piwik no script img

Ministerin über Corona-Kinderstudie„Wir sind Pioniere in Deutschland“

Die Rolle von Kindern bei der Ansteckung mit Corona muss endlich erforscht werden, sagt Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer.

Dass Kinder ein großer Risikofaktor in der Pandemie sind, ist bis heute nicht hinreichend belegt Foto: Friedrich Stark/imago
Heike Haarhoff
Interview von Heike Haarhoff

taz: Frau Bauer, seit Wochen wird vor den psychischen Folgen des Lockdowns für Kinder gewarnt. Jetzt endlich lassen Sie für Baden-Württemberg untersuchen, ob Kinder überhaupt eine wichtige Rolle bei der Ansteckung spielen. Warum so spät?

Theresia Bauer: Wir sind nicht spät, wir sind Pioniere. Als erstes Land in Deutschland haben wir eine solche Studie beauftragt. Um empirisch untersuchen zu können, inwieweit Kinder sich anstecken und selbst das Virus verbreiten, braucht es aber auch eine gewisse Verbreitung des Virus in der Bevölkerung. Sonst lässt sich nichts messen.

Zwischen der Idee, die Untersuchung zu machen, und ihrem Beginn lagen gerade einmal sieben Tage. Klingt wie mit der heißen Nadel gestrickt.

Die Krise hat uns verdeutlicht, wie unverzichtbar Wissenschaft für die Politik ist. Wir greifen bei der Eindämmung des Virus massiv in die Grundrechte ein, da wollen wir evidenzbasiert entscheiden. Im Kabinett haben wir seit Wochen die bemerkenswerte Neuerung, dass wir zu jeder Sitzung einen Wissenschaftler einladen. Voriges Mal war der Virologe Christian Drosten zugeschaltet. Er hat uns gesagt, dass wir zu wenig über die Kinder wissen. Ich habe noch aus der Sitzung heraus eine SMS an unser Staatsministerium geschickt, dass wir unsere Unikliniken bitten sollten, eine solche Studie zu machen. Tags drauf hatten wir eine Telefonschalte, bald darauf stand das Design, wenige Tage später gaben die Ethikkommissionen grünes Licht. Insgesamt eine Woche. Ich halte dies für ein hervorragendes Zusammenspiel von Politik und Wissenschaft.

Die Studie kostet 1,2 Millionen Euro, Baden-Württemberg zahlt die gesamte Zeche. In Bonn wurde der Virologe Hendrik Streeck kritisiert, weil er seine Heinsberg-Studie mit 65.000 Euro Landesmitteln finanziell unterstützen ließ.

Ich halte die Kritik, dass ein Land Forschung nicht mitfinanzieren soll, für weltfremd. Wir beeinflussen weder die Methode noch die Ergebnisse; wir fördern Wissen und Erkenntnisse, die wir dringend brauchen.

Bild: dpa
Im Interview: Theresia Bauer

ist Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst (Die Grünen) in Baden-Württemberg.

Was, wenn diese Erkenntnisse zeigen, dass Kinder doch hoch ansteckend sind?

Sollte sich herausstellen, dass Kinder ein großer Risikofaktor sind, werden wir über die Öffnung von Kitas und Schulen anders diskutieren müssen, als wir das jetzt hoffen.

Kinder und Jugendliche bleiben dann für weitere Monate eingesperrt?

Nein. Wir werden dann über andere Lösungen nachdenken müssen, kleinere Gruppen in Kitas und Schulen, noch bessere Hygiene, engmaschiges contact tracing. Klar ist: Die Kinder können und werden nicht ein Jahr lang zu Hause bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Zum Glück fängt jetzt jemand an, diese wirklich wichtige Wissenslücke zu schließen!

  • Wow ein Land, ein ganzen Land beschießt, Kinder, Jugendliche und Studis wegzusperren (und damit oftmals gleichzeitig Frauen an den Herd zu parken), ihnen die Zukunft zu versauen und jetzt lobt sich Ministerin, weil erstes Land....blabla...

    Und TAZ fragt nicht: auf welcher Grundlage fanden denn Beschlüsse, die das Leben der Kinder gestern, heute und für die Zukunft auf das Massivste beeinfluss(t)en statt?



    (Man sollte sich erinnern: noch vor allen anderen Gruppen wurden sie quasi als Virenschleuderer geoutet und einkaserniert.....



    (Nicht die logischere Gruppe der Vielflieger, Weltenbummler, die quasi Virentransporteure, VirenWirte sind, nein, man 'vergriff' sich an den Kindern!)

    Mit gigantischen Folgen!



    Bewegungsstörungen, Schulanschlußstörungen, Handy-/Internetsucht, Sehstörungen,..... Soziale Störungen und viele Probleme die es mit sich bringt, wenn Kinder nicht mehr Sonne und Draußen tanken dürfen, um ihr Immunsystem zu stärken!

    Aber wahrscheinlich hat man sich an Kinder 'vergriffen', weil man den Starken mimen musste, davon ablenken, dass man vorher bei den 'Schutzmaßnahmen' versagt hatte..... und nun auch noch zu feige war, den Anzugträgern (den Merz und Cos), den Journalisten, den Kulturlern und den GrünLinken (die gerne überall herum reisen) ein 'stop' entgegenzuschleudern!

  • Gut, dass diese Studie gemacht wird. Auch gut, wie entscheidungsfreudig und wissenschaftsoffen sich die Politik zeigt (eine Lektion, die sie vielleicht in Sachen Klima mitnehmen könnte!).

    Auch ich verstehe nicht, dass die Finanzierung von Streecks Studie durch das Land NRW kritisiert wird. Auch diese Studie war wichtig und überfällig.

    Dass daran eine PR-Agentur hängt, die auch noch von einem Möbelhaus finanziert wurde hingegen...