht war, bewegt(e) sich am Rande der Illegalität, hat aber solche Probleme nicht. Welche Heuchelei.

  • Das mag jetzt vielleicht etwas unangepasst klingen Aber hat nicht jeder ein Recht auf eine 2. Chance ich kann da nur aus meiner eigenen Vergangenheit erzählen in meiner Klasse waren auch mehrere sagen wir deutlich Rechte Personen und ja ich war sehr viel mit denen unterwegs, weil ich damals einfach dazugehören wollte, Ja ich war jung aber das hat sich mit 18 komplett geändert und ich habe Freunde aus vielen Ländern. Warum gesteht man das nicht Robert Möritz auch zu? Klar, wenn er sich dementsprechend äußert oder sich so verhält gehört er sofort ausgeschlossen und weg. Aber solange er sich korrekt Verhält, warum sollte man ihn Rausschmeißen. Niemand ist Perfekt aber ich bin eigentlich sehr Stolz darauf in einem Land zu Leben wo jeder seine Meinung haben darf und auch jeder eine 2. Chance bekommt. Man muss nicht jede Kleinigkeit nehmen und direkt den Aufstand proben.

  • Ich finde va. die strategische Potenzlosigkeit der CDU erstaunlich. Wie will man die AfD - gerade im Osten -bekämpfen (bzw. diese kritisieren), wenn man genau wie sie keine klare personelle Abgrenzung zu Neonazis und Radikalen innerhalb der eigenen Partei hinkriegt? So macht man stattdessen die AfD-Radikalität zum Mainstream und öffnet die CDU personell gaaanz weit nach rechts, ohne irgendeinen Nutzen davon zu haben. Nicht nur, dass dies der Ost-CDU nicht nutzen wird, in den Westverbänden richtet man damit massiv Schaden bei Mitgliedern und Wählern an. Und wieder einmal kommt die absolute Führungslosigkeit der Bundesparteispitze ans Licht, ein Totalversagen. Aus Dummheit, Faulheit oder Ignoranz?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Dorian Müller:

      Gegenfrage: wieso sollte die CDU die AfD bekämpfen?

      Wer sich die Geschichte dieses Landes anschaut, könnte zu dem Ergebnis gelangen, eine CDU-Regierung sei quasi naturgegeben.

      Wenn es dem Machterhalt dient, wird sich diese Partei mit jedem ins Bett legen, der (alte Tradition) nicht links ist. Mit ihren abgewanderten Rechtsauslegern zuerst.

      Dass dies mit dem Ahlener Programm von 1947 nichts mehr zu tun hat, kann auch nicht verwundern. Schon der erste deutsche Bundeskanzler Adenauer meinte: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?"

      In massiver Selbstverblendung nennen die Schwarzen das noch "Fortschritt". Ich nenne es fortschreitende Verkalkung.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    ...."Versöhnung ist immer gut

    Wer war in seiner Jugend nicht ein wenig Neonazi? Deswegen muss man doch nicht immer gleich so ein Theater machen. Zum Glück lässt sich die CDU in Sachsen-Anhalt nicht provozieren...."

    Ja ich weiß, ich weiß!

    Ich muß Herrn Kuzmany (altes Nachrichtenmagazin) weiteremfehlen.

    www.spiegel.de/pol...mne-a-1301543.html

    Es weihnachtet:

    Niemand sollte ihn weiter verärgern. Niemand ist Nazi und deshalb kann es auch niemand in der CDU sein, und jetzt Schluss, bevor etwa noch mehr herauskommt über rechte Bürgerkriegsfantasien, das würde doch nur die Versöhnung von Nationalem und Sozialem stören.

  • Aus meiner Sicht experimentiert hier die CDU Sachsen-Anhalt stellvertretend für die ganze Republik.

    Ich denke, an diesem Experiment in Sachsen-Anhalt machen auch die dortigen Grünen mit und die dortige SPD, weil beide in der Magdeburger Landesregierung sitzen.

    Die Grundfrage, die hier verhandelt wird: Möchte sich diese Republik politisch autoritär oder politisch demokratisch entwickeln?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wie schon Konrad Adenauer (CDU-Mann der ersten Stunde) sagte:

    "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?"

    Apropos 'Geschwätz': Ist Paul Ziemak Bundesgeschwätzführer der CDU?

    Rote Socken Kampagnen gegen Andere führen - und braune Socken in den eigenen Reihen: Einfach nur peinlich. Eine Partei für die Ewiggestrigen. Fortschritt predigen und Rückschritt praktizieren.

    B(e)eindruckend. Beinhart.